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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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so ein yeder Römischer könig oder tapfer gekröner wird, mag er den Juden
allenthalben jm Reich alle jr gut "eme", dazu jr leben, und sie tödten bis auf
ein anzal, der lutzel sein soll, zu einer Gedcchtnus zu erhalten." (Schon im
elften Jahrhundert sagt ein französischer Benedicti"ermönch: es sei nöthig, daß
einige von ihnen übrig blieben zum Zeugniß des von ihnen vergossenen
Blutes Christi, und darum werde es wohl die göttliche Vorsehung zugelassen
haben, daß die Wuth der Christen gegen sie sich zur Zeit gemildert habe.)
Dafür, daß der König von seinem Recht aus das Leben der Juden keinen
Gebrauch machte, mußten sie ihm bei der Krönung oder Huldigung eine be¬
sondere außerordentliche Abgabe bezahlen.

Der Judenschutz war ein Regal, das nur infolge kaiserlicher Verleihung
auf andere Fürsten und Herren übergehen konnte, und nicht in der Landes¬
hoheit einbegriffen war. Der Kaiser konnte dies Recht in den Territorien der
Landesherrn sich reserviren, er konnte es auch auf dritte Personen z. B. hohe
Reichsbeamte, benachbarte Landesherren übergehen lassen, so daß diese die Be-
fugniß erhielten, in eine fremde Landeshoheit hineinzugreifen. Die Uebertragung
des Judenschutzes erfolgte auch in der Form, daß der Landesherr oder die Obrig¬
keit eines Gebietes, auf dem noch keine Juden saßen, die Erlaubniß erhielt, sie
aufzunehmen. Solche Privilegien, Juden zu halten (^uclÄeos Irabero, tenoro)
scheinen zuerst unter Friedrich dem Zweite" ertheilt zu sein, seitdem geschah es
vielfach. Kaiser Karl der Vierte räumte in der goldenen Bulle (13S6) allen
Kurfürsten das Judenregal ganz generell ein; nachdem dort die ihnen auf ihren
Territorien zustehende" Bergwerksnutzungen aufgezählt sind, heißt es: "ebenso
sollen sie Juden halten dürfen und die Einkünfte von den Zöllen erheben".

Der Grund, weshalb Fürsten und Städte sich um das Recht der Juden-
aufnahme bewarben, war hauptsächlich der Wunsch, Capitalisten im Lande zu
haben, die sowohl in hohem Grade steuerkräftig waren als auch mit Credit
und baarem Gelde aushelfen konnten. Seit den Kreuzzügen waren die Juden
vom Großhandel ausgeschlossen und auf Schacher und Wucher beschränkt: der
Wucher machte sie einerseits unentbehrlich, andrerseits zum Gegenstande des
Hasses und der Verachtung. Da die Kirche den Christen das Ausleihen von
Geld auf Zinsen streng verbot, mußte sie den Juden den Wucher gestatten, der
nun ihre Haupterwerbsquelle Ward, seit die Ausbildung des gewerblichen Lebens
und des Innungswesens sie vo" Hcuidwerk und Handel ausschloß. Als Bern¬
hard von Clairvaux 1146 während des zweiten Kreuzzuges vo" der Verfolgung
der Juden abmahnte, brauchte er auch das Argument, daß wenn die Juden
nicht da wären, die christlichen Wucherer es noch übler wie die Christen machen
würden. Die den Jude" gestatteten Zinse" waren enorm hoch. Der gesetzliche
Zinsfuß im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert schwankte zwischen 21^
und Procent. Wie durch diesen Wucher, in den, die Juden durch keine


so ein yeder Römischer könig oder tapfer gekröner wird, mag er den Juden
allenthalben jm Reich alle jr gut »eme», dazu jr leben, und sie tödten bis auf
ein anzal, der lutzel sein soll, zu einer Gedcchtnus zu erhalten." (Schon im
elften Jahrhundert sagt ein französischer Benedicti»ermönch: es sei nöthig, daß
einige von ihnen übrig blieben zum Zeugniß des von ihnen vergossenen
Blutes Christi, und darum werde es wohl die göttliche Vorsehung zugelassen
haben, daß die Wuth der Christen gegen sie sich zur Zeit gemildert habe.)
Dafür, daß der König von seinem Recht aus das Leben der Juden keinen
Gebrauch machte, mußten sie ihm bei der Krönung oder Huldigung eine be¬
sondere außerordentliche Abgabe bezahlen.

Der Judenschutz war ein Regal, das nur infolge kaiserlicher Verleihung
auf andere Fürsten und Herren übergehen konnte, und nicht in der Landes¬
hoheit einbegriffen war. Der Kaiser konnte dies Recht in den Territorien der
Landesherrn sich reserviren, er konnte es auch auf dritte Personen z. B. hohe
Reichsbeamte, benachbarte Landesherren übergehen lassen, so daß diese die Be-
fugniß erhielten, in eine fremde Landeshoheit hineinzugreifen. Die Uebertragung
des Judenschutzes erfolgte auch in der Form, daß der Landesherr oder die Obrig¬
keit eines Gebietes, auf dem noch keine Juden saßen, die Erlaubniß erhielt, sie
aufzunehmen. Solche Privilegien, Juden zu halten (^uclÄeos Irabero, tenoro)
scheinen zuerst unter Friedrich dem Zweite» ertheilt zu sein, seitdem geschah es
vielfach. Kaiser Karl der Vierte räumte in der goldenen Bulle (13S6) allen
Kurfürsten das Judenregal ganz generell ein; nachdem dort die ihnen auf ihren
Territorien zustehende» Bergwerksnutzungen aufgezählt sind, heißt es: „ebenso
sollen sie Juden halten dürfen und die Einkünfte von den Zöllen erheben".

Der Grund, weshalb Fürsten und Städte sich um das Recht der Juden-
aufnahme bewarben, war hauptsächlich der Wunsch, Capitalisten im Lande zu
haben, die sowohl in hohem Grade steuerkräftig waren als auch mit Credit
und baarem Gelde aushelfen konnten. Seit den Kreuzzügen waren die Juden
vom Großhandel ausgeschlossen und auf Schacher und Wucher beschränkt: der
Wucher machte sie einerseits unentbehrlich, andrerseits zum Gegenstande des
Hasses und der Verachtung. Da die Kirche den Christen das Ausleihen von
Geld auf Zinsen streng verbot, mußte sie den Juden den Wucher gestatten, der
nun ihre Haupterwerbsquelle Ward, seit die Ausbildung des gewerblichen Lebens
und des Innungswesens sie vo» Hcuidwerk und Handel ausschloß. Als Bern¬
hard von Clairvaux 1146 während des zweiten Kreuzzuges vo» der Verfolgung
der Juden abmahnte, brauchte er auch das Argument, daß wenn die Juden
nicht da wären, die christlichen Wucherer es noch übler wie die Christen machen
würden. Die den Jude» gestatteten Zinse» waren enorm hoch. Der gesetzliche
Zinsfuß im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert schwankte zwischen 21^
und Procent. Wie durch diesen Wucher, in den, die Juden durch keine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/42>, abgerufen am 03.07.2024.