Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.man sie belehrt hatte. Die polnischen Beschuldigungen und die deutschen Gegen¬ Nun folgen die territorialen. Sie betrafen das Fürstenthum Lippe-Det- Nicht allein in dem Deutschland vor 1866 und in dem Oestreich nach man sie belehrt hatte. Die polnischen Beschuldigungen und die deutschen Gegen¬ Nun folgen die territorialen. Sie betrafen das Fürstenthum Lippe-Det- Nicht allein in dem Deutschland vor 1866 und in dem Oestreich nach <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0460" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190619"/> <p xml:id="ID_1536" prev="#ID_1535"> man sie belehrt hatte. Die polnischen Beschuldigungen und die deutschen Gegen¬<lb/> beschuldigungen hatten indeß keine praktische Folge. Es wurde keine Wahl be¬<lb/> anstandet. Auch wurde der Streit-, ob das Land Pose» eine „Provinz" sei,<lb/> wie die Preußen und die Deutschen, oder ein „Großherzogthum", wie die Polen<lb/> behaupten, dieses Mal »och nicht ausgetrage», wenn auch wieder angeregt. Das<lb/> waren die nationalen Streitigkeiten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1537"> Nun folgen die territorialen. Sie betrafen das Fürstenthum Lippe-Det-<lb/> mold, das Fürstenthum Natzeburg und das Großherzogthum Mecklenburg-<lb/> Schwerin. Von Lippe - Detmold und Mecklenburg hatten die Neichstagsmit-<lb/> gliedl!r wohl alle schon gehört. Dagegen das Fürstenthum Raheburg war den<lb/> meisten eine geographische Novität. Sie hatten von der Existenz dieses „Reichs"<lb/> feine Ahnung gehabt; und doch existirt es und kämpft um sein Recht und seine<lb/> Existenz einen nicht unrühmlichen Kampf gegen die strclitzer Regierung; und<lb/> damit verhält es sich also:</p><lb/> <p xml:id="ID_1538" next="#ID_1539"> Nicht allein in dem Deutschland vor 1866 und in dem Oestreich nach<lb/> 1866, sondern auch in dem Großherzogthum Mecklenburg-Strelitz. obgleich das¬<lb/> selbe noch nicht einmal 100,000 Seelen zählt, also nicht so viel wie eine große<lb/> Provinzialstadt, herrscht der Dualismus, oder — richtig ausgedrückt — sogar<lb/> die Personalunion. Das Land besteht nämlich aus zweien Theilen, welche auch<lb/> räumlich durch das dazwischengeschobene Mecklenburg-Schwerin getrennt werden.<lb/> Oestlich von letzterem liegt die Herrschaft Stargard mit Strelitz, westlich oder<lb/> vielmehr nordwestlich davon das ehemalige Bisthum und jetzige Fürstenthum<lb/> Natzeburg. Die Herrschaft Stargard hat die bekannte feudalständische Verfassung<lb/> mit dem übrigen Mecklenburg gemein. Das Fürstenthum Ratzeburg, welches<lb/> nur 17,000 Einwohner zählt, hat keinen Theil daran. Früher wurde es von<lb/> einem Bischof regiert, als dessen Stände die Dvmcapitularen fungirten. Später<lb/> fiel es an die strelitzer Linie; und diese regiert es noch, ohne Stände. Denn<lb/> zu einer Ständeversammlung bedarf es nach mecklenburgischen Begriffen min-<lb/> destens einiger Dutzend Ritter, und da in dem Lande Natzeburg sich nur drei<lb/> ritteischaftliche Güter -vorfinden — sie heißen Horst. Dodow und Torriesdors;<lb/> möge die Nachwelt Notiz davon nehmen! — so versteht es sich — natürlich<lb/> immer nur nach officiell mecklenburgischer Weltanschauung — ganz von selbst,<lb/> daß dieses Ländchen keine Volksvertretung haben kann und darf, sondern absolut<lb/> regiert werden muß. Es zählt zwar anderthalb Städte, nämlich eine ganze,<lb/> welche Schönberg heißt, und eine halbe, Natzeburg. durch deren Mitte die Landes¬<lb/> grenze zieht, die das eine Stück an Mecklenburg und das andere an Lauenburg<lb/> theilt, und eine sehr tüchtige Bauernschaft, welche niemals leibeigen oder hörig<lb/> war. in Erinnerung dessen heute noch die jungen Bauern am Traualtar zur<lb/> Beurkundung ihrer von Alters her gewahrten persönlichen Freiheit ein Schwert<lb/> an ihrer Linken zu tragen Pflegen. Allein trotz dieser persönlichen Freiheit sind</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0460]
man sie belehrt hatte. Die polnischen Beschuldigungen und die deutschen Gegen¬
beschuldigungen hatten indeß keine praktische Folge. Es wurde keine Wahl be¬
anstandet. Auch wurde der Streit-, ob das Land Pose» eine „Provinz" sei,
wie die Preußen und die Deutschen, oder ein „Großherzogthum", wie die Polen
behaupten, dieses Mal »och nicht ausgetrage», wenn auch wieder angeregt. Das
waren die nationalen Streitigkeiten.
Nun folgen die territorialen. Sie betrafen das Fürstenthum Lippe-Det-
mold, das Fürstenthum Natzeburg und das Großherzogthum Mecklenburg-
Schwerin. Von Lippe - Detmold und Mecklenburg hatten die Neichstagsmit-
gliedl!r wohl alle schon gehört. Dagegen das Fürstenthum Raheburg war den
meisten eine geographische Novität. Sie hatten von der Existenz dieses „Reichs"
feine Ahnung gehabt; und doch existirt es und kämpft um sein Recht und seine
Existenz einen nicht unrühmlichen Kampf gegen die strclitzer Regierung; und
damit verhält es sich also:
Nicht allein in dem Deutschland vor 1866 und in dem Oestreich nach
1866, sondern auch in dem Großherzogthum Mecklenburg-Strelitz. obgleich das¬
selbe noch nicht einmal 100,000 Seelen zählt, also nicht so viel wie eine große
Provinzialstadt, herrscht der Dualismus, oder — richtig ausgedrückt — sogar
die Personalunion. Das Land besteht nämlich aus zweien Theilen, welche auch
räumlich durch das dazwischengeschobene Mecklenburg-Schwerin getrennt werden.
Oestlich von letzterem liegt die Herrschaft Stargard mit Strelitz, westlich oder
vielmehr nordwestlich davon das ehemalige Bisthum und jetzige Fürstenthum
Natzeburg. Die Herrschaft Stargard hat die bekannte feudalständische Verfassung
mit dem übrigen Mecklenburg gemein. Das Fürstenthum Ratzeburg, welches
nur 17,000 Einwohner zählt, hat keinen Theil daran. Früher wurde es von
einem Bischof regiert, als dessen Stände die Dvmcapitularen fungirten. Später
fiel es an die strelitzer Linie; und diese regiert es noch, ohne Stände. Denn
zu einer Ständeversammlung bedarf es nach mecklenburgischen Begriffen min-
destens einiger Dutzend Ritter, und da in dem Lande Natzeburg sich nur drei
ritteischaftliche Güter -vorfinden — sie heißen Horst. Dodow und Torriesdors;
möge die Nachwelt Notiz davon nehmen! — so versteht es sich — natürlich
immer nur nach officiell mecklenburgischer Weltanschauung — ganz von selbst,
daß dieses Ländchen keine Volksvertretung haben kann und darf, sondern absolut
regiert werden muß. Es zählt zwar anderthalb Städte, nämlich eine ganze,
welche Schönberg heißt, und eine halbe, Natzeburg. durch deren Mitte die Landes¬
grenze zieht, die das eine Stück an Mecklenburg und das andere an Lauenburg
theilt, und eine sehr tüchtige Bauernschaft, welche niemals leibeigen oder hörig
war. in Erinnerung dessen heute noch die jungen Bauern am Traualtar zur
Beurkundung ihrer von Alters her gewahrten persönlichen Freiheit ein Schwert
an ihrer Linken zu tragen Pflegen. Allein trotz dieser persönlichen Freiheit sind
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