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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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gedeihen könnte, predigte sie die Einheit Deutschlands und zunächst den Anschluß
an den größten Nachbarstaat Preußen; deshalb hieß sie die Umsturzpartei. So "
lange die Parteien Krieg führten, wurde der Beamtenstand gezwungen zu denken
wie das Staatsoberhaupt, und da man die Gedanken der Menschen erkennen
kann aus ihrem Umgang und dem Vocal, wo sie ihren Schoppen Wein trinken,
so theilte man die Beamten ein in gute und schlimme, und soweit man die
ganz schlimmen nicht absehen konnte, feste man sie an Orte, wo das Klima
am rauhesten und die Einsamkeit am größten war, und zog die andern in schöne
Städtchen und in die Flußthäler des Rheins, des Mains, der Lahn, Es konnte
nicht ausbleiben, daß unter den Gutgesinnten sich prächtige Exemplare ausbil¬
deten, denn sie hatten schöne Stellen, ein gewisses Wohlleben, freie Bewegung.
Es mißfiel zuweilen den Bürgern, daß sie sich sollten regieren lassen von Ori¬
ginalen, aber der Mensch ist geduldig und was in allerhöchster Huld stand, das
brauchte sich nicht zu kehren an das Murren beschränkter Unterthanen.

Ein kleines Bild aus dem beschriebenen Kleinstaat möchten wir als voll¬
ständig beglaubigt der Nachwelt aufbewahren zur Erheiterung und als Beitrag
zur Culturgeschichte. Sollte jemandem der Umstand auffallen, daß zur Zeit der
Existenz der zu berührenden Persönlichkeit nichts laut wurde von dem merk¬
würdigen Thun derselben, so bemerken wir ihm, daß der vergangene Staat
nicht immer darauf bedacht war, wirkliche Tüchtigkeit zu fördern, aber die ge¬
ringste Anspielung auf die Person eines seiner Mandarinen als Amts¬
und Dienstehrenkränkung mit strenger Ahndung heimsuchte. Dem Erzähler
ist die Wahrheit durch Actenstücke und Zeugnisse aus eigener Wahrnehmung
bewiesen.

Das Herzogthum Nassau hatte mehre Einrichtungen, die einzig in ihrer
Art waren, erinnerte manches an das Mittelalter, so war anderes doch neu¬
geschaffen nach ganz eigenen nirgends nachgeahmten Recepten.

So ist z. B. in diesem Lande im Jahre 1849 die Justiz von der Ver¬
waltung getrennt worden, und zwar nur um im Jahre 1854 wieder damit ver¬
einigt zu werden. In unterster Instanz sprechen Recht die sogenannten Aemter,
besehe mit einem Amtmann, einem bis'zwei Assessoren und einem oder mehren
Accessisten. Der Amtmann und die Assessoren richten als Einzelrichter in erster
Instanz ohne Beschränkung ihrer Competenz in Civilsachen, außer bei Eheschei¬
dungen, und haben auch in Kriminalsachen als erkennende und vor allem als
Untersuchungsrichter wichtige Functionen. Die Accessisten arbeiten dem Namen
nach unter specieller Aufsicht der verantwortlichen Einzelrichter, Amtmann und
Assessoren, in Wirklichkeit aber selbständig. Außer der Nechtssprechung hat aber
das Amt alle Verwaltungsgeschäfte, es conscribirt, baut Wege. Wasseranlagen,
leitet die Erziehungsanstalten, den Communalhaushalt, die Forstwirthschaft, hat
die ganze Polizei, Verkehrs-, Sarnath-, Sicherheitspolizei u. s. w. Ein Amt


gedeihen könnte, predigte sie die Einheit Deutschlands und zunächst den Anschluß
an den größten Nachbarstaat Preußen; deshalb hieß sie die Umsturzpartei. So „
lange die Parteien Krieg führten, wurde der Beamtenstand gezwungen zu denken
wie das Staatsoberhaupt, und da man die Gedanken der Menschen erkennen
kann aus ihrem Umgang und dem Vocal, wo sie ihren Schoppen Wein trinken,
so theilte man die Beamten ein in gute und schlimme, und soweit man die
ganz schlimmen nicht absehen konnte, feste man sie an Orte, wo das Klima
am rauhesten und die Einsamkeit am größten war, und zog die andern in schöne
Städtchen und in die Flußthäler des Rheins, des Mains, der Lahn, Es konnte
nicht ausbleiben, daß unter den Gutgesinnten sich prächtige Exemplare ausbil¬
deten, denn sie hatten schöne Stellen, ein gewisses Wohlleben, freie Bewegung.
Es mißfiel zuweilen den Bürgern, daß sie sich sollten regieren lassen von Ori¬
ginalen, aber der Mensch ist geduldig und was in allerhöchster Huld stand, das
brauchte sich nicht zu kehren an das Murren beschränkter Unterthanen.

Ein kleines Bild aus dem beschriebenen Kleinstaat möchten wir als voll¬
ständig beglaubigt der Nachwelt aufbewahren zur Erheiterung und als Beitrag
zur Culturgeschichte. Sollte jemandem der Umstand auffallen, daß zur Zeit der
Existenz der zu berührenden Persönlichkeit nichts laut wurde von dem merk¬
würdigen Thun derselben, so bemerken wir ihm, daß der vergangene Staat
nicht immer darauf bedacht war, wirkliche Tüchtigkeit zu fördern, aber die ge¬
ringste Anspielung auf die Person eines seiner Mandarinen als Amts¬
und Dienstehrenkränkung mit strenger Ahndung heimsuchte. Dem Erzähler
ist die Wahrheit durch Actenstücke und Zeugnisse aus eigener Wahrnehmung
bewiesen.

Das Herzogthum Nassau hatte mehre Einrichtungen, die einzig in ihrer
Art waren, erinnerte manches an das Mittelalter, so war anderes doch neu¬
geschaffen nach ganz eigenen nirgends nachgeahmten Recepten.

So ist z. B. in diesem Lande im Jahre 1849 die Justiz von der Ver¬
waltung getrennt worden, und zwar nur um im Jahre 1854 wieder damit ver¬
einigt zu werden. In unterster Instanz sprechen Recht die sogenannten Aemter,
besehe mit einem Amtmann, einem bis'zwei Assessoren und einem oder mehren
Accessisten. Der Amtmann und die Assessoren richten als Einzelrichter in erster
Instanz ohne Beschränkung ihrer Competenz in Civilsachen, außer bei Eheschei¬
dungen, und haben auch in Kriminalsachen als erkennende und vor allem als
Untersuchungsrichter wichtige Functionen. Die Accessisten arbeiten dem Namen
nach unter specieller Aufsicht der verantwortlichen Einzelrichter, Amtmann und
Assessoren, in Wirklichkeit aber selbständig. Außer der Nechtssprechung hat aber
das Amt alle Verwaltungsgeschäfte, es conscribirt, baut Wege. Wasseranlagen,
leitet die Erziehungsanstalten, den Communalhaushalt, die Forstwirthschaft, hat
die ganze Polizei, Verkehrs-, Sarnath-, Sicherheitspolizei u. s. w. Ein Amt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/92>, abgerufen am 22.12.2024.