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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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nicht noch der ungeheuern "Heckerhüte", die mit mächtigen Krämpen keck auf
dem Ohr getragen, für einen ganzen Bienenstock demokratischer Gedanken Raum
boten. Bei ordnungsliebenden Leuten war diese Tracht schon lange alß.
liebig geworden. Aber amb Anderes, was abwärts von den Hüten sich zeigte,
verrieth nicht selten eine Verwilderung, die mit der der politischen Ansichten
Hand in Hand ging. So hatte die Regierung unseres Staats mit Grund übel
vermerkt, daß auch die Staatsdiener sich des Tragens außerordentlicher Bärte
befleißigten. Wäre es nur bei kleinen Backenbärten geblieben! Aber diese
Wüsteneien hätte man sehen sollen! Nicht nur auf den Wangen trug man
Bärte von unanständiger Länge, sondern der Schnurrbart wuchs auch derart
über den Mund herab, daß das Sprichwort gerechtfertigt erschien: "Er hat
Haare auf den Zähnen", und von dem Kinn wallte es hernieder bis zur zotti¬
gen Hochbrust. Daß dies in geordneten Staaten zu einer Zeit wiederkehrender
Ruhe nicht geduldet werden konnte, war klar. Es erschien demgemäß eine Ver¬
fügung, daß von nun an alle Staatsdiener den Bart wegzuschneiden hätten
bis auf einen wirklich genügenden Ueberrest von Backenbart. Dabei war ge¬
nau darauf zu achten, daß dieser Rcstbart sich nicht zu weit nach dem Kinn zu
ausbreite und daß von der Kehle aufwärts nach dem Kinn nichts im Verborgenen
blühe. Wer wie einzelne übelgesinnte Advocaten sich dem Gesetz nicht fügen
wollte, wurde zu öffentlichen Vertheidigungen nicht zugelassen. Nur die Forst¬
leute, zur symbolischen Anerkennung ihres Amtes, durften den Wald im eigenen
Antlitz mit einigen normirtcn Beschränkungen Pflegen. Dazu kamen solche,
Welche bei den Soldaten gewesen und die, welche nachweisen konnten, daß ein
Bart für sie durchaus nöthig sei. Der eine erbrachte den Beweis, daß er seinen
Vollbart haben müsse, um ein Muttermal oder eine häßliche Narbe zu verdecken;
der andere ließ sich vom Arzt bezeugen, daß er ohne Bart an unerträglichem
Reißen zu leiden habe; Glückliche, heimlich beneidet von glätteren Freunden.
Aber im Ganzen erfreute sich das Volk einer gesitteten Nacktheit decenter
Körpertheile.

Auch in der Kleidung forderte man die Manifestation eines geordneten
Staatswesens, die Uniform. Bis dahin war so ziemlich jeder Staatsdiener nach
seiner Fa?on selig gewesen. Das Gerichtswesen und die öffentlichen Lehr¬
anstalten hatten zu den Jahren eines freisinnigeren Regiments richtige Urtheile
gefällt und wackere Männer herangezogen, jetzt erschien wünschenswerth, wenn
auch in diese Disciplin mehr Methode kam. Sorgfältig ward berathschlagt,
welches Tuch zu Staatsuniform und zum Paletot, zu den Beinkleidern für
allerhöchste Festtage und für die Werkeltage, -- wozu auch die kirchlichen Fest-
tage gehörten, -- zu nehmen sei; und wo die allgemein recipirten Grundsätze
sür Uniformen nicht ausreichten, wurde neu bestimmt, auf welche Weise man
die einzelnen Ministerien und in diesen wieder Excellenzen, Geheime-Ober-, die


nicht noch der ungeheuern „Heckerhüte", die mit mächtigen Krämpen keck auf
dem Ohr getragen, für einen ganzen Bienenstock demokratischer Gedanken Raum
boten. Bei ordnungsliebenden Leuten war diese Tracht schon lange alß.
liebig geworden. Aber amb Anderes, was abwärts von den Hüten sich zeigte,
verrieth nicht selten eine Verwilderung, die mit der der politischen Ansichten
Hand in Hand ging. So hatte die Regierung unseres Staats mit Grund übel
vermerkt, daß auch die Staatsdiener sich des Tragens außerordentlicher Bärte
befleißigten. Wäre es nur bei kleinen Backenbärten geblieben! Aber diese
Wüsteneien hätte man sehen sollen! Nicht nur auf den Wangen trug man
Bärte von unanständiger Länge, sondern der Schnurrbart wuchs auch derart
über den Mund herab, daß das Sprichwort gerechtfertigt erschien: „Er hat
Haare auf den Zähnen", und von dem Kinn wallte es hernieder bis zur zotti¬
gen Hochbrust. Daß dies in geordneten Staaten zu einer Zeit wiederkehrender
Ruhe nicht geduldet werden konnte, war klar. Es erschien demgemäß eine Ver¬
fügung, daß von nun an alle Staatsdiener den Bart wegzuschneiden hätten
bis auf einen wirklich genügenden Ueberrest von Backenbart. Dabei war ge¬
nau darauf zu achten, daß dieser Rcstbart sich nicht zu weit nach dem Kinn zu
ausbreite und daß von der Kehle aufwärts nach dem Kinn nichts im Verborgenen
blühe. Wer wie einzelne übelgesinnte Advocaten sich dem Gesetz nicht fügen
wollte, wurde zu öffentlichen Vertheidigungen nicht zugelassen. Nur die Forst¬
leute, zur symbolischen Anerkennung ihres Amtes, durften den Wald im eigenen
Antlitz mit einigen normirtcn Beschränkungen Pflegen. Dazu kamen solche,
Welche bei den Soldaten gewesen und die, welche nachweisen konnten, daß ein
Bart für sie durchaus nöthig sei. Der eine erbrachte den Beweis, daß er seinen
Vollbart haben müsse, um ein Muttermal oder eine häßliche Narbe zu verdecken;
der andere ließ sich vom Arzt bezeugen, daß er ohne Bart an unerträglichem
Reißen zu leiden habe; Glückliche, heimlich beneidet von glätteren Freunden.
Aber im Ganzen erfreute sich das Volk einer gesitteten Nacktheit decenter
Körpertheile.

Auch in der Kleidung forderte man die Manifestation eines geordneten
Staatswesens, die Uniform. Bis dahin war so ziemlich jeder Staatsdiener nach
seiner Fa?on selig gewesen. Das Gerichtswesen und die öffentlichen Lehr¬
anstalten hatten zu den Jahren eines freisinnigeren Regiments richtige Urtheile
gefällt und wackere Männer herangezogen, jetzt erschien wünschenswerth, wenn
auch in diese Disciplin mehr Methode kam. Sorgfältig ward berathschlagt,
welches Tuch zu Staatsuniform und zum Paletot, zu den Beinkleidern für
allerhöchste Festtage und für die Werkeltage, — wozu auch die kirchlichen Fest-
tage gehörten, — zu nehmen sei; und wo die allgemein recipirten Grundsätze
sür Uniformen nicht ausreichten, wurde neu bestimmt, auf welche Weise man
die einzelnen Ministerien und in diesen wieder Excellenzen, Geheime-Ober-, die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/47>, abgerufen am 22.12.2024.