Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.Judaisten in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts trug, vor jedem Ver¬ Aus diesem Roman ist nun manches in die kirchliche Tradition überge¬ Jedenfalls standen die Homilien in der alten Kirche in hohem Ansehen. Judaisten in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts trug, vor jedem Ver¬ Aus diesem Roman ist nun manches in die kirchliche Tradition überge¬ Jedenfalls standen die Homilien in der alten Kirche in hohem Ansehen. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0190" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191420"/> <p xml:id="ID_527" prev="#ID_526"> Judaisten in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts trug, vor jedem Ver¬<lb/> dacht geschützt, die Autorität eines Clemens und selbst eines Petrus an der<lb/> Stirn. Auch dieses Verfahren ist bezeichnend für die Pseudonyme Literatur,<lb/> die damals in so großem Umfange betrieben wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_528"> Aus diesem Roman ist nun manches in die kirchliche Tradition überge¬<lb/> gangen. So ist die seit dem Ende des vierten Jahrhunders allgemein adop-<lb/> tirte Angabe, daß Petrus der erste „Bischof" der römischen Gemeinde gewesen,<lb/> auf diese Quelle zurückzuführen. Hier kommt dieser in jeder Beziehung unhisto¬<lb/> rische Ausdruck zum ersten Mal vor. Aus derselben Quelle kommt alles, was man<lb/> über das Leben des römischen Clemens und sein nahes Verhältniß zu Petrus<lb/> erzählte. Von dieser Persönlichkeit bleibt überhaupt gar wenig übrig, wenn man<lb/> abzieht, was Legendenhaftes, Tendenziöses und notorisch Ungeschichlliches sich an<lb/> sie gehängt hat. Mit der Angabe, daß Clemens von Petrus zu seinem unmittel¬<lb/> baren Nachfolger auf der Kathedra eingesetzt worden sei, konnten freilich die Cle-<lb/> mentinen nicht durchdringen gegen eine andere, wie es scheint paulinische<lb/> Tradition, daß nämlich Linus und Clctus die ältesten Bischöfe und Clemens<lb/> der Dritte in der Reihe sei. Es war dies ein ärgerlicher Widerspruch; bei einem<lb/> Kirchcnschrislsteller fand sich die eine, beim andern die andere Angabe. Die Kirche<lb/> wies schließlich definitiv dem Clemens die dritte Stelle an, wo man sich immer¬<lb/> hin die Sache so zurecht legen konnte, daß Clemens von Petrus zum Bischof<lb/> eingesetzt, aber erst nach Linus und Cletus sein Amt angetreten habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_529" next="#ID_530"> Jedenfalls standen die Homilien in der alten Kirche in hohem Ansehen.<lb/> Man hielt sie wirklich für eine Schrift des Clemens, und ein Patriarch von<lb/> Konstantinopel zählte sie sogar zu den Apokryphen des Neuen Testaments. Man<lb/> darf die Schrift keineswegs, wie man aus ihrem Ebionitismus, d. h. aus ihrer<lb/> judenchristlichen Färbung, aus ihrer Opposition gegen Paulus und gegen die<lb/> Vergöttlichung Jesu hat schließen wollen, für das Product einer außerhalb der<lb/> Kirche stehenden ketzerischen Partei halten. Vielmehr ist sie aus einer noch nach der<lb/> Mitte des zweiten Jahrhunderts weitverbreiteten Richtung hervorgegangen, sie<lb/> tritt überall mit dem Bewußtsein auf, die wahre bis auf die Urapostel zurück¬<lb/> reichende Tradition gegen häretische Meinungen und Parteien zu vertreten, und<lb/> sie ist selbst in die Reihe der das ganze 2. Jahrhundert ausfüllenden Versuche<lb/> zu stellen, ein Friedcnsprogramm für die sich bekämpfenden Richtungen in der<lb/> Kirche zu gewinnen: sie ist, wie Schwegler sie genannt hat, ein Unionsprogramm<lb/> auf der Basis des Judaismus. So ausfallend der juristische Standpunkt sich<lb/> zu erkennen giebt, so hat doch diese Partei schon zu wesentlichen Zugeständnissen<lb/> sich herbeilassen müssen. Sie hat namentlich auf die ursprüngliche Forderung<lb/> der Beschneidung verzichten und sie hat die Thatsache des Heidenchristenthums,<lb/> den Universalismus des Evangeliums anerkennen müssen. Nur daß sie die<lb/> Heidenmission sür sich selbst vindicirte, indem sie dieselbe auf Petrus übertrug,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0190]
Judaisten in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts trug, vor jedem Ver¬
dacht geschützt, die Autorität eines Clemens und selbst eines Petrus an der
Stirn. Auch dieses Verfahren ist bezeichnend für die Pseudonyme Literatur,
die damals in so großem Umfange betrieben wurde.
Aus diesem Roman ist nun manches in die kirchliche Tradition überge¬
gangen. So ist die seit dem Ende des vierten Jahrhunders allgemein adop-
tirte Angabe, daß Petrus der erste „Bischof" der römischen Gemeinde gewesen,
auf diese Quelle zurückzuführen. Hier kommt dieser in jeder Beziehung unhisto¬
rische Ausdruck zum ersten Mal vor. Aus derselben Quelle kommt alles, was man
über das Leben des römischen Clemens und sein nahes Verhältniß zu Petrus
erzählte. Von dieser Persönlichkeit bleibt überhaupt gar wenig übrig, wenn man
abzieht, was Legendenhaftes, Tendenziöses und notorisch Ungeschichlliches sich an
sie gehängt hat. Mit der Angabe, daß Clemens von Petrus zu seinem unmittel¬
baren Nachfolger auf der Kathedra eingesetzt worden sei, konnten freilich die Cle-
mentinen nicht durchdringen gegen eine andere, wie es scheint paulinische
Tradition, daß nämlich Linus und Clctus die ältesten Bischöfe und Clemens
der Dritte in der Reihe sei. Es war dies ein ärgerlicher Widerspruch; bei einem
Kirchcnschrislsteller fand sich die eine, beim andern die andere Angabe. Die Kirche
wies schließlich definitiv dem Clemens die dritte Stelle an, wo man sich immer¬
hin die Sache so zurecht legen konnte, daß Clemens von Petrus zum Bischof
eingesetzt, aber erst nach Linus und Cletus sein Amt angetreten habe.
Jedenfalls standen die Homilien in der alten Kirche in hohem Ansehen.
Man hielt sie wirklich für eine Schrift des Clemens, und ein Patriarch von
Konstantinopel zählte sie sogar zu den Apokryphen des Neuen Testaments. Man
darf die Schrift keineswegs, wie man aus ihrem Ebionitismus, d. h. aus ihrer
judenchristlichen Färbung, aus ihrer Opposition gegen Paulus und gegen die
Vergöttlichung Jesu hat schließen wollen, für das Product einer außerhalb der
Kirche stehenden ketzerischen Partei halten. Vielmehr ist sie aus einer noch nach der
Mitte des zweiten Jahrhunderts weitverbreiteten Richtung hervorgegangen, sie
tritt überall mit dem Bewußtsein auf, die wahre bis auf die Urapostel zurück¬
reichende Tradition gegen häretische Meinungen und Parteien zu vertreten, und
sie ist selbst in die Reihe der das ganze 2. Jahrhundert ausfüllenden Versuche
zu stellen, ein Friedcnsprogramm für die sich bekämpfenden Richtungen in der
Kirche zu gewinnen: sie ist, wie Schwegler sie genannt hat, ein Unionsprogramm
auf der Basis des Judaismus. So ausfallend der juristische Standpunkt sich
zu erkennen giebt, so hat doch diese Partei schon zu wesentlichen Zugeständnissen
sich herbeilassen müssen. Sie hat namentlich auf die ursprüngliche Forderung
der Beschneidung verzichten und sie hat die Thatsache des Heidenchristenthums,
den Universalismus des Evangeliums anerkennen müssen. Nur daß sie die
Heidenmission sür sich selbst vindicirte, indem sie dieselbe auf Petrus übertrug,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |