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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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sich in den Worten: "und wenn du mich verurtheilt nennst" bis auf den Aus¬
druck hinaus die Erinnerung an jene Scene in Antiochia erhalten, wo Paulus
dem Pet>us seine Schwachheit öffentlich vorgerückt hatte. (Galater 2, it.)

Es steht den Homilien des Clemens ein Brief des Petrus voran, mit
welchem dieser seine "Lehrvorträge" an Jakobus, den Bischof von Jerusalem
übersendet. Wahrscheinlich gehörte der Brief nicht ursprünglich zu den jetzigen
Homilien, sondern zu einer älteren "Predigt des Petrus" überschriebenen Schrift,
die jedoch die Grundlage der Homilien bildet und in den Roman derselben ver¬
weben ist. Hier ist die polemische Tendenz gegen Paulus noch weniger verhüllt.
Petrus legt dem Jakobus ans Herz, seine Predigten ja nicht den Heiden mit¬
zutheilen, sondern nur den Beschnittenen, sonst werde die Lehre der Wahrheit
in viele Meinungen auseinandergehen, und schon sehe er den Anfang des Uebels:
"denn einige aus den Heiden haben die durch mich geschehene gesetzmäßige Pre¬
digt verworfen und die g>sctzlose und nichtswürdige Lehre des feindseligen Men¬
schen angenommen, und schon zu meinen Lebzeiten haben einige es unternommen,
durch künstliche Deutungen meine Lehrvorträge in die Aufhebung des Gesetzes
umzugestalten. Wenn sie schon zu meinen Lebzeiten solches gegen mich zu lügen
wagen, wie viel mehr wird man erst nach mir wagen?" Ganz deutlich ist
hier unter dem feindseligen Menschen, der die ewige Giltigkeit des Gesetzes be¬
streitet und eine gchtzlose Lehre predigt, der Apostel Paulus verstanden.

Zu diesem Brief des Petrus an Jakobus gehört dann noch ein Brief des
Clemens an Jakobus, der die unmittelbare Einleitung in die Homilien bildet.
Clemens meldet darin dem Jakobus, dem Oberbischof aller Gemeinden, den Tod
des Petrus, erwähnt seine Einsegnung durch Petrus in den römischen Episco-
pat und fügt bei, daß Petrus ihm den Auftrag gegeben, den Hauptinhalt seiner
auf den verschiedenen Reisen gehaltenen Lehrveikündigungen dem Jakobus mit¬
zutheilen. Daran schließt sich die Mittheilung dieser Borträge in den Homilien
unmittelbar an, die ja gleichfalls die Form von Briefen des Clemens an Ja¬
kobus haben. Der Zweck dieser beiden Briefe liegt auf der Hand. Der Ver-
fasser wollte für den echten Clemens gehalten werden. So romanhaft seine
ganze Erzählung ist, wollte er sie doch nicht als Dichtung, sondern als Wahrheit
betrachtet wissen, sie sollte auf Clemens, ja indirect auf Petrus selbst zurückgeführt
werden. Zu diesem Zweck wird Clemens in die engste Verbindung mit Petrus
gesetzt und zu dessen Schüler und Begleiter gemacht. Der die Votträge selbst
mit angehört, war auch am besten im Stande, sie der Nachwelt zu überliefern.
Aber noch mehr, er muß selbst von Petrus den Auftrag erhalten, seine Predigten
auszuzeichnen, und damit die höchste jeter Zweifel ausschließende Beglaubigung
nicht fehle, stellte man jenen angeblichen Brief des Petrus voraus, womit dieser
selbst seine von Clemens aufgezeichneten Vorträge an Jakobus übersendet. So
war zwei- und dreifach die Authentie gedeckt, und das Werk des römischen


sich in den Worten: „und wenn du mich verurtheilt nennst" bis auf den Aus¬
druck hinaus die Erinnerung an jene Scene in Antiochia erhalten, wo Paulus
dem Pet>us seine Schwachheit öffentlich vorgerückt hatte. (Galater 2, it.)

Es steht den Homilien des Clemens ein Brief des Petrus voran, mit
welchem dieser seine „Lehrvorträge" an Jakobus, den Bischof von Jerusalem
übersendet. Wahrscheinlich gehörte der Brief nicht ursprünglich zu den jetzigen
Homilien, sondern zu einer älteren „Predigt des Petrus" überschriebenen Schrift,
die jedoch die Grundlage der Homilien bildet und in den Roman derselben ver¬
weben ist. Hier ist die polemische Tendenz gegen Paulus noch weniger verhüllt.
Petrus legt dem Jakobus ans Herz, seine Predigten ja nicht den Heiden mit¬
zutheilen, sondern nur den Beschnittenen, sonst werde die Lehre der Wahrheit
in viele Meinungen auseinandergehen, und schon sehe er den Anfang des Uebels:
„denn einige aus den Heiden haben die durch mich geschehene gesetzmäßige Pre¬
digt verworfen und die g>sctzlose und nichtswürdige Lehre des feindseligen Men¬
schen angenommen, und schon zu meinen Lebzeiten haben einige es unternommen,
durch künstliche Deutungen meine Lehrvorträge in die Aufhebung des Gesetzes
umzugestalten. Wenn sie schon zu meinen Lebzeiten solches gegen mich zu lügen
wagen, wie viel mehr wird man erst nach mir wagen?" Ganz deutlich ist
hier unter dem feindseligen Menschen, der die ewige Giltigkeit des Gesetzes be¬
streitet und eine gchtzlose Lehre predigt, der Apostel Paulus verstanden.

Zu diesem Brief des Petrus an Jakobus gehört dann noch ein Brief des
Clemens an Jakobus, der die unmittelbare Einleitung in die Homilien bildet.
Clemens meldet darin dem Jakobus, dem Oberbischof aller Gemeinden, den Tod
des Petrus, erwähnt seine Einsegnung durch Petrus in den römischen Episco-
pat und fügt bei, daß Petrus ihm den Auftrag gegeben, den Hauptinhalt seiner
auf den verschiedenen Reisen gehaltenen Lehrveikündigungen dem Jakobus mit¬
zutheilen. Daran schließt sich die Mittheilung dieser Borträge in den Homilien
unmittelbar an, die ja gleichfalls die Form von Briefen des Clemens an Ja¬
kobus haben. Der Zweck dieser beiden Briefe liegt auf der Hand. Der Ver-
fasser wollte für den echten Clemens gehalten werden. So romanhaft seine
ganze Erzählung ist, wollte er sie doch nicht als Dichtung, sondern als Wahrheit
betrachtet wissen, sie sollte auf Clemens, ja indirect auf Petrus selbst zurückgeführt
werden. Zu diesem Zweck wird Clemens in die engste Verbindung mit Petrus
gesetzt und zu dessen Schüler und Begleiter gemacht. Der die Votträge selbst
mit angehört, war auch am besten im Stande, sie der Nachwelt zu überliefern.
Aber noch mehr, er muß selbst von Petrus den Auftrag erhalten, seine Predigten
auszuzeichnen, und damit die höchste jeter Zweifel ausschließende Beglaubigung
nicht fehle, stellte man jenen angeblichen Brief des Petrus voraus, womit dieser
selbst seine von Clemens aufgezeichneten Vorträge an Jakobus übersendet. So
war zwei- und dreifach die Authentie gedeckt, und das Werk des römischen


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[0189] sich in den Worten: „und wenn du mich verurtheilt nennst" bis auf den Aus¬ druck hinaus die Erinnerung an jene Scene in Antiochia erhalten, wo Paulus dem Pet>us seine Schwachheit öffentlich vorgerückt hatte. (Galater 2, it.) Es steht den Homilien des Clemens ein Brief des Petrus voran, mit welchem dieser seine „Lehrvorträge" an Jakobus, den Bischof von Jerusalem übersendet. Wahrscheinlich gehörte der Brief nicht ursprünglich zu den jetzigen Homilien, sondern zu einer älteren „Predigt des Petrus" überschriebenen Schrift, die jedoch die Grundlage der Homilien bildet und in den Roman derselben ver¬ weben ist. Hier ist die polemische Tendenz gegen Paulus noch weniger verhüllt. Petrus legt dem Jakobus ans Herz, seine Predigten ja nicht den Heiden mit¬ zutheilen, sondern nur den Beschnittenen, sonst werde die Lehre der Wahrheit in viele Meinungen auseinandergehen, und schon sehe er den Anfang des Uebels: „denn einige aus den Heiden haben die durch mich geschehene gesetzmäßige Pre¬ digt verworfen und die g>sctzlose und nichtswürdige Lehre des feindseligen Men¬ schen angenommen, und schon zu meinen Lebzeiten haben einige es unternommen, durch künstliche Deutungen meine Lehrvorträge in die Aufhebung des Gesetzes umzugestalten. Wenn sie schon zu meinen Lebzeiten solches gegen mich zu lügen wagen, wie viel mehr wird man erst nach mir wagen?" Ganz deutlich ist hier unter dem feindseligen Menschen, der die ewige Giltigkeit des Gesetzes be¬ streitet und eine gchtzlose Lehre predigt, der Apostel Paulus verstanden. Zu diesem Brief des Petrus an Jakobus gehört dann noch ein Brief des Clemens an Jakobus, der die unmittelbare Einleitung in die Homilien bildet. Clemens meldet darin dem Jakobus, dem Oberbischof aller Gemeinden, den Tod des Petrus, erwähnt seine Einsegnung durch Petrus in den römischen Episco- pat und fügt bei, daß Petrus ihm den Auftrag gegeben, den Hauptinhalt seiner auf den verschiedenen Reisen gehaltenen Lehrveikündigungen dem Jakobus mit¬ zutheilen. Daran schließt sich die Mittheilung dieser Borträge in den Homilien unmittelbar an, die ja gleichfalls die Form von Briefen des Clemens an Ja¬ kobus haben. Der Zweck dieser beiden Briefe liegt auf der Hand. Der Ver- fasser wollte für den echten Clemens gehalten werden. So romanhaft seine ganze Erzählung ist, wollte er sie doch nicht als Dichtung, sondern als Wahrheit betrachtet wissen, sie sollte auf Clemens, ja indirect auf Petrus selbst zurückgeführt werden. Zu diesem Zweck wird Clemens in die engste Verbindung mit Petrus gesetzt und zu dessen Schüler und Begleiter gemacht. Der die Votträge selbst mit angehört, war auch am besten im Stande, sie der Nachwelt zu überliefern. Aber noch mehr, er muß selbst von Petrus den Auftrag erhalten, seine Predigten auszuzeichnen, und damit die höchste jeter Zweifel ausschließende Beglaubigung nicht fehle, stellte man jenen angeblichen Brief des Petrus voraus, womit dieser selbst seine von Clemens aufgezeichneten Vorträge an Jakobus übersendet. So war zwei- und dreifach die Authentie gedeckt, und das Werk des römischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/189>, abgerufen am 15.01.2025.