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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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das Thema seines neuesten Werkes schon vor Jahren in einem Aufsatze be¬
handelt, der in diesen Blättern (1859, Ur. 17) abgedruckt ist, und wenn er das
Resultat seiner fortgesetzten Studien über diesen so interessanten Gegenstand
erst jetzt in einer umfangreichen Monographie veröffentlicht, so wird man ihm
gewiß nicht Uebereilung vonverfe" dürfen. Er hat einen werthvollen und
dankenswerthen Beitrag nicht blos zur Geschichte der Juden, sondern auch zur
Culturgeschichte des deutschen Mittelalters geliefert, der überall den Eindruck
gewissenhafter Forschung und objectiver, streng unparteilicher Beurtheilung der
Thatsachen macht und auch dem Laien auf dem Gebiete des deutschen Rechts
(Referent ist ein solcher) eine übersichtliche, im besten Sinn des Worts populäre
Belehrung bietet. Die Ergebnisse der Untersuchung sind in einer fortlaufenden
Darstellung zusammengefaßt, das ungemein reiche Material, auf dem sie beruht,
ist in einen besonder" Anhang (S. 197 --312) verwiesen, in dem man auch
einige wichtige Privilegien abgedruckt findet.

Aus dem mannigfaltigen Inhalt dieses Buchs dürften die Abschnitte über
die Kammerknechtschaft und den Judenschutz, sodann über die Handels- und die
Geldgeschäfte der Juden vom allgemeinsten Interesse sein. Die Anschauung
des ganzen spätern Mittelalters. daß die Juden die Knechte des Kaisers sind,
in seinem Schutz stehn und ihm dafür Abgaben zahlen müssen, war in der
kaiserlichen Pflicht begründet, den Bedrängten überall im ganzen Reiche gegen
ihre Bedrücker beizustehen: und wer bedürfte dieses Beistandes mehr als die
Juden, besonders seit im Zeitalter der Kreuzzüge die fromme Wuth gegen die
Feinde Christi von neuem entbrannt war und sich in schaudervollen Ausbrüchen
kundgab? Das Mhängigkeitsverhältniß der Juden war aber keineswegs ein
vereinzeltes. Jeder, der sich nicht selbst beschützen konnte und sich deshalb in
den Schutz eines Mächtigen begab, dem er für diese Vogtei Abgabe zahlte, war
nickt mehr vollkommen frei, und Knecht, 8<zrvu8, hieß nicht blos der rechtlose
Mann, sondern auch der, welcher nicht frei über sich verfügen konnte und in
bestimmte" Beziehungen dem Willen eines andern unterworfen war. Auch den
Ministerialen, den Ritter unfreier Abstammung nannte man so, noch zu einer
Zeit, in welcher er sich längst über den freien Bürger und über den Bauer er¬
hoben hatte. Die Kammcrknechtschaft der Juden bedeutet also nur, daß sie dem
Kaiser unterworfen und zu Abgaben an die kaiserliche Kammer verpflichtet,
nicht daß sie Leibeigne seien. Doch wurde ihre Schutzlosigkeit mehr und mehr
als Vorwand gebraucht, um ihre Bedrückungen und Beraubungen zu einem
kaiserlichen Monopol zu machen, und allmälig kam der Satz zur Geltung, daß
den Juden ihr Vermögen nur xroeario gehöre und ihnen jeder Zeit vom Kaiser
wieder genommen werden könne, ja auch daß ihr Leib und Leben zur unbe-
schränkten Verfügung des Kaisers stehe. In vollster Nacktheit spricht dies eine
Urkunde des Markgrafen Albrecht von Brandenburg vom Jahr 1462 aus: "Dann


das Thema seines neuesten Werkes schon vor Jahren in einem Aufsatze be¬
handelt, der in diesen Blättern (1859, Ur. 17) abgedruckt ist, und wenn er das
Resultat seiner fortgesetzten Studien über diesen so interessanten Gegenstand
erst jetzt in einer umfangreichen Monographie veröffentlicht, so wird man ihm
gewiß nicht Uebereilung vonverfe» dürfen. Er hat einen werthvollen und
dankenswerthen Beitrag nicht blos zur Geschichte der Juden, sondern auch zur
Culturgeschichte des deutschen Mittelalters geliefert, der überall den Eindruck
gewissenhafter Forschung und objectiver, streng unparteilicher Beurtheilung der
Thatsachen macht und auch dem Laien auf dem Gebiete des deutschen Rechts
(Referent ist ein solcher) eine übersichtliche, im besten Sinn des Worts populäre
Belehrung bietet. Die Ergebnisse der Untersuchung sind in einer fortlaufenden
Darstellung zusammengefaßt, das ungemein reiche Material, auf dem sie beruht,
ist in einen besonder» Anhang (S. 197 —312) verwiesen, in dem man auch
einige wichtige Privilegien abgedruckt findet.

Aus dem mannigfaltigen Inhalt dieses Buchs dürften die Abschnitte über
die Kammerknechtschaft und den Judenschutz, sodann über die Handels- und die
Geldgeschäfte der Juden vom allgemeinsten Interesse sein. Die Anschauung
des ganzen spätern Mittelalters. daß die Juden die Knechte des Kaisers sind,
in seinem Schutz stehn und ihm dafür Abgaben zahlen müssen, war in der
kaiserlichen Pflicht begründet, den Bedrängten überall im ganzen Reiche gegen
ihre Bedrücker beizustehen: und wer bedürfte dieses Beistandes mehr als die
Juden, besonders seit im Zeitalter der Kreuzzüge die fromme Wuth gegen die
Feinde Christi von neuem entbrannt war und sich in schaudervollen Ausbrüchen
kundgab? Das Mhängigkeitsverhältniß der Juden war aber keineswegs ein
vereinzeltes. Jeder, der sich nicht selbst beschützen konnte und sich deshalb in
den Schutz eines Mächtigen begab, dem er für diese Vogtei Abgabe zahlte, war
nickt mehr vollkommen frei, und Knecht, 8<zrvu8, hieß nicht blos der rechtlose
Mann, sondern auch der, welcher nicht frei über sich verfügen konnte und in
bestimmte» Beziehungen dem Willen eines andern unterworfen war. Auch den
Ministerialen, den Ritter unfreier Abstammung nannte man so, noch zu einer
Zeit, in welcher er sich längst über den freien Bürger und über den Bauer er¬
hoben hatte. Die Kammcrknechtschaft der Juden bedeutet also nur, daß sie dem
Kaiser unterworfen und zu Abgaben an die kaiserliche Kammer verpflichtet,
nicht daß sie Leibeigne seien. Doch wurde ihre Schutzlosigkeit mehr und mehr
als Vorwand gebraucht, um ihre Bedrückungen und Beraubungen zu einem
kaiserlichen Monopol zu machen, und allmälig kam der Satz zur Geltung, daß
den Juden ihr Vermögen nur xroeario gehöre und ihnen jeder Zeit vom Kaiser
wieder genommen werden könne, ja auch daß ihr Leib und Leben zur unbe-
schränkten Verfügung des Kaisers stehe. In vollster Nacktheit spricht dies eine
Urkunde des Markgrafen Albrecht von Brandenburg vom Jahr 1462 aus: „Dann


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[0041] das Thema seines neuesten Werkes schon vor Jahren in einem Aufsatze be¬ handelt, der in diesen Blättern (1859, Ur. 17) abgedruckt ist, und wenn er das Resultat seiner fortgesetzten Studien über diesen so interessanten Gegenstand erst jetzt in einer umfangreichen Monographie veröffentlicht, so wird man ihm gewiß nicht Uebereilung vonverfe» dürfen. Er hat einen werthvollen und dankenswerthen Beitrag nicht blos zur Geschichte der Juden, sondern auch zur Culturgeschichte des deutschen Mittelalters geliefert, der überall den Eindruck gewissenhafter Forschung und objectiver, streng unparteilicher Beurtheilung der Thatsachen macht und auch dem Laien auf dem Gebiete des deutschen Rechts (Referent ist ein solcher) eine übersichtliche, im besten Sinn des Worts populäre Belehrung bietet. Die Ergebnisse der Untersuchung sind in einer fortlaufenden Darstellung zusammengefaßt, das ungemein reiche Material, auf dem sie beruht, ist in einen besonder» Anhang (S. 197 —312) verwiesen, in dem man auch einige wichtige Privilegien abgedruckt findet. Aus dem mannigfaltigen Inhalt dieses Buchs dürften die Abschnitte über die Kammerknechtschaft und den Judenschutz, sodann über die Handels- und die Geldgeschäfte der Juden vom allgemeinsten Interesse sein. Die Anschauung des ganzen spätern Mittelalters. daß die Juden die Knechte des Kaisers sind, in seinem Schutz stehn und ihm dafür Abgaben zahlen müssen, war in der kaiserlichen Pflicht begründet, den Bedrängten überall im ganzen Reiche gegen ihre Bedrücker beizustehen: und wer bedürfte dieses Beistandes mehr als die Juden, besonders seit im Zeitalter der Kreuzzüge die fromme Wuth gegen die Feinde Christi von neuem entbrannt war und sich in schaudervollen Ausbrüchen kundgab? Das Mhängigkeitsverhältniß der Juden war aber keineswegs ein vereinzeltes. Jeder, der sich nicht selbst beschützen konnte und sich deshalb in den Schutz eines Mächtigen begab, dem er für diese Vogtei Abgabe zahlte, war nickt mehr vollkommen frei, und Knecht, 8<zrvu8, hieß nicht blos der rechtlose Mann, sondern auch der, welcher nicht frei über sich verfügen konnte und in bestimmte» Beziehungen dem Willen eines andern unterworfen war. Auch den Ministerialen, den Ritter unfreier Abstammung nannte man so, noch zu einer Zeit, in welcher er sich längst über den freien Bürger und über den Bauer er¬ hoben hatte. Die Kammcrknechtschaft der Juden bedeutet also nur, daß sie dem Kaiser unterworfen und zu Abgaben an die kaiserliche Kammer verpflichtet, nicht daß sie Leibeigne seien. Doch wurde ihre Schutzlosigkeit mehr und mehr als Vorwand gebraucht, um ihre Bedrückungen und Beraubungen zu einem kaiserlichen Monopol zu machen, und allmälig kam der Satz zur Geltung, daß den Juden ihr Vermögen nur xroeario gehöre und ihnen jeder Zeit vom Kaiser wieder genommen werden könne, ja auch daß ihr Leib und Leben zur unbe- schränkten Verfügung des Kaisers stehe. In vollster Nacktheit spricht dies eine Urkunde des Markgrafen Albrecht von Brandenburg vom Jahr 1462 aus: „Dann

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/41>, abgerufen am 22.12.2024.