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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Länder wünschten, beriefen sich auf die Verträge Wladislaw Jagellos und auf
die Privilegien eben derselben Großfürsten, welche als polnische Könige' den
Polen das Entgegengesetzte von dem zugesichert hatten, was von ihnen den
Lithauern versprochen war." - "Sie wandten sich sogar mit der Bitte an den
König, er solle die Lithauer kraft seiner Autorität zu ihrer (der polnischen Pri¬
vilegien) Annahme zwingen. Der König war ihnen auch zu Willen und be¬
stätigte alle Vorschläge bezüglich der Verschmelzung Lithauens mit Polen." Das
half aber noch nicht viel.

Endlich wurde in die Reihen ver Lithauer dadurch eine Lücke gerissen, daß
von Seiten der Beamten in den lithauisch-russischen Provinzen die Zustimmung
zur Union bewirkt wurde. Sie wurden dadurch gewonnen, daß der König
ihnen die Abgaben von ihren Dienstgütern zu erlassen versprach, wenn die Ver¬
einigung zu Stande käme. Die Beamten waren nicht die gesetzlichen Vertreter
des Landes; die Polen machten sie aber durch eine einfache Ncichstagscrklärung
dazu, nahmen ihnen ohne Weiteres den Eid der Treue ab und gaben ihnen
gegen das unzufriedene und erbitterte Volk Schutzmannschaften in^it nach Hause.
So wurden denn die Woiwodschaften Podlesien, Wolynien, Podolien, Bratzlaw
und Kiew mit Polen vereinigt.

Nach diesen Erfolgen berief man auch die übrigen Lithauer bei Verlust
Ihres Amtes nach Ludim. Allein der Nachdruck war nicht mehr nöthig, denn
da die Bedrohten sahen, daß die lithauisch-russischen Länder sich bereits mit
Polen vereinigt hatten, "kamen sie freiwillig." Sie hofften jedoch noch auf die
Annahme von vermittelnden Anträgen. Als diese von dem Reichstage ver¬
worfen wurden, wandten sie sich unmittelbar an den König in der Hoffnung,
vielleicht von ihm selbst bessere Bedingungen zu erhalten. Am 29. Juni 1569
erschienen alle lithauischen und russisch-lithauischen Landboten vor ihm, und
Georg Belewic hielt in ihrem Namen eine längere Rede, in der er die Bereit¬
willigkeit des Volkes zur Union zu erkennen gab, nur wolle es dabei nicht
hintangesetzt und seiner Ehre beraubt werden. "Denn es müßte uns und
unsere Enkel sonst Schmerz ergreifen, wenn sie der heutigen Verhandlung ge¬
dächten und unsere Nachkommen müßten uns Vorwürfe machen, daß wir unsere
eigne Erniedrigung nicht bemerkt hätten. Daher werfen wir uns Ew. könig¬
lichen Majestät mit der untertänigsten Bitte zu Füßen (dabei sielen alle unter
Vielen Thränen auf die Knie) und bitten Euch um-Gottes Willen, gedenket
an unsere Dienste, an unsere Treue, an das Blut, welches wir zum Ruhme
Ew. Majestät vergossen haben; treffet daher eine solche Einrichtung, du allen
Zur Ehre gereiche und unsern guten Namen und Eure königliche Ehre wahre,
und gedenket dessen, was Ihr uns zugeschworen habet." Nach diesen Worten
standen sie alle wieder auf und viele der polnischen Herren waren zu Thränen
gerührt. Dennoch wurde dadurch nichts Erhebliches erwirkt; die Vereinigung


Grenzboten I. 1867. . , 54

Länder wünschten, beriefen sich auf die Verträge Wladislaw Jagellos und auf
die Privilegien eben derselben Großfürsten, welche als polnische Könige' den
Polen das Entgegengesetzte von dem zugesichert hatten, was von ihnen den
Lithauern versprochen war." - „Sie wandten sich sogar mit der Bitte an den
König, er solle die Lithauer kraft seiner Autorität zu ihrer (der polnischen Pri¬
vilegien) Annahme zwingen. Der König war ihnen auch zu Willen und be¬
stätigte alle Vorschläge bezüglich der Verschmelzung Lithauens mit Polen." Das
half aber noch nicht viel.

Endlich wurde in die Reihen ver Lithauer dadurch eine Lücke gerissen, daß
von Seiten der Beamten in den lithauisch-russischen Provinzen die Zustimmung
zur Union bewirkt wurde. Sie wurden dadurch gewonnen, daß der König
ihnen die Abgaben von ihren Dienstgütern zu erlassen versprach, wenn die Ver¬
einigung zu Stande käme. Die Beamten waren nicht die gesetzlichen Vertreter
des Landes; die Polen machten sie aber durch eine einfache Ncichstagscrklärung
dazu, nahmen ihnen ohne Weiteres den Eid der Treue ab und gaben ihnen
gegen das unzufriedene und erbitterte Volk Schutzmannschaften in^it nach Hause.
So wurden denn die Woiwodschaften Podlesien, Wolynien, Podolien, Bratzlaw
und Kiew mit Polen vereinigt.

Nach diesen Erfolgen berief man auch die übrigen Lithauer bei Verlust
Ihres Amtes nach Ludim. Allein der Nachdruck war nicht mehr nöthig, denn
da die Bedrohten sahen, daß die lithauisch-russischen Länder sich bereits mit
Polen vereinigt hatten, „kamen sie freiwillig." Sie hofften jedoch noch auf die
Annahme von vermittelnden Anträgen. Als diese von dem Reichstage ver¬
worfen wurden, wandten sie sich unmittelbar an den König in der Hoffnung,
vielleicht von ihm selbst bessere Bedingungen zu erhalten. Am 29. Juni 1569
erschienen alle lithauischen und russisch-lithauischen Landboten vor ihm, und
Georg Belewic hielt in ihrem Namen eine längere Rede, in der er die Bereit¬
willigkeit des Volkes zur Union zu erkennen gab, nur wolle es dabei nicht
hintangesetzt und seiner Ehre beraubt werden. „Denn es müßte uns und
unsere Enkel sonst Schmerz ergreifen, wenn sie der heutigen Verhandlung ge¬
dächten und unsere Nachkommen müßten uns Vorwürfe machen, daß wir unsere
eigne Erniedrigung nicht bemerkt hätten. Daher werfen wir uns Ew. könig¬
lichen Majestät mit der untertänigsten Bitte zu Füßen (dabei sielen alle unter
Vielen Thränen auf die Knie) und bitten Euch um-Gottes Willen, gedenket
an unsere Dienste, an unsere Treue, an das Blut, welches wir zum Ruhme
Ew. Majestät vergossen haben; treffet daher eine solche Einrichtung, du allen
Zur Ehre gereiche und unsern guten Namen und Eure königliche Ehre wahre,
und gedenket dessen, was Ihr uns zugeschworen habet." Nach diesen Worten
standen sie alle wieder auf und viele der polnischen Herren waren zu Thränen
gerührt. Dennoch wurde dadurch nichts Erhebliches erwirkt; die Vereinigung


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[0431] Länder wünschten, beriefen sich auf die Verträge Wladislaw Jagellos und auf die Privilegien eben derselben Großfürsten, welche als polnische Könige' den Polen das Entgegengesetzte von dem zugesichert hatten, was von ihnen den Lithauern versprochen war." - „Sie wandten sich sogar mit der Bitte an den König, er solle die Lithauer kraft seiner Autorität zu ihrer (der polnischen Pri¬ vilegien) Annahme zwingen. Der König war ihnen auch zu Willen und be¬ stätigte alle Vorschläge bezüglich der Verschmelzung Lithauens mit Polen." Das half aber noch nicht viel. Endlich wurde in die Reihen ver Lithauer dadurch eine Lücke gerissen, daß von Seiten der Beamten in den lithauisch-russischen Provinzen die Zustimmung zur Union bewirkt wurde. Sie wurden dadurch gewonnen, daß der König ihnen die Abgaben von ihren Dienstgütern zu erlassen versprach, wenn die Ver¬ einigung zu Stande käme. Die Beamten waren nicht die gesetzlichen Vertreter des Landes; die Polen machten sie aber durch eine einfache Ncichstagscrklärung dazu, nahmen ihnen ohne Weiteres den Eid der Treue ab und gaben ihnen gegen das unzufriedene und erbitterte Volk Schutzmannschaften in^it nach Hause. So wurden denn die Woiwodschaften Podlesien, Wolynien, Podolien, Bratzlaw und Kiew mit Polen vereinigt. Nach diesen Erfolgen berief man auch die übrigen Lithauer bei Verlust Ihres Amtes nach Ludim. Allein der Nachdruck war nicht mehr nöthig, denn da die Bedrohten sahen, daß die lithauisch-russischen Länder sich bereits mit Polen vereinigt hatten, „kamen sie freiwillig." Sie hofften jedoch noch auf die Annahme von vermittelnden Anträgen. Als diese von dem Reichstage ver¬ worfen wurden, wandten sie sich unmittelbar an den König in der Hoffnung, vielleicht von ihm selbst bessere Bedingungen zu erhalten. Am 29. Juni 1569 erschienen alle lithauischen und russisch-lithauischen Landboten vor ihm, und Georg Belewic hielt in ihrem Namen eine längere Rede, in der er die Bereit¬ willigkeit des Volkes zur Union zu erkennen gab, nur wolle es dabei nicht hintangesetzt und seiner Ehre beraubt werden. „Denn es müßte uns und unsere Enkel sonst Schmerz ergreifen, wenn sie der heutigen Verhandlung ge¬ dächten und unsere Nachkommen müßten uns Vorwürfe machen, daß wir unsere eigne Erniedrigung nicht bemerkt hätten. Daher werfen wir uns Ew. könig¬ lichen Majestät mit der untertänigsten Bitte zu Füßen (dabei sielen alle unter Vielen Thränen auf die Knie) und bitten Euch um-Gottes Willen, gedenket an unsere Dienste, an unsere Treue, an das Blut, welches wir zum Ruhme Ew. Majestät vergossen haben; treffet daher eine solche Einrichtung, du allen Zur Ehre gereiche und unsern guten Namen und Eure königliche Ehre wahre, und gedenket dessen, was Ihr uns zugeschworen habet." Nach diesen Worten standen sie alle wieder auf und viele der polnischen Herren waren zu Thränen gerührt. Dennoch wurde dadurch nichts Erhebliches erwirkt; die Vereinigung Grenzboten I. 1867. . , 54

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/431>, abgerufen am 28.09.2024.