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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Strafmanua! eintragen und er hat dies, wie die Geschichte in ihrem Verlauf
zeigt, redlich gethan, jedenfalls auch sein in einer anderen Beamtung steckendes
Selbst durch Rescript benachrichtigt.

Nun wäre die Sache sehr wohl erledigt gewesen, wenn einestheils der
Herr sich über den Verlust von fünf Gulden hatte trösten können und andern-
theils nicht noch eine Jnsta.iz übrig war, die schützen konnte gegen solche miß-
verstandene Anwendung der Disciplinargewalt.

In dem gewesenen Herzogthum Nassau konnte jeder, der mit irgendwelcher
Strafe von dem Gerichte oder im Disciplinarweg, ja von dem Bürgermeister
als Ortspolizeirichter belegt worden war, dagegen die Gnade des Souveräns
anrufen, und er konnte dies nicht blos, sondern bei jeder wenigstens gerichtlichen
Verurtheilung mußte der Richter dem Cvnbemnaten seine Zuständigkeiten genau
bezeichnen und nöthigenfalls erklären und zu diesen Zuständigkeiten gehörte der
Gnadenweg.

Der Herzog hatte sein schönstes Recht theilweise dem Ministerium über¬
tragen, einer Behörde, die unter dem Titel "Haus- und Staatsministerium"
eine Recursinstanz über die verschiedenen Departements bildete und die Functionen
des Justizministers hatte; dieses Mimsterium, besetzt mit einem Minister, der
sich seine Qualifikation als hessischer Eavalerieossizier erworben, und einigen
Räthen, entschied auf Gnadengesuche, wenn die Strafe nicht mehr betrug als
30 Gulden an Geld oder 28 Tage Gefängniß.

Der arme bestrafte Landobcrschultheiß suchte um gnädigen Erlaß seiner
Geldstrafe nach, und, wie es so ging, hatte das Gesuch in der Kanzlei des Mi¬
nisteriums kein anderes Schicksal, als daß es der vorgesetzten Behörde zum
Bericht verschrieben wurde und es hatte der dreifache Gewalthaber in Reichels-
heim nunmehr über sein eignes Strascrlaßgcsuch zu berichten und mochte wohl
fühlen, daß auf seinen gut motivuten Antrag viel ankommen könne.

Während dieser Manipulationen war nunmehr ein Monat zu Ende ge¬
gangen und es hat am Schlüsse eines jeden Monats jeder Beamte einen Aus¬
zug seines Strafmanuals der oberen Finanzbehörde vorzulegen, welche denselben
festsetzt und der betreffenden Erhebungsstelle, der Receptur des Amtes, zur Er¬
hebung überträgt. Und so geschah es auch diesmal und das Furanzcollegium
zu Wiesbaden mandirte den Reccpturvecunten in Reichelsheim, die im Straf¬
manual des Amtmanns angesetzte Strafe von dem Landoberschultheißen zu er"
heben. Die Rcccpturen haben Uiitcrerheber. welche nur im Bertragsverhältniß
zu den Receptulbeamten stehen und von den erhobenen Steuern, Strafen, Ge¬
fallen eine Provision beziehen. Dieser Uutererhcber erhielt denn hier von dem
Recepturbeamtcn. der stets dieselbe Kleidung trug, wie sein anderes Selbst der
Amtmann oder seine dritte Incarnation, der Landoberschultheiß, den Auftrag,
fünf Gulden Strafe von dem Landoberschultheißen zu erheben und abzuliefern.


Strafmanua! eintragen und er hat dies, wie die Geschichte in ihrem Verlauf
zeigt, redlich gethan, jedenfalls auch sein in einer anderen Beamtung steckendes
Selbst durch Rescript benachrichtigt.

Nun wäre die Sache sehr wohl erledigt gewesen, wenn einestheils der
Herr sich über den Verlust von fünf Gulden hatte trösten können und andern-
theils nicht noch eine Jnsta.iz übrig war, die schützen konnte gegen solche miß-
verstandene Anwendung der Disciplinargewalt.

In dem gewesenen Herzogthum Nassau konnte jeder, der mit irgendwelcher
Strafe von dem Gerichte oder im Disciplinarweg, ja von dem Bürgermeister
als Ortspolizeirichter belegt worden war, dagegen die Gnade des Souveräns
anrufen, und er konnte dies nicht blos, sondern bei jeder wenigstens gerichtlichen
Verurtheilung mußte der Richter dem Cvnbemnaten seine Zuständigkeiten genau
bezeichnen und nöthigenfalls erklären und zu diesen Zuständigkeiten gehörte der
Gnadenweg.

Der Herzog hatte sein schönstes Recht theilweise dem Ministerium über¬
tragen, einer Behörde, die unter dem Titel „Haus- und Staatsministerium"
eine Recursinstanz über die verschiedenen Departements bildete und die Functionen
des Justizministers hatte; dieses Mimsterium, besetzt mit einem Minister, der
sich seine Qualifikation als hessischer Eavalerieossizier erworben, und einigen
Räthen, entschied auf Gnadengesuche, wenn die Strafe nicht mehr betrug als
30 Gulden an Geld oder 28 Tage Gefängniß.

Der arme bestrafte Landobcrschultheiß suchte um gnädigen Erlaß seiner
Geldstrafe nach, und, wie es so ging, hatte das Gesuch in der Kanzlei des Mi¬
nisteriums kein anderes Schicksal, als daß es der vorgesetzten Behörde zum
Bericht verschrieben wurde und es hatte der dreifache Gewalthaber in Reichels-
heim nunmehr über sein eignes Strascrlaßgcsuch zu berichten und mochte wohl
fühlen, daß auf seinen gut motivuten Antrag viel ankommen könne.

Während dieser Manipulationen war nunmehr ein Monat zu Ende ge¬
gangen und es hat am Schlüsse eines jeden Monats jeder Beamte einen Aus¬
zug seines Strafmanuals der oberen Finanzbehörde vorzulegen, welche denselben
festsetzt und der betreffenden Erhebungsstelle, der Receptur des Amtes, zur Er¬
hebung überträgt. Und so geschah es auch diesmal und das Furanzcollegium
zu Wiesbaden mandirte den Reccpturvecunten in Reichelsheim, die im Straf¬
manual des Amtmanns angesetzte Strafe von dem Landoberschultheißen zu er«
heben. Die Rcccpturen haben Uiitcrerheber. welche nur im Bertragsverhältniß
zu den Receptulbeamten stehen und von den erhobenen Steuern, Strafen, Ge¬
fallen eine Provision beziehen. Dieser Uutererhcber erhielt denn hier von dem
Recepturbeamtcn. der stets dieselbe Kleidung trug, wie sein anderes Selbst der
Amtmann oder seine dritte Incarnation, der Landoberschultheiß, den Auftrag,
fünf Gulden Strafe von dem Landoberschultheißen zu erheben und abzuliefern.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/98>, abgerufen am 23.07.2024.