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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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nimmt der württembergische Jäger Abschied von der ihm lieb gewordenen Büchse,
denn mit ihr, das sagt ihm seine Ahnung, giebt er den Nest seiner freien Per¬
sönlichkeit hin. Mit ihr schwinden fröhlicher Jcigerfinn und freier Soldatengeist.
Und was ist es für ein Gewehr, mit dem er sie vertauschen muß? Wir Helden
aus dem Jahre 1848. wir kennen das preußische Zündnadelgewehr, ist es doch
die bekannte Lotterfalle, die damals das unauslöschliche Hohngelächter von uns
Freischärlern herausforderte! Ueberhaupt wie können Hcereseinrichtungen, die
für die halbdeutsche, noch wenig von der Cultur beleckte Bevölkerung des nor¬
dischen Tieflandes nöthig sein mögen, für unser intelligentes, freies, biederes
Völklein passen? Wir wollen nichts von jener bleiernen Gleichheit, nichts von
jenem Mechanismus und Militarismus, der in Preußen längst das Land aus¬
mergelt und nun auch unser Volk zu einer bei uns schon lange überschrittenen
Stufe von Unterwürfigkeit zurückschrauben soll. Das jetzt eingeführte System,
-- wir fahren in wörtlicher Citation fort -- verpflanzt den militärischen Raubbau,
wie ihn Preußen in seinen Landen treibt, auch in unsre glücklicheren Länder, verzichtet
auf die angebornen Vorzüge unseres Stamms und drückt, was er im Wehrwesen
leisten soll, herab auf das Maß dessen, was die noch halb wendische Bevöl¬
kerung der norddeutschen Tiefebene zu leisten vermag. eine Bevölkerung, die
heute noch Junker, Fürsten und Herzöge für die besten Volksvertreter hält und
dadurch den richtigsten Maßstab ihrer geistigen Höhe an die Hand giebt.
Die militärische Intelligenz des deutschen Oberlandes (s. Tauberbischofsheim),
welche der des Franzosen mindestens gleich steht, wird hcrunternivellirt bis auf
das, wozu auch der Kassube gut genug ist u. s. w. -- wörtlich zu lesen im
Beobachter vom 3. Juli d. I., dem Jahrestage der Schlacht von Königgrä'ez.
die freilich nach derselben Autorität um ein Haar verloren gewesen wäre und
nur durch Zufall von Preußen gewonnen worden ist.

Doch genug von diesen Proben einer Polemik, die keine andere Absicht
verfolgt, als die halbentschlummertcn Leidenschaften des vergangenen Jahres
stets aufs neue aufzustacheln, einer Polemik, welcher freilich in seiner Weise
der berliner Fortschritt so trefflich in die Hände arbeitet, daß die Hälfte des
Beobachters in der Regel mit Abdruck aus berliner Fortschrittszeitungen gefüllt
ist. Wichtiger ist die Frage, welche Stellung die Parteien einnehmen werden,
wenn nun im Herbst die Kammern zusammentreten, die Verträge zu berathen
haben und, wie zu vermuthen ist, Ende des Jahres die Wahlen ins Parla¬
ment bevorstehen. Es wäre verfrüht, jetzt schon diese Frage beantworten zu
wollen. Der Beobachter begnügt sich mit seinen faulen Witzen über Tabaksteuer
und Zündnadelsoldaten und hütet sich, jetzt schon für die Zukunft Verbindlichkeiten
einzugehen. Inzwischen erfährt man, daß diese Partei damit umgeht, auf Um¬
wegen zu einem Ziel zu gelangen, für das sie mit offenem Visir niemand mehr
zu werben vermag. Herr Oesterlen soll beabsichtigen, eine Versammlung von


nimmt der württembergische Jäger Abschied von der ihm lieb gewordenen Büchse,
denn mit ihr, das sagt ihm seine Ahnung, giebt er den Nest seiner freien Per¬
sönlichkeit hin. Mit ihr schwinden fröhlicher Jcigerfinn und freier Soldatengeist.
Und was ist es für ein Gewehr, mit dem er sie vertauschen muß? Wir Helden
aus dem Jahre 1848. wir kennen das preußische Zündnadelgewehr, ist es doch
die bekannte Lotterfalle, die damals das unauslöschliche Hohngelächter von uns
Freischärlern herausforderte! Ueberhaupt wie können Hcereseinrichtungen, die
für die halbdeutsche, noch wenig von der Cultur beleckte Bevölkerung des nor¬
dischen Tieflandes nöthig sein mögen, für unser intelligentes, freies, biederes
Völklein passen? Wir wollen nichts von jener bleiernen Gleichheit, nichts von
jenem Mechanismus und Militarismus, der in Preußen längst das Land aus¬
mergelt und nun auch unser Volk zu einer bei uns schon lange überschrittenen
Stufe von Unterwürfigkeit zurückschrauben soll. Das jetzt eingeführte System,
— wir fahren in wörtlicher Citation fort — verpflanzt den militärischen Raubbau,
wie ihn Preußen in seinen Landen treibt, auch in unsre glücklicheren Länder, verzichtet
auf die angebornen Vorzüge unseres Stamms und drückt, was er im Wehrwesen
leisten soll, herab auf das Maß dessen, was die noch halb wendische Bevöl¬
kerung der norddeutschen Tiefebene zu leisten vermag. eine Bevölkerung, die
heute noch Junker, Fürsten und Herzöge für die besten Volksvertreter hält und
dadurch den richtigsten Maßstab ihrer geistigen Höhe an die Hand giebt.
Die militärische Intelligenz des deutschen Oberlandes (s. Tauberbischofsheim),
welche der des Franzosen mindestens gleich steht, wird hcrunternivellirt bis auf
das, wozu auch der Kassube gut genug ist u. s. w. — wörtlich zu lesen im
Beobachter vom 3. Juli d. I., dem Jahrestage der Schlacht von Königgrä'ez.
die freilich nach derselben Autorität um ein Haar verloren gewesen wäre und
nur durch Zufall von Preußen gewonnen worden ist.

Doch genug von diesen Proben einer Polemik, die keine andere Absicht
verfolgt, als die halbentschlummertcn Leidenschaften des vergangenen Jahres
stets aufs neue aufzustacheln, einer Polemik, welcher freilich in seiner Weise
der berliner Fortschritt so trefflich in die Hände arbeitet, daß die Hälfte des
Beobachters in der Regel mit Abdruck aus berliner Fortschrittszeitungen gefüllt
ist. Wichtiger ist die Frage, welche Stellung die Parteien einnehmen werden,
wenn nun im Herbst die Kammern zusammentreten, die Verträge zu berathen
haben und, wie zu vermuthen ist, Ende des Jahres die Wahlen ins Parla¬
ment bevorstehen. Es wäre verfrüht, jetzt schon diese Frage beantworten zu
wollen. Der Beobachter begnügt sich mit seinen faulen Witzen über Tabaksteuer
und Zündnadelsoldaten und hütet sich, jetzt schon für die Zukunft Verbindlichkeiten
einzugehen. Inzwischen erfährt man, daß diese Partei damit umgeht, auf Um¬
wegen zu einem Ziel zu gelangen, für das sie mit offenem Visir niemand mehr
zu werben vermag. Herr Oesterlen soll beabsichtigen, eine Versammlung von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/121>, abgerufen am 15.01.2025.