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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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war das erste Mal, daß wir in der nationalen Sache nicht die Letzten waren,
um eine Armlänge war diesmal Bayern hinter uns geblieben.

Es ist kein Geheimniß mehr, daß bei den Verhandlungen, welche zur Wie¬
derherstellung des Zollvereins geführt haben, Hr. v. Varnbüler eine sehr ver¬
dienstliche und entschiedene Rolle gespielt hat. Preußen war seiner Mitwirkung
sicher, und wiederholt war er es, dessen Beredsamkeit die süddeutschen Collegen
bearbeiten mußte, vom badischen abgesehen, der es nicht nöthig hatte. Wohl
aber hatte es Fürst Hohenlohe nöthig, der nicht blos in München mit einem
schwer zu besiegenden Widerstand zu ringen, sondern auch für sich selbst keines¬
wegs eine klare Stellung gewonnen hatte. Es konnte vorkommen, daß, wenn
Fürst Hohenlohe vollkommen überzeugt von Herrn v. Varnvüler schied, er in
München angekommen plötzlich wieder in eine ganz andere Tonart verfiel, so
daß Herr v. Varnbüler wieder von vorn beginnen mußte. Ein gewisses Dunkel
schwebt noch über jener kurzlebigen Vereinbarung, welche Anfangs Mai zwischen
München und Stuttgart zum Abschluß gekommen war. Bayern hatte die Ini¬
tiative zu einem Vorschlag getroffen, die Beziehungen der süddeutschen Staaten
zum norddeutschen Bund vertragsmäßig zu regeln. Soviel bekannt geworden
ist war dieser Entwurf wesentlich darauf gerichtet, die Souveränetät der Süd¬
staaten sicher zu stellen. Diesen war in dem neuen Verhältniß eine ähnliche
Stellung zugedacht, wie sie sie bisher im deutschen Bunde eingenommen hatten;
soweit ihre Souveränetät beschränkt war, genau soweit sollte der norddeutsche
Bundesstaat durch das neue weitere Bundesverhältniß beschränkt sein.

Dagegen nun ließ sich nichts einwenden, daß Bayern die Initiative ergrei¬
sen wollte. Es war in Berlin wiederholt erklärt worden, daß es ganz von dem
Maß des Entgegenkommens im Süden abhänge, wie bald und wie eng die
Beziehungen zwischen Nord und Süd geknüpft werden sollten. Auch hatte
Preußen gegen jede vorläufige Verständigung unter den Südstaaten so wenig
etwas einzuwenden, als es jemals gegen das Zustandekommen des Südbundes
agirt hatte. Dieser war an seiner innern Unmöglichkeit gescheitert, nicht an
einem Entgegenwirken Preußens. Aber das war nun doch fast naiv, zu glauben,
daß Preußen zu einer Wiederherstellung von Verhältnissen die Hand bieten werde,
welche denen des Bundes analog waren und den einzelnen Staaten ein Veto
einräumten.

Den Regierungen von Baden und Hessen scheint dieser Entwurf gar nicht
mitgetheilt worden zu sein. Herr v. Varnbüler hatte ihm mit Modifikationen
zugestimmt, es war am 6. Mai. Indessen war er schwerlich von der Lebens-
kraft desselben überzeugt. Jedenfalls beeilte er sich von demselben zurückzutreten,
sobald Preußen das Project damit beantwortete, daß es, ohne irgend ein Pro-
gramm auszugeben, die süddeutschen Minister einfach nach Berlin rief. Damit
war der bayrische Vorschlag beseitigt. Aber Fürst Hohenlohe war nicht geneigt,


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war das erste Mal, daß wir in der nationalen Sache nicht die Letzten waren,
um eine Armlänge war diesmal Bayern hinter uns geblieben.

Es ist kein Geheimniß mehr, daß bei den Verhandlungen, welche zur Wie¬
derherstellung des Zollvereins geführt haben, Hr. v. Varnbüler eine sehr ver¬
dienstliche und entschiedene Rolle gespielt hat. Preußen war seiner Mitwirkung
sicher, und wiederholt war er es, dessen Beredsamkeit die süddeutschen Collegen
bearbeiten mußte, vom badischen abgesehen, der es nicht nöthig hatte. Wohl
aber hatte es Fürst Hohenlohe nöthig, der nicht blos in München mit einem
schwer zu besiegenden Widerstand zu ringen, sondern auch für sich selbst keines¬
wegs eine klare Stellung gewonnen hatte. Es konnte vorkommen, daß, wenn
Fürst Hohenlohe vollkommen überzeugt von Herrn v. Varnvüler schied, er in
München angekommen plötzlich wieder in eine ganz andere Tonart verfiel, so
daß Herr v. Varnbüler wieder von vorn beginnen mußte. Ein gewisses Dunkel
schwebt noch über jener kurzlebigen Vereinbarung, welche Anfangs Mai zwischen
München und Stuttgart zum Abschluß gekommen war. Bayern hatte die Ini¬
tiative zu einem Vorschlag getroffen, die Beziehungen der süddeutschen Staaten
zum norddeutschen Bund vertragsmäßig zu regeln. Soviel bekannt geworden
ist war dieser Entwurf wesentlich darauf gerichtet, die Souveränetät der Süd¬
staaten sicher zu stellen. Diesen war in dem neuen Verhältniß eine ähnliche
Stellung zugedacht, wie sie sie bisher im deutschen Bunde eingenommen hatten;
soweit ihre Souveränetät beschränkt war, genau soweit sollte der norddeutsche
Bundesstaat durch das neue weitere Bundesverhältniß beschränkt sein.

Dagegen nun ließ sich nichts einwenden, daß Bayern die Initiative ergrei¬
sen wollte. Es war in Berlin wiederholt erklärt worden, daß es ganz von dem
Maß des Entgegenkommens im Süden abhänge, wie bald und wie eng die
Beziehungen zwischen Nord und Süd geknüpft werden sollten. Auch hatte
Preußen gegen jede vorläufige Verständigung unter den Südstaaten so wenig
etwas einzuwenden, als es jemals gegen das Zustandekommen des Südbundes
agirt hatte. Dieser war an seiner innern Unmöglichkeit gescheitert, nicht an
einem Entgegenwirken Preußens. Aber das war nun doch fast naiv, zu glauben,
daß Preußen zu einer Wiederherstellung von Verhältnissen die Hand bieten werde,
welche denen des Bundes analog waren und den einzelnen Staaten ein Veto
einräumten.

Den Regierungen von Baden und Hessen scheint dieser Entwurf gar nicht
mitgetheilt worden zu sein. Herr v. Varnbüler hatte ihm mit Modifikationen
zugestimmt, es war am 6. Mai. Indessen war er schwerlich von der Lebens-
kraft desselben überzeugt. Jedenfalls beeilte er sich von demselben zurückzutreten,
sobald Preußen das Project damit beantwortete, daß es, ohne irgend ein Pro-
gramm auszugeben, die süddeutschen Minister einfach nach Berlin rief. Damit
war der bayrische Vorschlag beseitigt. Aber Fürst Hohenlohe war nicht geneigt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/117>, abgerufen am 15.01.2025.