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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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mit Prüfung^ber Wahlen beschäftigt, vielleicht wird schon am Donnerstag die
Eonstiluirung des Reichstags möglich.

^ Den Arbeiten des ersten Tages folgte das Diner im königlichen Schloß.
Der weiße Saal und die Vildergallerie strahlten >in Kerzenglanz. wieder gesellten
sich goldgestickte und schwarze Röcke und lagerten an den langen Tafeln. Nach
dem Duier wruden die Mitglieder des Reichstags nach Landschaften geordnet
dem König und der Königin prasenlut und von den Majestäten mit Erfolg die
hohe Kunst geübt, allseitig wohlthuend zu wirke".--

Ueber die Parteibildungen deö Reichstags ist zur Zeit wenig zu sagen.
Unter den Liberalen herrscht die Tendenz vor, sich in Fraclionsgenossenschaften
noch nicht abzuschließen, und späterer Zelt das etwa Unvermeidliche zu über¬
lassen; ähnlich scheint es bei den Cvnseivativen zu sein.

Die große Mehrzahl der Liberalen, auch der Preußen, ist entschlossen, die
Kompetenz des Reichstags hoch zu fassen, und die Herrenstellung nicht zu
schmälern, weiche ihm der Verfassungsentwurf gegenüber der preußischen Ver¬
fassung zuweist. Es wild also die Majorität den Kampf auf Erweiterung des
Vudgetrechts richten. Mit welchem Erfolg steht dahin. Doch ist eine hoffnungs¬
volle, ja frohe Stimmung vorherrschend. Man erwartet mit mehr oder weniger
genauer Würdigung der Schwierigkeiten ein gutes Ende, das heißt Verstän¬
digung mit der Regierung.

Freilich wird der Entwurf vielen sachlichen Emendationen nicht entgehen,
meist solchen, welche den Zweck haben, Undeutliches oder Uebergangenes näher
zu Präcisiren. Es ist solches Eineublren vri einer Versammlung, welche in ihren
sast 300 Mitgliedern so viele Sachverständige, Geschäftskundige und Vertreter
großer Interessen enthält, unvermeidlich, und grabe deshalb wird es schwer,
Kürze und Schnelligkeit der Verhandlung durchzusetzen. Denn jeder möchte gern
"utralhen und etwas dazuthun oder weghaben. Es wäre wünschenswerth, wenn
daS Vundespräsidium die gesammten nützlichen Ämendemenis wohlwollend ent¬
gegennähme und sich soweit irgend möglich damit befreundete. Da den Mit¬
gliedern des Reichstags nicht nur die preußischen Minister, welche zu Bundes-
cvmmisfanen ernannt sind, gegenübersitzen, sondern aus der linken Seite des
Präsidenten auch die Minister resp. Eommissarien der übrigen Bundes-
staaten, voran wieder Herr v. Friesen, so werden diese letzteren auch sofort >n
dle parlamentarischen Verhandlungen eingeführt, und es wird ihnen leicht, die
Zustimmung rhrer Regierung durch sachgemäße Motivirung zu erwerben.

Ob die Mehrzahl dieser Herren in gehobenem oder in besorgtem Gemüth
den ersten Verhandlungen beigewohnt hat, war nicht zu ersehen.




Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag.
Verlag von F. L. Herbig. -- Druck von Hüthel Legler in Leipzig.

mit Prüfung^ber Wahlen beschäftigt, vielleicht wird schon am Donnerstag die
Eonstiluirung des Reichstags möglich.

^ Den Arbeiten des ersten Tages folgte das Diner im königlichen Schloß.
Der weiße Saal und die Vildergallerie strahlten >in Kerzenglanz. wieder gesellten
sich goldgestickte und schwarze Röcke und lagerten an den langen Tafeln. Nach
dem Duier wruden die Mitglieder des Reichstags nach Landschaften geordnet
dem König und der Königin prasenlut und von den Majestäten mit Erfolg die
hohe Kunst geübt, allseitig wohlthuend zu wirke».—

Ueber die Parteibildungen deö Reichstags ist zur Zeit wenig zu sagen.
Unter den Liberalen herrscht die Tendenz vor, sich in Fraclionsgenossenschaften
noch nicht abzuschließen, und späterer Zelt das etwa Unvermeidliche zu über¬
lassen; ähnlich scheint es bei den Cvnseivativen zu sein.

Die große Mehrzahl der Liberalen, auch der Preußen, ist entschlossen, die
Kompetenz des Reichstags hoch zu fassen, und die Herrenstellung nicht zu
schmälern, weiche ihm der Verfassungsentwurf gegenüber der preußischen Ver¬
fassung zuweist. Es wild also die Majorität den Kampf auf Erweiterung des
Vudgetrechts richten. Mit welchem Erfolg steht dahin. Doch ist eine hoffnungs¬
volle, ja frohe Stimmung vorherrschend. Man erwartet mit mehr oder weniger
genauer Würdigung der Schwierigkeiten ein gutes Ende, das heißt Verstän¬
digung mit der Regierung.

Freilich wird der Entwurf vielen sachlichen Emendationen nicht entgehen,
meist solchen, welche den Zweck haben, Undeutliches oder Uebergangenes näher
zu Präcisiren. Es ist solches Eineublren vri einer Versammlung, welche in ihren
sast 300 Mitgliedern so viele Sachverständige, Geschäftskundige und Vertreter
großer Interessen enthält, unvermeidlich, und grabe deshalb wird es schwer,
Kürze und Schnelligkeit der Verhandlung durchzusetzen. Denn jeder möchte gern
»utralhen und etwas dazuthun oder weghaben. Es wäre wünschenswerth, wenn
daS Vundespräsidium die gesammten nützlichen Ämendemenis wohlwollend ent¬
gegennähme und sich soweit irgend möglich damit befreundete. Da den Mit¬
gliedern des Reichstags nicht nur die preußischen Minister, welche zu Bundes-
cvmmisfanen ernannt sind, gegenübersitzen, sondern aus der linken Seite des
Präsidenten auch die Minister resp. Eommissarien der übrigen Bundes-
staaten, voran wieder Herr v. Friesen, so werden diese letzteren auch sofort >n
dle parlamentarischen Verhandlungen eingeführt, und es wird ihnen leicht, die
Zustimmung rhrer Regierung durch sachgemäße Motivirung zu erwerben.

Ob die Mehrzahl dieser Herren in gehobenem oder in besorgtem Gemüth
den ersten Verhandlungen beigewohnt hat, war nicht zu ersehen.




Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag.
Verlag von F. L. Herbig. — Druck von Hüthel Legler in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/414>, abgerufen am 22.12.2024.