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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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recht dieser Verfassung klar und widerspruchslos aufhebe. Er wolle seinen Eid
nicht brechen und wolle ebenso wenig, daß die Preußen der neuen Landestheile
eine verstümmelte, entnervte, entseelte Verfassung erhielten. "Was nützte es uns,
wenn wir die ganze Welt gewonnen und nähmen Schaden an unserer Ver¬
fassung?"

Noch vier Redner sprachen; die Abgeordneten Dr. Rhe (Hamburg) und
Robben gegen den Entwurf, in dem der Eine die deutschen Verfassungen
ermordet, der Andre die deutschen Völker mediatisirt fand, die Abgeord¬
neten v. Gerber und Wagener für denselben. Der Erstere erkannte die
Mängel desselben an, erklärte aber, daß er die Verantwortlichkeit einer princi¬
piellen Opposition gegen denselben nicht zu übernehmen wage, der Letztere trat
in principieller Schärfe für alle seine Theile ein, lehnte jeden Kompromiß und
jede Uebergangsbestimmung ab. Prosaisch sei der Entwurf, statt von Grund¬
rechten, rede er von Eisenbahnen und Telegraphen, statt von Menschenrechten,
von dem billigen Transport der Kohlen und Hülsenfrüchte. aber er sei in all
seiner Nüchternheit der concrete Niederschlag weltgeschichtlicher Ereignisse, deren
Consequenzen die conserVative Partei schon viele Opfer gebracht habe, und
denen anch die Liberalen früher oder später folgen müßten, es komme nur
darauf an, ob mit gutem oder bösem Willen. Seine Ausführung wiederholte
die allbekannten Ansichten der conservativen Partei von dem ^oll tai^ere
des Militäretats überhaupt und der Unmöglichkeit einer neuen Verständigung
mit 22 selbständige" Regierungen insbesondere; daneben sprach N. zwei bemerkens¬
werthe Aufforderungen aus, eine an die deutschen Kleinfürstcn, denen er wünschte,
daß sie, je länger desto mehr, das Geheimniß einsehen möchten, weshalb ein
Lord Palmerston und ein Lord Derby mehr bedeuten als einer von ihnen,
die noch immer nicht einsehen wollte", daß ihre wahre Stelle, ihr rechter Platz
in dem Oberhause eines großen Gemeinwesens sei, und die andere an die Li¬
beralen, die er erinnert, daß auch in Preußen "die brennenden Leidenschaften
früherer Tage in der Unermeßlichkeit des allgemeinen Stimmrechts zu erlöschen
angefangen haben, daß die große Masse anders denke als die Parteien, die bis¬
her hinter ihnen gestanden, daß sie nur in zwei Punkten politisch d. b. em¬
pfindlich sei: im Herzen d. h. in ihren religiösen Interessen und im Magen
d. h. in ihrer wirtschaftlichen Lage.

Durch die Fürsorge, welche der Entwurf den materiellen Interessen
zuwende, habe er die Masse in ihrer ganzen Breite und Tiefe bereits ge¬
wonnen. --

11. März. -- Wer der heutigen Fortsetzung der Generaldebatte beigewohnt
hat. wird sich des Gefühls schwerlich entschlagen können, daß er Momente von
einer gewissen geschichtlichen Größe erlebt hat, und wer aus eigner Erfahrung
noch nicht wußte, wie sich groß angelegte Verhandlungen eines Parlaments


recht dieser Verfassung klar und widerspruchslos aufhebe. Er wolle seinen Eid
nicht brechen und wolle ebenso wenig, daß die Preußen der neuen Landestheile
eine verstümmelte, entnervte, entseelte Verfassung erhielten. „Was nützte es uns,
wenn wir die ganze Welt gewonnen und nähmen Schaden an unserer Ver¬
fassung?"

Noch vier Redner sprachen; die Abgeordneten Dr. Rhe (Hamburg) und
Robben gegen den Entwurf, in dem der Eine die deutschen Verfassungen
ermordet, der Andre die deutschen Völker mediatisirt fand, die Abgeord¬
neten v. Gerber und Wagener für denselben. Der Erstere erkannte die
Mängel desselben an, erklärte aber, daß er die Verantwortlichkeit einer princi¬
piellen Opposition gegen denselben nicht zu übernehmen wage, der Letztere trat
in principieller Schärfe für alle seine Theile ein, lehnte jeden Kompromiß und
jede Uebergangsbestimmung ab. Prosaisch sei der Entwurf, statt von Grund¬
rechten, rede er von Eisenbahnen und Telegraphen, statt von Menschenrechten,
von dem billigen Transport der Kohlen und Hülsenfrüchte. aber er sei in all
seiner Nüchternheit der concrete Niederschlag weltgeschichtlicher Ereignisse, deren
Consequenzen die conserVative Partei schon viele Opfer gebracht habe, und
denen anch die Liberalen früher oder später folgen müßten, es komme nur
darauf an, ob mit gutem oder bösem Willen. Seine Ausführung wiederholte
die allbekannten Ansichten der conservativen Partei von dem ^oll tai^ere
des Militäretats überhaupt und der Unmöglichkeit einer neuen Verständigung
mit 22 selbständige» Regierungen insbesondere; daneben sprach N. zwei bemerkens¬
werthe Aufforderungen aus, eine an die deutschen Kleinfürstcn, denen er wünschte,
daß sie, je länger desto mehr, das Geheimniß einsehen möchten, weshalb ein
Lord Palmerston und ein Lord Derby mehr bedeuten als einer von ihnen,
die noch immer nicht einsehen wollte», daß ihre wahre Stelle, ihr rechter Platz
in dem Oberhause eines großen Gemeinwesens sei, und die andere an die Li¬
beralen, die er erinnert, daß auch in Preußen „die brennenden Leidenschaften
früherer Tage in der Unermeßlichkeit des allgemeinen Stimmrechts zu erlöschen
angefangen haben, daß die große Masse anders denke als die Parteien, die bis¬
her hinter ihnen gestanden, daß sie nur in zwei Punkten politisch d. b. em¬
pfindlich sei: im Herzen d. h. in ihren religiösen Interessen und im Magen
d. h. in ihrer wirtschaftlichen Lage.

Durch die Fürsorge, welche der Entwurf den materiellen Interessen
zuwende, habe er die Masse in ihrer ganzen Breite und Tiefe bereits ge¬
wonnen. —

11. März. — Wer der heutigen Fortsetzung der Generaldebatte beigewohnt
hat. wird sich des Gefühls schwerlich entschlagen können, daß er Momente von
einer gewissen geschichtlichen Größe erlebt hat, und wer aus eigner Erfahrung
noch nicht wußte, wie sich groß angelegte Verhandlungen eines Parlaments


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[0493] recht dieser Verfassung klar und widerspruchslos aufhebe. Er wolle seinen Eid nicht brechen und wolle ebenso wenig, daß die Preußen der neuen Landestheile eine verstümmelte, entnervte, entseelte Verfassung erhielten. „Was nützte es uns, wenn wir die ganze Welt gewonnen und nähmen Schaden an unserer Ver¬ fassung?" Noch vier Redner sprachen; die Abgeordneten Dr. Rhe (Hamburg) und Robben gegen den Entwurf, in dem der Eine die deutschen Verfassungen ermordet, der Andre die deutschen Völker mediatisirt fand, die Abgeord¬ neten v. Gerber und Wagener für denselben. Der Erstere erkannte die Mängel desselben an, erklärte aber, daß er die Verantwortlichkeit einer princi¬ piellen Opposition gegen denselben nicht zu übernehmen wage, der Letztere trat in principieller Schärfe für alle seine Theile ein, lehnte jeden Kompromiß und jede Uebergangsbestimmung ab. Prosaisch sei der Entwurf, statt von Grund¬ rechten, rede er von Eisenbahnen und Telegraphen, statt von Menschenrechten, von dem billigen Transport der Kohlen und Hülsenfrüchte. aber er sei in all seiner Nüchternheit der concrete Niederschlag weltgeschichtlicher Ereignisse, deren Consequenzen die conserVative Partei schon viele Opfer gebracht habe, und denen anch die Liberalen früher oder später folgen müßten, es komme nur darauf an, ob mit gutem oder bösem Willen. Seine Ausführung wiederholte die allbekannten Ansichten der conservativen Partei von dem ^oll tai^ere des Militäretats überhaupt und der Unmöglichkeit einer neuen Verständigung mit 22 selbständige» Regierungen insbesondere; daneben sprach N. zwei bemerkens¬ werthe Aufforderungen aus, eine an die deutschen Kleinfürstcn, denen er wünschte, daß sie, je länger desto mehr, das Geheimniß einsehen möchten, weshalb ein Lord Palmerston und ein Lord Derby mehr bedeuten als einer von ihnen, die noch immer nicht einsehen wollte», daß ihre wahre Stelle, ihr rechter Platz in dem Oberhause eines großen Gemeinwesens sei, und die andere an die Li¬ beralen, die er erinnert, daß auch in Preußen „die brennenden Leidenschaften früherer Tage in der Unermeßlichkeit des allgemeinen Stimmrechts zu erlöschen angefangen haben, daß die große Masse anders denke als die Parteien, die bis¬ her hinter ihnen gestanden, daß sie nur in zwei Punkten politisch d. b. em¬ pfindlich sei: im Herzen d. h. in ihren religiösen Interessen und im Magen d. h. in ihrer wirtschaftlichen Lage. Durch die Fürsorge, welche der Entwurf den materiellen Interessen zuwende, habe er die Masse in ihrer ganzen Breite und Tiefe bereits ge¬ wonnen. — 11. März. — Wer der heutigen Fortsetzung der Generaldebatte beigewohnt hat. wird sich des Gefühls schwerlich entschlagen können, daß er Momente von einer gewissen geschichtlichen Größe erlebt hat, und wer aus eigner Erfahrung noch nicht wußte, wie sich groß angelegte Verhandlungen eines Parlaments

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/493>, abgerufen am 22.12.2024.