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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Ober- und° Unter-, und dann den großen Haufen der untersten Staatsdiener von
einander zu unterscheiden habe. Und es begann ein reges Schaffen in der Be¬
völkerung.

So kam denn der große Tag, an dem der Staatsdiener von weitem als
solcher erkannt werden konnte, wo zum ersten Mal, seit die Welt steht, die Pro¬
fessoren des Gymnasiums, die Ober- und Unterlehrer in standesgemäßer Uniform
zur Schule zogen. Damals hingen die Schüler in den Gittern der Fenster und
empfingen mit Jubel, der je nach der Beliebtheit des Lehrers in größerem oder
geringerem Maß sich zeigte, die Bildner ihrer Jugend. Graue Beinkleider,
grauer Paletot mit hechtgrauem Sammetkragen, und o Wunder! aus dem Paletot
guckte der schwarzlackirte Gurt, an dem ein schöner Degen befestigt war. Den
Kopf bedeckte eine dunkelblaue Mütze mit hellblauem Rand. Denn hellblau war
das Abzeichen des Ministeriums des Innern, dem auch die Polizeidiener an¬
gehörten, weshalb oberflächlich Blickende stets geneigt waren, die Lehrer und
Polizeidiener zu verwechseln. Das Ministerium des Aeußern hatte dunkel¬
roth; auch die Justiz schritt mit eigener Farbe an Kragen- und Aermelaufschlägen
und Mühenrändern einher, und so hatte jede größere Abtheilung der Staats-
Maschine ihr sinniges Abzeichen.

Sonntags und bei feierlichen Gelegenheiten war es anders. Da erschien
der Staatsdiener in dunkelblauem Waffenrock, an dessen Stehkrage" wie bei der
östreichischen Armee die Würde mit Goldsternen angegeben war. Wer "Rath"
war oder dessen Rang hatte, bekam einen Goldkragen, das Ziel, nach dem
Viele mit stiller Sehnsucht zustrebten. Den Leib umspannte dann bei den
Unterbeamten der schwarze, bei den Beamten von einem Stern an aufwärts
el" goldner Degcngurt und den Kopf zierte ein Dreimaster, an dem die National¬
kokarde, zwischen Gold und Silber gebettet, weithin glänzte. Bei fürstlichen
Namens- und Gcburtsfcstcn Casimirhoscn. Manche, die an Geldmangel oder
schlechter Gesinnung litten, pflegten an solchen Tagen krank zu werden, oder
machten sich in stiller Frühe zu einer Landpartie auf. Wer Lehrer war. verfiel
vielleicht gar auf den Einfall, seine Schüler auf solche Fahrten mitzunehmen
und im nächsten Schulprogramm ward rühmend erwähnt, wie der Festtag von den
Schülern in würdigster Weise durch einen größeren Ausflug gefeiert worden sei.

Auch die Geistlichkeit ward i" Schwarz und ohne Degen uniformirt und
von oben wurde zeitweise strenge Musterung auf den Balleien gehalten nach
fehlenden Degen, schiefzugcknöpften Röcken und verrätherischen,-aus der Vor-
geschriebenen Halsbinde hervorstehenden Vatermördern. Nur die Universität
hatte sich für ihren Hausverkehr beharrlich der Neuerung widersetzt und erschien
nach wie vor in einfachem Schwarz. Aber auch da, wo man sich der Ver-
ordnung fügte, geschah es oft mit stiller Nachsucht; für die officiösen Stimmen
des Landes war in einer Zeit politischen Katzenjammers jenes Uniformedict


Ober- und° Unter-, und dann den großen Haufen der untersten Staatsdiener von
einander zu unterscheiden habe. Und es begann ein reges Schaffen in der Be¬
völkerung.

So kam denn der große Tag, an dem der Staatsdiener von weitem als
solcher erkannt werden konnte, wo zum ersten Mal, seit die Welt steht, die Pro¬
fessoren des Gymnasiums, die Ober- und Unterlehrer in standesgemäßer Uniform
zur Schule zogen. Damals hingen die Schüler in den Gittern der Fenster und
empfingen mit Jubel, der je nach der Beliebtheit des Lehrers in größerem oder
geringerem Maß sich zeigte, die Bildner ihrer Jugend. Graue Beinkleider,
grauer Paletot mit hechtgrauem Sammetkragen, und o Wunder! aus dem Paletot
guckte der schwarzlackirte Gurt, an dem ein schöner Degen befestigt war. Den
Kopf bedeckte eine dunkelblaue Mütze mit hellblauem Rand. Denn hellblau war
das Abzeichen des Ministeriums des Innern, dem auch die Polizeidiener an¬
gehörten, weshalb oberflächlich Blickende stets geneigt waren, die Lehrer und
Polizeidiener zu verwechseln. Das Ministerium des Aeußern hatte dunkel¬
roth; auch die Justiz schritt mit eigener Farbe an Kragen- und Aermelaufschlägen
und Mühenrändern einher, und so hatte jede größere Abtheilung der Staats-
Maschine ihr sinniges Abzeichen.

Sonntags und bei feierlichen Gelegenheiten war es anders. Da erschien
der Staatsdiener in dunkelblauem Waffenrock, an dessen Stehkrage» wie bei der
östreichischen Armee die Würde mit Goldsternen angegeben war. Wer „Rath"
war oder dessen Rang hatte, bekam einen Goldkragen, das Ziel, nach dem
Viele mit stiller Sehnsucht zustrebten. Den Leib umspannte dann bei den
Unterbeamten der schwarze, bei den Beamten von einem Stern an aufwärts
el» goldner Degcngurt und den Kopf zierte ein Dreimaster, an dem die National¬
kokarde, zwischen Gold und Silber gebettet, weithin glänzte. Bei fürstlichen
Namens- und Gcburtsfcstcn Casimirhoscn. Manche, die an Geldmangel oder
schlechter Gesinnung litten, pflegten an solchen Tagen krank zu werden, oder
machten sich in stiller Frühe zu einer Landpartie auf. Wer Lehrer war. verfiel
vielleicht gar auf den Einfall, seine Schüler auf solche Fahrten mitzunehmen
und im nächsten Schulprogramm ward rühmend erwähnt, wie der Festtag von den
Schülern in würdigster Weise durch einen größeren Ausflug gefeiert worden sei.

Auch die Geistlichkeit ward i» Schwarz und ohne Degen uniformirt und
von oben wurde zeitweise strenge Musterung auf den Balleien gehalten nach
fehlenden Degen, schiefzugcknöpften Röcken und verrätherischen,-aus der Vor-
geschriebenen Halsbinde hervorstehenden Vatermördern. Nur die Universität
hatte sich für ihren Hausverkehr beharrlich der Neuerung widersetzt und erschien
nach wie vor in einfachem Schwarz. Aber auch da, wo man sich der Ver-
ordnung fügte, geschah es oft mit stiller Nachsucht; für die officiösen Stimmen
des Landes war in einer Zeit politischen Katzenjammers jenes Uniformedict


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[0048] Ober- und° Unter-, und dann den großen Haufen der untersten Staatsdiener von einander zu unterscheiden habe. Und es begann ein reges Schaffen in der Be¬ völkerung. So kam denn der große Tag, an dem der Staatsdiener von weitem als solcher erkannt werden konnte, wo zum ersten Mal, seit die Welt steht, die Pro¬ fessoren des Gymnasiums, die Ober- und Unterlehrer in standesgemäßer Uniform zur Schule zogen. Damals hingen die Schüler in den Gittern der Fenster und empfingen mit Jubel, der je nach der Beliebtheit des Lehrers in größerem oder geringerem Maß sich zeigte, die Bildner ihrer Jugend. Graue Beinkleider, grauer Paletot mit hechtgrauem Sammetkragen, und o Wunder! aus dem Paletot guckte der schwarzlackirte Gurt, an dem ein schöner Degen befestigt war. Den Kopf bedeckte eine dunkelblaue Mütze mit hellblauem Rand. Denn hellblau war das Abzeichen des Ministeriums des Innern, dem auch die Polizeidiener an¬ gehörten, weshalb oberflächlich Blickende stets geneigt waren, die Lehrer und Polizeidiener zu verwechseln. Das Ministerium des Aeußern hatte dunkel¬ roth; auch die Justiz schritt mit eigener Farbe an Kragen- und Aermelaufschlägen und Mühenrändern einher, und so hatte jede größere Abtheilung der Staats- Maschine ihr sinniges Abzeichen. Sonntags und bei feierlichen Gelegenheiten war es anders. Da erschien der Staatsdiener in dunkelblauem Waffenrock, an dessen Stehkrage» wie bei der östreichischen Armee die Würde mit Goldsternen angegeben war. Wer „Rath" war oder dessen Rang hatte, bekam einen Goldkragen, das Ziel, nach dem Viele mit stiller Sehnsucht zustrebten. Den Leib umspannte dann bei den Unterbeamten der schwarze, bei den Beamten von einem Stern an aufwärts el» goldner Degcngurt und den Kopf zierte ein Dreimaster, an dem die National¬ kokarde, zwischen Gold und Silber gebettet, weithin glänzte. Bei fürstlichen Namens- und Gcburtsfcstcn Casimirhoscn. Manche, die an Geldmangel oder schlechter Gesinnung litten, pflegten an solchen Tagen krank zu werden, oder machten sich in stiller Frühe zu einer Landpartie auf. Wer Lehrer war. verfiel vielleicht gar auf den Einfall, seine Schüler auf solche Fahrten mitzunehmen und im nächsten Schulprogramm ward rühmend erwähnt, wie der Festtag von den Schülern in würdigster Weise durch einen größeren Ausflug gefeiert worden sei. Auch die Geistlichkeit ward i» Schwarz und ohne Degen uniformirt und von oben wurde zeitweise strenge Musterung auf den Balleien gehalten nach fehlenden Degen, schiefzugcknöpften Röcken und verrätherischen,-aus der Vor- geschriebenen Halsbinde hervorstehenden Vatermördern. Nur die Universität hatte sich für ihren Hausverkehr beharrlich der Neuerung widersetzt und erschien nach wie vor in einfachem Schwarz. Aber auch da, wo man sich der Ver- ordnung fügte, geschah es oft mit stiller Nachsucht; für die officiösen Stimmen des Landes war in einer Zeit politischen Katzenjammers jenes Uniformedict

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/48>, abgerufen am 22.07.2024.