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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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von der Majorität der erwählten Vertreter derselben, vorher acceptirt sein müssen,
und hegt zu der Gesinnung dieser Volksvertretung ein solches Vertraue", daß
er sagt: wenn verschiedenartige, an ein ein Orte versammelte Menschen bei voll¬
kommener Redefreiheit wie ein Herz und eine Seele urtheilen, so ist das nicht
menschlich, sondern göttlich.

Im Einklange mit diesem Satze stehen denn nun auch die Heilmittel, die
er für das kranke Reich vorschlägt.

Die erste Stelle unter denselben nimmt selbstverständlich die Wiederherstel¬
lung der Rechtssicherheit im Reiche, die thatsächliche Durchführung eines ewigen
Landfriedens ein. Hierzu soll zunächst ein von allen Reichsfürsten unterzeich¬
netes und untersiegeltes Reichsgesetz dienen, welches alles Fehderecht aufhebt
und nur dem Kaiser und den kaiserlichen Gerichten die Lefugniß einräumt, ge¬
eigneten Falles die Ermächtigung zur Wiedervergeltung gegen einen hartnäckigen
Frevler zu ertheilen. Der Friedenbrecher soll ehrlos werden, seine Güter --
auch wenn er Fürst wäre -- dem Fiscus verfallen; ist er. Geistlicher, so soll
er durch die Synode abgesetzt werden. Zur Handhabung dieser Strafgesetze soll
das Reich in zwölf oder mehre Gerichlssprengel eingetheilt und in jedem der¬
selben ein kaiserlicher Gerichtshof errichtet und mit drei Richtern. einem aus
dem Adel. einem aus der Geistlichkeit, einem aus dem Bürgerstande, besetzt
werden, damit die Interessen und Anschauungen aller Stände ihre gebührende
Vertretung und Versöhnung darin finden. Diese kaiserlichen Gerichte sollen
einerseits in zweiter Instanz, wenn von dem Spruche deS ordentlichen Richters
an sie appellirt wird, andrerseits aber auch in erster Instanz dann erkennen,
wenn der Kläger oder der Beklagte, weil fürstlichen Standes, keinen ordent¬
lichen Richter über sich hat, oder wenn der ordentliche Richter einem von beiden
Slrcittheilcn verdächtig ist. Sie entscheiden nach Stimmenmehrheit und ordnen
die Vollstreckung ihrer Urtheile selbst an. Die Bußen, die sie auflegen, fließen
in die Reichskasse. Und neben dieser Aufgabe einer straffen und energischen
Reichsjustiz sollen diese kaiserlichen Gerichte nach eine andere, eine hochwich¬
tige und weit hinauswirkende legislative Aufgabe erfüllen, die, wenn sie wirk¬
lich zur Ausführung gekommen wäre, die ganze deutsche Rcchtsenlwickelung
wahrscheinlich in eine völlig andere Bahn geleitet hätte: -- sie sollen die in
ihre" Genchtssprengeln geltenden vaterländischen Rechtsgcwohnhciten aufschreibe"
und sammeln, um eine Revision derselben und des Proceßrechts. das nament¬
lich an einem Mißbräuche der Eidesleistung zu leide" schien, vorzubereiten. El"
großes Werk, in einer Zeit zumal, wo es noch möglich war. die Fortbildung
des vaterländischen Rechts vor der Ueberfluthung durch das eindringende rö¬
mische zu schützen!

Aber was wäre alle Fürsorge für die Fortbildung des Rechtslebens und
für den richterliche" Rechtsschutz gewesen, was hätte sie helfen und nützen können,


von der Majorität der erwählten Vertreter derselben, vorher acceptirt sein müssen,
und hegt zu der Gesinnung dieser Volksvertretung ein solches Vertraue», daß
er sagt: wenn verschiedenartige, an ein ein Orte versammelte Menschen bei voll¬
kommener Redefreiheit wie ein Herz und eine Seele urtheilen, so ist das nicht
menschlich, sondern göttlich.

Im Einklange mit diesem Satze stehen denn nun auch die Heilmittel, die
er für das kranke Reich vorschlägt.

Die erste Stelle unter denselben nimmt selbstverständlich die Wiederherstel¬
lung der Rechtssicherheit im Reiche, die thatsächliche Durchführung eines ewigen
Landfriedens ein. Hierzu soll zunächst ein von allen Reichsfürsten unterzeich¬
netes und untersiegeltes Reichsgesetz dienen, welches alles Fehderecht aufhebt
und nur dem Kaiser und den kaiserlichen Gerichten die Lefugniß einräumt, ge¬
eigneten Falles die Ermächtigung zur Wiedervergeltung gegen einen hartnäckigen
Frevler zu ertheilen. Der Friedenbrecher soll ehrlos werden, seine Güter —
auch wenn er Fürst wäre — dem Fiscus verfallen; ist er. Geistlicher, so soll
er durch die Synode abgesetzt werden. Zur Handhabung dieser Strafgesetze soll
das Reich in zwölf oder mehre Gerichlssprengel eingetheilt und in jedem der¬
selben ein kaiserlicher Gerichtshof errichtet und mit drei Richtern. einem aus
dem Adel. einem aus der Geistlichkeit, einem aus dem Bürgerstande, besetzt
werden, damit die Interessen und Anschauungen aller Stände ihre gebührende
Vertretung und Versöhnung darin finden. Diese kaiserlichen Gerichte sollen
einerseits in zweiter Instanz, wenn von dem Spruche deS ordentlichen Richters
an sie appellirt wird, andrerseits aber auch in erster Instanz dann erkennen,
wenn der Kläger oder der Beklagte, weil fürstlichen Standes, keinen ordent¬
lichen Richter über sich hat, oder wenn der ordentliche Richter einem von beiden
Slrcittheilcn verdächtig ist. Sie entscheiden nach Stimmenmehrheit und ordnen
die Vollstreckung ihrer Urtheile selbst an. Die Bußen, die sie auflegen, fließen
in die Reichskasse. Und neben dieser Aufgabe einer straffen und energischen
Reichsjustiz sollen diese kaiserlichen Gerichte nach eine andere, eine hochwich¬
tige und weit hinauswirkende legislative Aufgabe erfüllen, die, wenn sie wirk¬
lich zur Ausführung gekommen wäre, die ganze deutsche Rcchtsenlwickelung
wahrscheinlich in eine völlig andere Bahn geleitet hätte: — sie sollen die in
ihre» Genchtssprengeln geltenden vaterländischen Rechtsgcwohnhciten aufschreibe»
und sammeln, um eine Revision derselben und des Proceßrechts. das nament¬
lich an einem Mißbräuche der Eidesleistung zu leide» schien, vorzubereiten. El»
großes Werk, in einer Zeit zumal, wo es noch möglich war. die Fortbildung
des vaterländischen Rechts vor der Ueberfluthung durch das eindringende rö¬
mische zu schützen!

Aber was wäre alle Fürsorge für die Fortbildung des Rechtslebens und
für den richterliche» Rechtsschutz gewesen, was hätte sie helfen und nützen können,


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[0476] von der Majorität der erwählten Vertreter derselben, vorher acceptirt sein müssen, und hegt zu der Gesinnung dieser Volksvertretung ein solches Vertraue», daß er sagt: wenn verschiedenartige, an ein ein Orte versammelte Menschen bei voll¬ kommener Redefreiheit wie ein Herz und eine Seele urtheilen, so ist das nicht menschlich, sondern göttlich. Im Einklange mit diesem Satze stehen denn nun auch die Heilmittel, die er für das kranke Reich vorschlägt. Die erste Stelle unter denselben nimmt selbstverständlich die Wiederherstel¬ lung der Rechtssicherheit im Reiche, die thatsächliche Durchführung eines ewigen Landfriedens ein. Hierzu soll zunächst ein von allen Reichsfürsten unterzeich¬ netes und untersiegeltes Reichsgesetz dienen, welches alles Fehderecht aufhebt und nur dem Kaiser und den kaiserlichen Gerichten die Lefugniß einräumt, ge¬ eigneten Falles die Ermächtigung zur Wiedervergeltung gegen einen hartnäckigen Frevler zu ertheilen. Der Friedenbrecher soll ehrlos werden, seine Güter — auch wenn er Fürst wäre — dem Fiscus verfallen; ist er. Geistlicher, so soll er durch die Synode abgesetzt werden. Zur Handhabung dieser Strafgesetze soll das Reich in zwölf oder mehre Gerichlssprengel eingetheilt und in jedem der¬ selben ein kaiserlicher Gerichtshof errichtet und mit drei Richtern. einem aus dem Adel. einem aus der Geistlichkeit, einem aus dem Bürgerstande, besetzt werden, damit die Interessen und Anschauungen aller Stände ihre gebührende Vertretung und Versöhnung darin finden. Diese kaiserlichen Gerichte sollen einerseits in zweiter Instanz, wenn von dem Spruche deS ordentlichen Richters an sie appellirt wird, andrerseits aber auch in erster Instanz dann erkennen, wenn der Kläger oder der Beklagte, weil fürstlichen Standes, keinen ordent¬ lichen Richter über sich hat, oder wenn der ordentliche Richter einem von beiden Slrcittheilcn verdächtig ist. Sie entscheiden nach Stimmenmehrheit und ordnen die Vollstreckung ihrer Urtheile selbst an. Die Bußen, die sie auflegen, fließen in die Reichskasse. Und neben dieser Aufgabe einer straffen und energischen Reichsjustiz sollen diese kaiserlichen Gerichte nach eine andere, eine hochwich¬ tige und weit hinauswirkende legislative Aufgabe erfüllen, die, wenn sie wirk¬ lich zur Ausführung gekommen wäre, die ganze deutsche Rcchtsenlwickelung wahrscheinlich in eine völlig andere Bahn geleitet hätte: — sie sollen die in ihre» Genchtssprengeln geltenden vaterländischen Rechtsgcwohnhciten aufschreibe» und sammeln, um eine Revision derselben und des Proceßrechts. das nament¬ lich an einem Mißbräuche der Eidesleistung zu leide» schien, vorzubereiten. El» großes Werk, in einer Zeit zumal, wo es noch möglich war. die Fortbildung des vaterländischen Rechts vor der Ueberfluthung durch das eindringende rö¬ mische zu schützen! Aber was wäre alle Fürsorge für die Fortbildung des Rechtslebens und für den richterliche» Rechtsschutz gewesen, was hätte sie helfen und nützen können,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/476>, abgerufen am 01.10.2024.