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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Bor der Wahlschlacht wußten die kopenhagener Blätter vielerlei Märchen¬
haftes zu erzählen über die Anstrengungen, welche deutscher Seite gemacht
wurden, um keinen dänischgesinnten Mann im norddeutschen Reichstage Sitz
und Stimme erlangen zu lassen. Indessen war dies doch wohl nur bercitge-
Kaltenes Pflaster für die Wunde, welche Wahlniederlagen dem nationalen Selbst¬
gefühl geschlagen haben würden. Nach dem glücklich errungenen Doppelsitz
können sie ja ohne Schaden solche Behauptungen fallen lassen, wie z. B. die
handgreiflich und unverschämt falsche, daß der deutsche Nationalverein "mit
charakteristischer Frechheit" dem Wahlausschuß in Hadersleben eine bedeutende
Geldsumme geschickt habe, um Wahlstimmen zu kaufen, und daß der Preis
solcher Stimmen 1 bis ü Thaler preußisch gewesen sei. worüber die herum¬
ziehenden Agenten förmlich Buch geführt hätten. Auch die liebenswürdige An¬
nahme, daß die deutschen Wahlvorstände das Ergebniß der Stimmenzählungen
zu Gunsten ihres Candidaten fälschen würden, wird nach dem Ausgang nun ja
wohl von ihren Urhebern selbst verläugnet werden. Doch müßte man diese Pap¬
penheimer schleckt kennen. wenn man sich deshalb der Hoffnung hingeben wollte,
sie würden in Zukunft vorsichtiger sein in der bösen Nachrede, die sie uns
Deutschen einzeln oder insgesammt zu machen gedenken.

Der Ausfall der Reichstagswahl wird ihnen für einige Wochen neuen Stoff
geben, um auf dänisch, schwedisch und französisch die Nothwendigkeit zu predigen,
daß der fünfte Artikel des prager Friedens bald ausgeführt werde. Die Voll¬
ziehung des Einverleibungsgesetzcs, ohne daß die Abstimmung in Nordschleswig
vorausgegangen oder auch nur ein ausdrücklicher Vorbehalt zu ihren Gunsten
gemacht worden wäre, hatte sehr niederschlagend gewirkt, in Kopenhagen viel¬
leicht noch mehr als inmitten der zerstreuten Bevölkerung des dänischen Theils
von Schleswig. Allerhand düstere Gerüchte schwirrten damals durch die Luft.
Bald entnahm man einer Ausführung in deutschen Zeitungen über die strate¬
gische Wichtigkeit der nordschlcswigschcn Eisenbahn, daß Preußen höchstens ein
kleines Stück im Nordwesten, 20 Geviertmeilen mit 40 000 Einwohnern, ab¬
zutreten gewillt sei. aber keineswegs auch die Städte Apenrade und Haders¬
leben sammt der Ostküste. Bestände tiefer Vorsatz in Berlin, so würde er
durch das Wahlergebniß allerdings neue Nahrung gewonnen haben, indem dieses
in den Städten Hadersleben und Apenrvde nur eine geringe dänischgesinnte
Mehrheit herausgestellt hat. Bald wollte man wissen, Graf Bismarck werde
an die Abtretung eines größeren oder geringeren Stückes von Schleswig zwei
Bedingungen knüpfen: bloße Personalunion dieses Gebietstheils mit Dänemark
und Eintritt des Königs von Dänemark für diesen Gebietscheil in den nord¬
deutschen Bund. Denselben Plan, wurde hinzugefügt, habe er durch Luxem¬
burg mit dem Königreich der Niederlande vor. Ein grausamer Scherz! Oder


Grenzboten I. 1867. öl

Bor der Wahlschlacht wußten die kopenhagener Blätter vielerlei Märchen¬
haftes zu erzählen über die Anstrengungen, welche deutscher Seite gemacht
wurden, um keinen dänischgesinnten Mann im norddeutschen Reichstage Sitz
und Stimme erlangen zu lassen. Indessen war dies doch wohl nur bercitge-
Kaltenes Pflaster für die Wunde, welche Wahlniederlagen dem nationalen Selbst¬
gefühl geschlagen haben würden. Nach dem glücklich errungenen Doppelsitz
können sie ja ohne Schaden solche Behauptungen fallen lassen, wie z. B. die
handgreiflich und unverschämt falsche, daß der deutsche Nationalverein „mit
charakteristischer Frechheit" dem Wahlausschuß in Hadersleben eine bedeutende
Geldsumme geschickt habe, um Wahlstimmen zu kaufen, und daß der Preis
solcher Stimmen 1 bis ü Thaler preußisch gewesen sei. worüber die herum¬
ziehenden Agenten förmlich Buch geführt hätten. Auch die liebenswürdige An¬
nahme, daß die deutschen Wahlvorstände das Ergebniß der Stimmenzählungen
zu Gunsten ihres Candidaten fälschen würden, wird nach dem Ausgang nun ja
wohl von ihren Urhebern selbst verläugnet werden. Doch müßte man diese Pap¬
penheimer schleckt kennen. wenn man sich deshalb der Hoffnung hingeben wollte,
sie würden in Zukunft vorsichtiger sein in der bösen Nachrede, die sie uns
Deutschen einzeln oder insgesammt zu machen gedenken.

Der Ausfall der Reichstagswahl wird ihnen für einige Wochen neuen Stoff
geben, um auf dänisch, schwedisch und französisch die Nothwendigkeit zu predigen,
daß der fünfte Artikel des prager Friedens bald ausgeführt werde. Die Voll¬
ziehung des Einverleibungsgesetzcs, ohne daß die Abstimmung in Nordschleswig
vorausgegangen oder auch nur ein ausdrücklicher Vorbehalt zu ihren Gunsten
gemacht worden wäre, hatte sehr niederschlagend gewirkt, in Kopenhagen viel¬
leicht noch mehr als inmitten der zerstreuten Bevölkerung des dänischen Theils
von Schleswig. Allerhand düstere Gerüchte schwirrten damals durch die Luft.
Bald entnahm man einer Ausführung in deutschen Zeitungen über die strate¬
gische Wichtigkeit der nordschlcswigschcn Eisenbahn, daß Preußen höchstens ein
kleines Stück im Nordwesten, 20 Geviertmeilen mit 40 000 Einwohnern, ab¬
zutreten gewillt sei. aber keineswegs auch die Städte Apenrade und Haders¬
leben sammt der Ostküste. Bestände tiefer Vorsatz in Berlin, so würde er
durch das Wahlergebniß allerdings neue Nahrung gewonnen haben, indem dieses
in den Städten Hadersleben und Apenrvde nur eine geringe dänischgesinnte
Mehrheit herausgestellt hat. Bald wollte man wissen, Graf Bismarck werde
an die Abtretung eines größeren oder geringeren Stückes von Schleswig zwei
Bedingungen knüpfen: bloße Personalunion dieses Gebietstheils mit Dänemark
und Eintritt des Königs von Dänemark für diesen Gebietscheil in den nord¬
deutschen Bund. Denselben Plan, wurde hinzugefügt, habe er durch Luxem¬
burg mit dem Königreich der Niederlande vor. Ein grausamer Scherz! Oder


Grenzboten I. 1867. öl
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[0407] Bor der Wahlschlacht wußten die kopenhagener Blätter vielerlei Märchen¬ haftes zu erzählen über die Anstrengungen, welche deutscher Seite gemacht wurden, um keinen dänischgesinnten Mann im norddeutschen Reichstage Sitz und Stimme erlangen zu lassen. Indessen war dies doch wohl nur bercitge- Kaltenes Pflaster für die Wunde, welche Wahlniederlagen dem nationalen Selbst¬ gefühl geschlagen haben würden. Nach dem glücklich errungenen Doppelsitz können sie ja ohne Schaden solche Behauptungen fallen lassen, wie z. B. die handgreiflich und unverschämt falsche, daß der deutsche Nationalverein „mit charakteristischer Frechheit" dem Wahlausschuß in Hadersleben eine bedeutende Geldsumme geschickt habe, um Wahlstimmen zu kaufen, und daß der Preis solcher Stimmen 1 bis ü Thaler preußisch gewesen sei. worüber die herum¬ ziehenden Agenten förmlich Buch geführt hätten. Auch die liebenswürdige An¬ nahme, daß die deutschen Wahlvorstände das Ergebniß der Stimmenzählungen zu Gunsten ihres Candidaten fälschen würden, wird nach dem Ausgang nun ja wohl von ihren Urhebern selbst verläugnet werden. Doch müßte man diese Pap¬ penheimer schleckt kennen. wenn man sich deshalb der Hoffnung hingeben wollte, sie würden in Zukunft vorsichtiger sein in der bösen Nachrede, die sie uns Deutschen einzeln oder insgesammt zu machen gedenken. Der Ausfall der Reichstagswahl wird ihnen für einige Wochen neuen Stoff geben, um auf dänisch, schwedisch und französisch die Nothwendigkeit zu predigen, daß der fünfte Artikel des prager Friedens bald ausgeführt werde. Die Voll¬ ziehung des Einverleibungsgesetzcs, ohne daß die Abstimmung in Nordschleswig vorausgegangen oder auch nur ein ausdrücklicher Vorbehalt zu ihren Gunsten gemacht worden wäre, hatte sehr niederschlagend gewirkt, in Kopenhagen viel¬ leicht noch mehr als inmitten der zerstreuten Bevölkerung des dänischen Theils von Schleswig. Allerhand düstere Gerüchte schwirrten damals durch die Luft. Bald entnahm man einer Ausführung in deutschen Zeitungen über die strate¬ gische Wichtigkeit der nordschlcswigschcn Eisenbahn, daß Preußen höchstens ein kleines Stück im Nordwesten, 20 Geviertmeilen mit 40 000 Einwohnern, ab¬ zutreten gewillt sei. aber keineswegs auch die Städte Apenrade und Haders¬ leben sammt der Ostküste. Bestände tiefer Vorsatz in Berlin, so würde er durch das Wahlergebniß allerdings neue Nahrung gewonnen haben, indem dieses in den Städten Hadersleben und Apenrvde nur eine geringe dänischgesinnte Mehrheit herausgestellt hat. Bald wollte man wissen, Graf Bismarck werde an die Abtretung eines größeren oder geringeren Stückes von Schleswig zwei Bedingungen knüpfen: bloße Personalunion dieses Gebietstheils mit Dänemark und Eintritt des Königs von Dänemark für diesen Gebietscheil in den nord¬ deutschen Bund. Denselben Plan, wurde hinzugefügt, habe er durch Luxem¬ burg mit dem Königreich der Niederlande vor. Ein grausamer Scherz! Oder Grenzboten I. 1867. öl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/407>, abgerufen am 30.06.2024.