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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Er ist den Pamphletisten gegenüber so großmüthig, wie Friedrich der Große,
er sendet dem "Kikeriki" seine photographirte Visitenkarte, damit seine Karrikatur
ähnlicher gerathe; des Fürsten Schwarzenberg berühmtes Wort: die Welt werde
über Oestreichs Undankbarkeit staunen, hat er auf die Kroaten überaus treffend
angewendet und in dem ungarischen Ausgleiche Cäsars Veni, vicZi, viel glän¬
zend in Scene gesetzt.

Der Ausgleich ist Beusis persönliches Werk, sein ausschließliches Verdienst.
Niemand wird bestreiten, daß er an Energie und Klugheit seine Vorgänger im
Amte weit übertrifft, unter den östreichischen Staatsmännern seinesgleichen nicht
zählt. Freilich wurde er auch von zwingenderen Motiven angetrieben als die
letzteren. Er kämpfte für seine Selbsterhaltung; wenn ihm der Ausgleich nicht
gelang, so war nicht allein sein politisches Ansehen gefährdet, er spielte dann
eine lächerliche Figur, besaß nicht mehr Feinde, sondern Spötter und Verächter.
Als er im verflossenen Herbst das Ministerium antrat, wie ein virtuoser Spieler
eine halb verlorene Partie von Stümpern übernimmt, stand bei ihm der Ent¬
schluß, irgendeinen Hauptstreich zu wagen, fest. Er mußte sich mit Eclat in
die neue Welt einführen oder sich verloren geben. Die Wahl des Schauplatzes,
in welchem er seinen Muth und seine Kunst erproben weilte. siel ihm nicht
schwer. In der rein äußeren Politik hielt er sich in vorsichtiger Reserve, weil
er nicht über reale Machtmittel gebot, die hier allein ein energisches Auftreten
gestatten. Dagegen stellte sich ihm in dem ungarischen Verfassungsstreite der
wünschenswerte Gegenstand für seine Zauberkünste entgegen. Die Lösung
dieser Frage galt für überaus schwierig, ja unmöglich, sie interessirte die öffent¬
liche Meinung Europas in hohem Grade, so daß er gewiß sein konnte, seine
Thätigkeit werde die Aufmerksamkeit aller Höfe und Cabincte fesseln und sie
war schließlich durch Schmerlings ruchlose Trägheit und Belcredis Bornirtheit
so gänzlich verfahren und verwickelt, daß er jedes Mittel ungescheut gebrauchen
konnte, ohne Furcht, Tadel zu finden und zur Verantwortung gezogen zu
werden.

Der Ausgleich um jeden Preis wurde seine Parole. Es kam ihm auf die
Bedingungen nicht an. ihn kümmerten nicht die Wunden, die er dem Staats¬
wesen schlug, ihn plagte nicht die Sorge, daß er Oestreichs Zukunft für einen
glänzenden momentanen Triumph verkaufe. Er brauchte den letzteren, während
ihm die erstere in zweifelhaftem Lichte erscheint. Damit war auch sein Weg
vorgezeichnet: rückhaltlose Bewilligung aller magyarischen Forderungen. De-
cretirung solcher Maßregeln, welche die Ungarn zufriedenstellen, sie geneigt
machen, den alten Streit als beigelegt zu proclamiren. Vertuschen und Ver¬
schweigen aller Schwierigkeiten, welche sich noch nachträglich dem thatsächlichen
Ausgleiche und vollendeten Frieden entgegenstellen dürften.

Hat Herr v. Beust den Ausgleich durchgesetzt? Wer will daran zweifeln,


Er ist den Pamphletisten gegenüber so großmüthig, wie Friedrich der Große,
er sendet dem „Kikeriki" seine photographirte Visitenkarte, damit seine Karrikatur
ähnlicher gerathe; des Fürsten Schwarzenberg berühmtes Wort: die Welt werde
über Oestreichs Undankbarkeit staunen, hat er auf die Kroaten überaus treffend
angewendet und in dem ungarischen Ausgleiche Cäsars Veni, vicZi, viel glän¬
zend in Scene gesetzt.

Der Ausgleich ist Beusis persönliches Werk, sein ausschließliches Verdienst.
Niemand wird bestreiten, daß er an Energie und Klugheit seine Vorgänger im
Amte weit übertrifft, unter den östreichischen Staatsmännern seinesgleichen nicht
zählt. Freilich wurde er auch von zwingenderen Motiven angetrieben als die
letzteren. Er kämpfte für seine Selbsterhaltung; wenn ihm der Ausgleich nicht
gelang, so war nicht allein sein politisches Ansehen gefährdet, er spielte dann
eine lächerliche Figur, besaß nicht mehr Feinde, sondern Spötter und Verächter.
Als er im verflossenen Herbst das Ministerium antrat, wie ein virtuoser Spieler
eine halb verlorene Partie von Stümpern übernimmt, stand bei ihm der Ent¬
schluß, irgendeinen Hauptstreich zu wagen, fest. Er mußte sich mit Eclat in
die neue Welt einführen oder sich verloren geben. Die Wahl des Schauplatzes,
in welchem er seinen Muth und seine Kunst erproben weilte. siel ihm nicht
schwer. In der rein äußeren Politik hielt er sich in vorsichtiger Reserve, weil
er nicht über reale Machtmittel gebot, die hier allein ein energisches Auftreten
gestatten. Dagegen stellte sich ihm in dem ungarischen Verfassungsstreite der
wünschenswerte Gegenstand für seine Zauberkünste entgegen. Die Lösung
dieser Frage galt für überaus schwierig, ja unmöglich, sie interessirte die öffent¬
liche Meinung Europas in hohem Grade, so daß er gewiß sein konnte, seine
Thätigkeit werde die Aufmerksamkeit aller Höfe und Cabincte fesseln und sie
war schließlich durch Schmerlings ruchlose Trägheit und Belcredis Bornirtheit
so gänzlich verfahren und verwickelt, daß er jedes Mittel ungescheut gebrauchen
konnte, ohne Furcht, Tadel zu finden und zur Verantwortung gezogen zu
werden.

Der Ausgleich um jeden Preis wurde seine Parole. Es kam ihm auf die
Bedingungen nicht an. ihn kümmerten nicht die Wunden, die er dem Staats¬
wesen schlug, ihn plagte nicht die Sorge, daß er Oestreichs Zukunft für einen
glänzenden momentanen Triumph verkaufe. Er brauchte den letzteren, während
ihm die erstere in zweifelhaftem Lichte erscheint. Damit war auch sein Weg
vorgezeichnet: rückhaltlose Bewilligung aller magyarischen Forderungen. De-
cretirung solcher Maßregeln, welche die Ungarn zufriedenstellen, sie geneigt
machen, den alten Streit als beigelegt zu proclamiren. Vertuschen und Ver¬
schweigen aller Schwierigkeiten, welche sich noch nachträglich dem thatsächlichen
Ausgleiche und vollendeten Frieden entgegenstellen dürften.

Hat Herr v. Beust den Ausgleich durchgesetzt? Wer will daran zweifeln,


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[0522] Er ist den Pamphletisten gegenüber so großmüthig, wie Friedrich der Große, er sendet dem „Kikeriki" seine photographirte Visitenkarte, damit seine Karrikatur ähnlicher gerathe; des Fürsten Schwarzenberg berühmtes Wort: die Welt werde über Oestreichs Undankbarkeit staunen, hat er auf die Kroaten überaus treffend angewendet und in dem ungarischen Ausgleiche Cäsars Veni, vicZi, viel glän¬ zend in Scene gesetzt. Der Ausgleich ist Beusis persönliches Werk, sein ausschließliches Verdienst. Niemand wird bestreiten, daß er an Energie und Klugheit seine Vorgänger im Amte weit übertrifft, unter den östreichischen Staatsmännern seinesgleichen nicht zählt. Freilich wurde er auch von zwingenderen Motiven angetrieben als die letzteren. Er kämpfte für seine Selbsterhaltung; wenn ihm der Ausgleich nicht gelang, so war nicht allein sein politisches Ansehen gefährdet, er spielte dann eine lächerliche Figur, besaß nicht mehr Feinde, sondern Spötter und Verächter. Als er im verflossenen Herbst das Ministerium antrat, wie ein virtuoser Spieler eine halb verlorene Partie von Stümpern übernimmt, stand bei ihm der Ent¬ schluß, irgendeinen Hauptstreich zu wagen, fest. Er mußte sich mit Eclat in die neue Welt einführen oder sich verloren geben. Die Wahl des Schauplatzes, in welchem er seinen Muth und seine Kunst erproben weilte. siel ihm nicht schwer. In der rein äußeren Politik hielt er sich in vorsichtiger Reserve, weil er nicht über reale Machtmittel gebot, die hier allein ein energisches Auftreten gestatten. Dagegen stellte sich ihm in dem ungarischen Verfassungsstreite der wünschenswerte Gegenstand für seine Zauberkünste entgegen. Die Lösung dieser Frage galt für überaus schwierig, ja unmöglich, sie interessirte die öffent¬ liche Meinung Europas in hohem Grade, so daß er gewiß sein konnte, seine Thätigkeit werde die Aufmerksamkeit aller Höfe und Cabincte fesseln und sie war schließlich durch Schmerlings ruchlose Trägheit und Belcredis Bornirtheit so gänzlich verfahren und verwickelt, daß er jedes Mittel ungescheut gebrauchen konnte, ohne Furcht, Tadel zu finden und zur Verantwortung gezogen zu werden. Der Ausgleich um jeden Preis wurde seine Parole. Es kam ihm auf die Bedingungen nicht an. ihn kümmerten nicht die Wunden, die er dem Staats¬ wesen schlug, ihn plagte nicht die Sorge, daß er Oestreichs Zukunft für einen glänzenden momentanen Triumph verkaufe. Er brauchte den letzteren, während ihm die erstere in zweifelhaftem Lichte erscheint. Damit war auch sein Weg vorgezeichnet: rückhaltlose Bewilligung aller magyarischen Forderungen. De- cretirung solcher Maßregeln, welche die Ungarn zufriedenstellen, sie geneigt machen, den alten Streit als beigelegt zu proclamiren. Vertuschen und Ver¬ schweigen aller Schwierigkeiten, welche sich noch nachträglich dem thatsächlichen Ausgleiche und vollendeten Frieden entgegenstellen dürften. Hat Herr v. Beust den Ausgleich durchgesetzt? Wer will daran zweifeln,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/522>, abgerufen am 04.07.2024.