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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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jedes Jahr mindestens einmal aufgelöst wurde, behauptete, die Regierung habe
förmlich alle und jede Thätigkeit eingestellt, so konnte doch selbst der böswilligste
Opponent sich nicht unterfangen, zu behaupten, daß dies auch bezüglich der
Ordensverleihungen der Fall sei. Nächst der Kammerauflösung und der An¬
strengung von Anklagen wegen Beleidigung der Majestät des Herzogs Adolph
und wegen Verletzung der Dienstehre des Regicrungsdirectors Werren, war die
Verleihung von Orden dasjenige Geschäft, welches am seltensten eine Unter¬
brechung erlitt und sogar noch nach der Entthronung in dem aus dem südlichen
Ufer der Donau, in Günzburg aufgeschlagenen Kriegslager bis in die Mitte
September 186V hinein mit sorgsamer Pflege fortgescht wurde. "I^ullg, Zivs
Line lines," konnte auf diesem Gebiete der kleine Herzog Nassaus mit dem gro¬
ßen Kaiser Roms sagen. In dieser kurzen Zeit also von wenig über acht Jah¬
ren hat der Herzog Adolph, als Herrscher eines Reichs, das an Einwohnerzahl
sehr weit hinter der guten Stadt Berlin zurücksteht, uicht weniger als fünf¬
hundert und achtzig Orden und 40 Medaillen für Kunst und Wissenschaft, also
im Ganzen 620 -- sage s ends h u ut e rennt zw anzig Decorationen verliehen,
wie dies in beschaulicher und erbaulicher Breite auf Seite 6 bis 44 inklusive
des gedachten Staatshandbuches für 1866 auseinandergesetzt ist. Bei der son¬
stigen Vollständigkeit dieser behäbigen Darstellung, welche die dessen-darmstädtische
noch bei Weitem übertrifft, vermissen wir nur eine Kleinigkeit, nämlich die
jedesmalige Angabe der Ursache der Verleihung. Großmeister ist natürlich über¬
all der Herzog Adolph, Ordensk.anzlcr aber Prinz August von Sayn-Wittgen-
stein-Berlcburg, früher großherzoglich hessischer Cavalericgencral. sodann 1849
der letzte Rcichsministcr des Erzherzogs Johann, und endlich 1866 sowohl der
letzte Staatsminister des Herzogs Adolph, als auch der letzte Gesandte des
deutschen Bundes in dem Hotel zu den drei Mohren in Augsburg. Unter den
"Rittern aus souveränen Häusern" finden wir bei dem "Ordie an Uoir ä'or"
u, a. den Kurfürsten von Hessen und dessen damals noch pr'ä'sumtiven Nach¬
folger, ferner den Kronprinzen von Hannover, den Kronprinzen von Sachsen
und endlich den Prinzen Alexander von Hessen, den Bundesarmeecvrpscomman-
danten. Letzterer ist auch Großkreuz der zweiten (in Erinnerung an jene stolze
Zeit, wo ein armer Graf von Nassau, der auch Adolph hieß, einmal deutscher
König war, von einem Mainzer Erzvischof auf den Thron erhoben und, als
er demselben nicht mehr gehorchen wollte, auch wieder heruntergeworfen), "Mi¬
litär- und Civilverdienstorden Adolphs von Nassau" genannten Decoration.
Prinz Alexander galt bei dem Hofe in Biebrich nicht nur für tapfer, was er
auch ist. sondern für das erste Feldherrngenie der Gegenwart, was er wohl
nicht ist. Den Advlphsorden vierter Classe erhielt zuerst der Lcibkammerdiener
des Herzogs Adolph; er hieß Weiser, und die Welt wußte nichts von ihm,
als daß er die Blume aller Kammerdiener war. Daß er zuerst an'diese ihm


jedes Jahr mindestens einmal aufgelöst wurde, behauptete, die Regierung habe
förmlich alle und jede Thätigkeit eingestellt, so konnte doch selbst der böswilligste
Opponent sich nicht unterfangen, zu behaupten, daß dies auch bezüglich der
Ordensverleihungen der Fall sei. Nächst der Kammerauflösung und der An¬
strengung von Anklagen wegen Beleidigung der Majestät des Herzogs Adolph
und wegen Verletzung der Dienstehre des Regicrungsdirectors Werren, war die
Verleihung von Orden dasjenige Geschäft, welches am seltensten eine Unter¬
brechung erlitt und sogar noch nach der Entthronung in dem aus dem südlichen
Ufer der Donau, in Günzburg aufgeschlagenen Kriegslager bis in die Mitte
September 186V hinein mit sorgsamer Pflege fortgescht wurde. „I^ullg, Zivs
Line lines," konnte auf diesem Gebiete der kleine Herzog Nassaus mit dem gro¬
ßen Kaiser Roms sagen. In dieser kurzen Zeit also von wenig über acht Jah¬
ren hat der Herzog Adolph, als Herrscher eines Reichs, das an Einwohnerzahl
sehr weit hinter der guten Stadt Berlin zurücksteht, uicht weniger als fünf¬
hundert und achtzig Orden und 40 Medaillen für Kunst und Wissenschaft, also
im Ganzen 620 — sage s ends h u ut e rennt zw anzig Decorationen verliehen,
wie dies in beschaulicher und erbaulicher Breite auf Seite 6 bis 44 inklusive
des gedachten Staatshandbuches für 1866 auseinandergesetzt ist. Bei der son¬
stigen Vollständigkeit dieser behäbigen Darstellung, welche die dessen-darmstädtische
noch bei Weitem übertrifft, vermissen wir nur eine Kleinigkeit, nämlich die
jedesmalige Angabe der Ursache der Verleihung. Großmeister ist natürlich über¬
all der Herzog Adolph, Ordensk.anzlcr aber Prinz August von Sayn-Wittgen-
stein-Berlcburg, früher großherzoglich hessischer Cavalericgencral. sodann 1849
der letzte Rcichsministcr des Erzherzogs Johann, und endlich 1866 sowohl der
letzte Staatsminister des Herzogs Adolph, als auch der letzte Gesandte des
deutschen Bundes in dem Hotel zu den drei Mohren in Augsburg. Unter den
„Rittern aus souveränen Häusern" finden wir bei dem „Ordie an Uoir ä'or"
u, a. den Kurfürsten von Hessen und dessen damals noch pr'ä'sumtiven Nach¬
folger, ferner den Kronprinzen von Hannover, den Kronprinzen von Sachsen
und endlich den Prinzen Alexander von Hessen, den Bundesarmeecvrpscomman-
danten. Letzterer ist auch Großkreuz der zweiten (in Erinnerung an jene stolze
Zeit, wo ein armer Graf von Nassau, der auch Adolph hieß, einmal deutscher
König war, von einem Mainzer Erzvischof auf den Thron erhoben und, als
er demselben nicht mehr gehorchen wollte, auch wieder heruntergeworfen), „Mi¬
litär- und Civilverdienstorden Adolphs von Nassau" genannten Decoration.
Prinz Alexander galt bei dem Hofe in Biebrich nicht nur für tapfer, was er
auch ist. sondern für das erste Feldherrngenie der Gegenwart, was er wohl
nicht ist. Den Advlphsorden vierter Classe erhielt zuerst der Lcibkammerdiener
des Herzogs Adolph; er hieß Weiser, und die Welt wußte nichts von ihm,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/404>, abgerufen am 02.07.2024.