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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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so leicht auf denselben zu verzichten w>e sein württembergischer College. Er
machte ernstliche Miene des Widerstands, und als ihn Herr v. Varnbüler am
29. Mai zu einer Besprechung nach Nördlingen einlud, um ihn zur Reise
nach Berlin zu bewegen, kam er mit dem festen Entschluß, sich nicht bewegen
zu lassen. Eine Viertelstunde genügte, ihn doch zu bewegen, und die Minister
pilgerten zusammen nach Berlin, wo nach zweitägigen Verhandlungen der Prä-
liminarvertrag vom 4. Juni geschlossen wurde.

Auch während dieser Verhandlungen benahm sich Herr v. Varnbüler durch¬
aus correct. Mehrfach haben damals die berliner Officiöse" das Entgegen¬
kommen des württembergischen Bevollmächtigten belobt. Man behauptet sogar.
Herr v. Varnbüler habe weitergehende Zugeständnisse, z. B. in Betreff der Eom-
petenz des erweiterten Parlaments angeboten, als Preußen anzunehmen in der
Lage war. Um so eher konnte er sich erlauben, in einem Punkt, in welchem
unser Land ganz besondere Erfahrungen hinter sich hat, nämlich im Punkt der
Branntweinsteuer, unbedingt auf seiner Meinung zu bestehen. Bismarck konnte
nach Paris abreisen, mit dem Vertrag in den Händen, unter welchem wenigstens
die Unterschriften Hessens, Badens und Württembergs standen.

Denn noch einmal war Bayern spröde geblieben, Fürst Hohenlohe war
"ohne Instructionen" gewesen. In München nahm man sich eine vierzehntägige
Bedenkzeit und noch einmal war die Intrigue geschäftig, das Unvermeidliche zu
hintertreiben. Es war vergebens, selbst eine erneute Anfrage in Wien wurde
mit Achselzucken aufgenommen; völlig isolirt, wie Bayern war, blieb ihm nichts
übrig, als gleichfalls den Vorvertrag zu unterzeichnen, der nun in diesen Tagen
durch die Specialconferenz seine definitive Gestalt erhalten haben wird.

Es war Bayern gelungen durch die Verhandlungen des Grafen Tauffkirchen,
die am 18. Juni zum Abschluß gelangten, einige Zugeständnisse zu erringen, die
theils eine gewisse Bevorzugung Bayerns, theils eine Einschränkung der Bedeu¬
tung des künstigen Zollparlaments bezweckten. Die so entstandenen Bestimmungen
sind lästig, aber ungefährlich, sie werden das Gitter, durch welches ungehin¬
dert die Wasser von Süd und Nord zusammenfließen, nicht verstopfen. Sie
verrathen nur die ängstliche Ahnung, daß das Zollparlament schließlich doch
werde zum Vollparlament werden. Und am wenigsten ist der Zweck erreicht
Worden, wenn Fürst Hohenlohe etwa beabsichtigte, durch jene kleinen Zugestände
nisse, die der bayrischen Souveränetät gemacht wurden, die Pille zu verzuckern
und den Widerstand der feindlichen Parteien seines Landes zu mildern. Die
Sprache der ultramontanen Presse in München zeigt am besten, wie wenig Dank
ihm jene Bemühungen eingetragen haben, die schließlich nur ein Beweis sind,
wie ungern Bayern sich in das Unvermeidliche schickt.

Die Erfahrungen die man seiner Zeit mit dem französischen Handelsvertrag
gemacht hat, schienen dagegen unsre Negierung zu bewegen, das was sie nicht an-


so leicht auf denselben zu verzichten w>e sein württembergischer College. Er
machte ernstliche Miene des Widerstands, und als ihn Herr v. Varnbüler am
29. Mai zu einer Besprechung nach Nördlingen einlud, um ihn zur Reise
nach Berlin zu bewegen, kam er mit dem festen Entschluß, sich nicht bewegen
zu lassen. Eine Viertelstunde genügte, ihn doch zu bewegen, und die Minister
pilgerten zusammen nach Berlin, wo nach zweitägigen Verhandlungen der Prä-
liminarvertrag vom 4. Juni geschlossen wurde.

Auch während dieser Verhandlungen benahm sich Herr v. Varnbüler durch¬
aus correct. Mehrfach haben damals die berliner Officiöse» das Entgegen¬
kommen des württembergischen Bevollmächtigten belobt. Man behauptet sogar.
Herr v. Varnbüler habe weitergehende Zugeständnisse, z. B. in Betreff der Eom-
petenz des erweiterten Parlaments angeboten, als Preußen anzunehmen in der
Lage war. Um so eher konnte er sich erlauben, in einem Punkt, in welchem
unser Land ganz besondere Erfahrungen hinter sich hat, nämlich im Punkt der
Branntweinsteuer, unbedingt auf seiner Meinung zu bestehen. Bismarck konnte
nach Paris abreisen, mit dem Vertrag in den Händen, unter welchem wenigstens
die Unterschriften Hessens, Badens und Württembergs standen.

Denn noch einmal war Bayern spröde geblieben, Fürst Hohenlohe war
„ohne Instructionen" gewesen. In München nahm man sich eine vierzehntägige
Bedenkzeit und noch einmal war die Intrigue geschäftig, das Unvermeidliche zu
hintertreiben. Es war vergebens, selbst eine erneute Anfrage in Wien wurde
mit Achselzucken aufgenommen; völlig isolirt, wie Bayern war, blieb ihm nichts
übrig, als gleichfalls den Vorvertrag zu unterzeichnen, der nun in diesen Tagen
durch die Specialconferenz seine definitive Gestalt erhalten haben wird.

Es war Bayern gelungen durch die Verhandlungen des Grafen Tauffkirchen,
die am 18. Juni zum Abschluß gelangten, einige Zugeständnisse zu erringen, die
theils eine gewisse Bevorzugung Bayerns, theils eine Einschränkung der Bedeu¬
tung des künstigen Zollparlaments bezweckten. Die so entstandenen Bestimmungen
sind lästig, aber ungefährlich, sie werden das Gitter, durch welches ungehin¬
dert die Wasser von Süd und Nord zusammenfließen, nicht verstopfen. Sie
verrathen nur die ängstliche Ahnung, daß das Zollparlament schließlich doch
werde zum Vollparlament werden. Und am wenigsten ist der Zweck erreicht
Worden, wenn Fürst Hohenlohe etwa beabsichtigte, durch jene kleinen Zugestände
nisse, die der bayrischen Souveränetät gemacht wurden, die Pille zu verzuckern
und den Widerstand der feindlichen Parteien seines Landes zu mildern. Die
Sprache der ultramontanen Presse in München zeigt am besten, wie wenig Dank
ihm jene Bemühungen eingetragen haben, die schließlich nur ein Beweis sind,
wie ungern Bayern sich in das Unvermeidliche schickt.

Die Erfahrungen die man seiner Zeit mit dem französischen Handelsvertrag
gemacht hat, schienen dagegen unsre Negierung zu bewegen, das was sie nicht an-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/118>, abgerufen am 15.01.2025.