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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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früheres Geschlecht auf einem andern Gebiete hervorgebracht. Und je mehr Zeit
vergeht, desto größer wird die Masse des Unbrauchbaren und Abgenutzten. Ver¬
mittler zwischen Gegenwart und Gegenwart sind Sortimenter und Verleger,
zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist es der Antiquar, der Buchhändler
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Für uns freilich existiren nur die Gegenwart und diejenigen Bücher, welche
die letzten beiden Monate hervorgerufen. Jetzt, wo die Preußen zum Theil
schon Luxemburg geräumt haben und das Schwert vorübergehend in der Scheide
ruht, ist auch das Frischeste veraltet und wir zerbrechen uns nicht mehr den
Kopf über der Frage "Preußen oder Frankreich im Besitze Luxemburgs", eine
Frage, die außer früher Genannten auch ein in französischer Sprache geschrie-
benes und in Berlin erschienenes Schriftchen hervorrief. Zu derselben Zeit er¬
schien, von einem preußischen Offizier geschrieben, "Die Schlagfertigkeit unserer
neuen Armeecorps im April 1867". Während die Krönungsstadt am Main
abermals fragt, "Was soll Frankfurt dem Staate entrichten und abgeben?", und
"Die Ansprüche der Polen auf Westpreußen" von stable beleuchtet werden, be¬
trachten einzelne Biochürcn die politische Lage vom allgemeineren Standpunkte,
so: "Wie es kam und wohin es geht. Ein politisches Gespräch. Ende
April 1367", "Der norddeutsche Bund, das preußische Volk und der Reichs¬
tag" von A. Groote und "Einheitsstaat oder Bundesstaat" von A. Lüntzcl mit
dem für Particularistcn fatalen Motto


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Während eine neulich erwähnte Schrift auf die Pflicht Preußens, sich nach Co-
lonien umzusehen, hinwies, bringt jetzt F. Maurer "Die Nee'vbciren. Kolonial-
geschichte und Beschreibung nebst motivirten Vorschlage zur Colonisation durch
Preußen". Auch Oestreich bringt einige deutsche Brochüren neben zwei fran¬
zösischen, welche letztem sich lebhaft mit zu suchenden Bündnissen beschäftigen.
Von jenen nenne ich nur "Oestreichs Rettung" von I. I. Prochazka. Mit
mehr militärischen Gegenständen beschäftigen sich: "Die Befestigung Wiens, ins¬
besondere vom Standpunkte der allgemeinen Ncichsvertheidigung" und "Admiral
Tcgetthoff und die östreichische Kriegsmarine", beides Schriften von Fach¬
männern.

Auf dem Gebiete der Zeitgeschichte ist wenig zu nennen und in diesem
Fall dürfen wir sagen, glücklicherweise. Der Geburtstag deutscher Einheit,
der 3. Juli, findet die Verfassung des norddeutschen Bundes rcchtsgiltig, die
handelspolitische Einheit mit dem Süden zum guten Ende glücklich eingeleitet.
Auch die Verwundeten sind geheilt und wer die Kugelbüchse mit der Feder
wieder vertauschte, schreibt für Befreundete vielleicht seine Erlebnisse, aus denen
manches der Geschichtsschreiber zu holen vermag. Ich nenne nur "Erlebnisse
der freiwilligen akademischen Schützencompagnie im Feldzuge 1866", die in


früheres Geschlecht auf einem andern Gebiete hervorgebracht. Und je mehr Zeit
vergeht, desto größer wird die Masse des Unbrauchbaren und Abgenutzten. Ver¬
mittler zwischen Gegenwart und Gegenwart sind Sortimenter und Verleger,
zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist es der Antiquar, der Buchhändler
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Für uns freilich existiren nur die Gegenwart und diejenigen Bücher, welche
die letzten beiden Monate hervorgerufen. Jetzt, wo die Preußen zum Theil
schon Luxemburg geräumt haben und das Schwert vorübergehend in der Scheide
ruht, ist auch das Frischeste veraltet und wir zerbrechen uns nicht mehr den
Kopf über der Frage „Preußen oder Frankreich im Besitze Luxemburgs", eine
Frage, die außer früher Genannten auch ein in französischer Sprache geschrie-
benes und in Berlin erschienenes Schriftchen hervorrief. Zu derselben Zeit er¬
schien, von einem preußischen Offizier geschrieben, „Die Schlagfertigkeit unserer
neuen Armeecorps im April 1867". Während die Krönungsstadt am Main
abermals fragt, „Was soll Frankfurt dem Staate entrichten und abgeben?", und
„Die Ansprüche der Polen auf Westpreußen" von stable beleuchtet werden, be¬
trachten einzelne Biochürcn die politische Lage vom allgemeineren Standpunkte,
so: „Wie es kam und wohin es geht. Ein politisches Gespräch. Ende
April 1367", „Der norddeutsche Bund, das preußische Volk und der Reichs¬
tag" von A. Groote und „Einheitsstaat oder Bundesstaat" von A. Lüntzcl mit
dem für Particularistcn fatalen Motto


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Während eine neulich erwähnte Schrift auf die Pflicht Preußens, sich nach Co-
lonien umzusehen, hinwies, bringt jetzt F. Maurer „Die Nee'vbciren. Kolonial-
geschichte und Beschreibung nebst motivirten Vorschlage zur Colonisation durch
Preußen". Auch Oestreich bringt einige deutsche Brochüren neben zwei fran¬
zösischen, welche letztem sich lebhaft mit zu suchenden Bündnissen beschäftigen.
Von jenen nenne ich nur „Oestreichs Rettung" von I. I. Prochazka. Mit
mehr militärischen Gegenständen beschäftigen sich: „Die Befestigung Wiens, ins¬
besondere vom Standpunkte der allgemeinen Ncichsvertheidigung" und „Admiral
Tcgetthoff und die östreichische Kriegsmarine", beides Schriften von Fach¬
männern.

Auf dem Gebiete der Zeitgeschichte ist wenig zu nennen und in diesem
Fall dürfen wir sagen, glücklicherweise. Der Geburtstag deutscher Einheit,
der 3. Juli, findet die Verfassung des norddeutschen Bundes rcchtsgiltig, die
handelspolitische Einheit mit dem Süden zum guten Ende glücklich eingeleitet.
Auch die Verwundeten sind geheilt und wer die Kugelbüchse mit der Feder
wieder vertauschte, schreibt für Befreundete vielleicht seine Erlebnisse, aus denen
manches der Geschichtsschreiber zu holen vermag. Ich nenne nur „Erlebnisse
der freiwilligen akademischen Schützencompagnie im Feldzuge 1866", die in


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[0194] früheres Geschlecht auf einem andern Gebiete hervorgebracht. Und je mehr Zeit vergeht, desto größer wird die Masse des Unbrauchbaren und Abgenutzten. Ver¬ mittler zwischen Gegenwart und Gegenwart sind Sortimenter und Verleger, zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist es der Antiquar, der Buchhändler x«r ^o^^- ^ Für uns freilich existiren nur die Gegenwart und diejenigen Bücher, welche die letzten beiden Monate hervorgerufen. Jetzt, wo die Preußen zum Theil schon Luxemburg geräumt haben und das Schwert vorübergehend in der Scheide ruht, ist auch das Frischeste veraltet und wir zerbrechen uns nicht mehr den Kopf über der Frage „Preußen oder Frankreich im Besitze Luxemburgs", eine Frage, die außer früher Genannten auch ein in französischer Sprache geschrie- benes und in Berlin erschienenes Schriftchen hervorrief. Zu derselben Zeit er¬ schien, von einem preußischen Offizier geschrieben, „Die Schlagfertigkeit unserer neuen Armeecorps im April 1867". Während die Krönungsstadt am Main abermals fragt, „Was soll Frankfurt dem Staate entrichten und abgeben?", und „Die Ansprüche der Polen auf Westpreußen" von stable beleuchtet werden, be¬ trachten einzelne Biochürcn die politische Lage vom allgemeineren Standpunkte, so: „Wie es kam und wohin es geht. Ein politisches Gespräch. Ende April 1367", „Der norddeutsche Bund, das preußische Volk und der Reichs¬ tag" von A. Groote und „Einheitsstaat oder Bundesstaat" von A. Lüntzcl mit dem für Particularistcn fatalen Motto o^x «/aöov no^xoij?«»'^, ttA no/jitti'os t'ssra). Während eine neulich erwähnte Schrift auf die Pflicht Preußens, sich nach Co- lonien umzusehen, hinwies, bringt jetzt F. Maurer „Die Nee'vbciren. Kolonial- geschichte und Beschreibung nebst motivirten Vorschlage zur Colonisation durch Preußen". Auch Oestreich bringt einige deutsche Brochüren neben zwei fran¬ zösischen, welche letztem sich lebhaft mit zu suchenden Bündnissen beschäftigen. Von jenen nenne ich nur „Oestreichs Rettung" von I. I. Prochazka. Mit mehr militärischen Gegenständen beschäftigen sich: „Die Befestigung Wiens, ins¬ besondere vom Standpunkte der allgemeinen Ncichsvertheidigung" und „Admiral Tcgetthoff und die östreichische Kriegsmarine", beides Schriften von Fach¬ männern. Auf dem Gebiete der Zeitgeschichte ist wenig zu nennen und in diesem Fall dürfen wir sagen, glücklicherweise. Der Geburtstag deutscher Einheit, der 3. Juli, findet die Verfassung des norddeutschen Bundes rcchtsgiltig, die handelspolitische Einheit mit dem Süden zum guten Ende glücklich eingeleitet. Auch die Verwundeten sind geheilt und wer die Kugelbüchse mit der Feder wieder vertauschte, schreibt für Befreundete vielleicht seine Erlebnisse, aus denen manches der Geschichtsschreiber zu holen vermag. Ich nenne nur „Erlebnisse der freiwilligen akademischen Schützencompagnie im Feldzuge 1866", die in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/194>, abgerufen am 15.01.2025.