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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Mit der Kammersihnng vom 11. Febriler ist ein Conflict der constitu-
tionellen Gen'alten in Italien ausgebrochen. Nicht unerwartet, und dies macht
ihn nur um so ernster. Den" nicht ein ä'nßerlichcs oder zufälliges Ereignis;
hat die Krisis herbeigeführt, sondern sie ist nur der Ausbruch einer langschlei-
chendeu tiefer sitzenden Krankheit.

Die Neuerung bringt einen Gehe^entwnrf ein. der die Beziehungen zwischen
Kirche und Staat definitiv regeln soll und zugleiä, der Finanznoth des König¬
reichs abzuhelfen bestimmt ist. Dieser Gesehentwurf stoßt -- wir untersuchen
nicht aus welchen Gründen -- auf entschiedenen Widerspruch in der Kammer,
so zwar, daß die Commission nicbt einmal seine Jnbetrachtnahme empfiehlt, nicht
einmal ein Gegcnvroject aufstellt. Die öffentliche Meinung, offenbar wenig im
Staude sich ein sachliches Urtheil über den complicirten Plan zu bilden, aber
aus verschiedenen anderen Gründen zu Mißvergnügen geneigt, stimmt lebhaft
in den Widerspruch ein und will, zunächst im Venetianischen, ihrer abfälligen
Meinung in öffentlichen Kund-gebunge" Na^-druck verleihe". Die Regierung
verbietet diese Volkversammlungen aus Gründe" der öffentlichen Sicherheit.
Von der Kammer über diesen Eingriff in das VcrsammlungSrecht interpellirt,
stellt das Ministerin," die Vertrauensfrage. Die Mehrheit der Kammer ent¬
scheidet gegen das Ministerium. Dieses tritt zurück, der König aber nimmt das
Entlassungsgesuch nicht an. Ricasoli bleibt und löst die Kärrner auf: die Re¬
gierung appellirt von: Ausspruch der Kammer an den Ausspruch des Landes.

So weit ist alles nach den gewöhnlichem Regeln des constitutionellen Ge¬
brauchs. Ja das Mnmlcünm thut gleichsam ein Uebriges. Um der allgemeinen
Opposition Rechnung zu tragen, unterzieht es sich trotz der Appellation an die
Wahlurne einer Neubildung, wobei diejenigen Minister, die in erster Linie die
Verantwortung für das mißliebige Gesch tragen, ausgeschieden werden. Dies


Grenzboten I. is>>7, 47

Mit der Kammersihnng vom 11. Febriler ist ein Conflict der constitu-
tionellen Gen'alten in Italien ausgebrochen. Nicht unerwartet, und dies macht
ihn nur um so ernster. Den» nicht ein ä'nßerlichcs oder zufälliges Ereignis;
hat die Krisis herbeigeführt, sondern sie ist nur der Ausbruch einer langschlei-
chendeu tiefer sitzenden Krankheit.

Die Neuerung bringt einen Gehe^entwnrf ein. der die Beziehungen zwischen
Kirche und Staat definitiv regeln soll und zugleiä, der Finanznoth des König¬
reichs abzuhelfen bestimmt ist. Dieser Gesehentwurf stoßt — wir untersuchen
nicht aus welchen Gründen — auf entschiedenen Widerspruch in der Kammer,
so zwar, daß die Commission nicbt einmal seine Jnbetrachtnahme empfiehlt, nicht
einmal ein Gegcnvroject aufstellt. Die öffentliche Meinung, offenbar wenig im
Staude sich ein sachliches Urtheil über den complicirten Plan zu bilden, aber
aus verschiedenen anderen Gründen zu Mißvergnügen geneigt, stimmt lebhaft
in den Widerspruch ein und will, zunächst im Venetianischen, ihrer abfälligen
Meinung in öffentlichen Kund-gebunge» Na^-druck verleihe». Die Regierung
verbietet diese Volkversammlungen aus Gründe» der öffentlichen Sicherheit.
Von der Kammer über diesen Eingriff in das VcrsammlungSrecht interpellirt,
stellt das Ministerin,» die Vertrauensfrage. Die Mehrheit der Kammer ent¬
scheidet gegen das Ministerium. Dieses tritt zurück, der König aber nimmt das
Entlassungsgesuch nicht an. Ricasoli bleibt und löst die Kärrner auf: die Re¬
gierung appellirt von: Ausspruch der Kammer an den Ausspruch des Landes.

So weit ist alles nach den gewöhnlichem Regeln des constitutionellen Ge¬
brauchs. Ja das Mnmlcünm thut gleichsam ein Uebriges. Um der allgemeinen
Opposition Rechnung zu tragen, unterzieht es sich trotz der Appellation an die
Wahlurne einer Neubildung, wobei diejenigen Minister, die in erster Linie die
Verantwortung für das mißliebige Gesch tragen, ausgeschieden werden. Dies


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[0375] Mit der Kammersihnng vom 11. Febriler ist ein Conflict der constitu- tionellen Gen'alten in Italien ausgebrochen. Nicht unerwartet, und dies macht ihn nur um so ernster. Den» nicht ein ä'nßerlichcs oder zufälliges Ereignis; hat die Krisis herbeigeführt, sondern sie ist nur der Ausbruch einer langschlei- chendeu tiefer sitzenden Krankheit. Die Neuerung bringt einen Gehe^entwnrf ein. der die Beziehungen zwischen Kirche und Staat definitiv regeln soll und zugleiä, der Finanznoth des König¬ reichs abzuhelfen bestimmt ist. Dieser Gesehentwurf stoßt — wir untersuchen nicht aus welchen Gründen — auf entschiedenen Widerspruch in der Kammer, so zwar, daß die Commission nicbt einmal seine Jnbetrachtnahme empfiehlt, nicht einmal ein Gegcnvroject aufstellt. Die öffentliche Meinung, offenbar wenig im Staude sich ein sachliches Urtheil über den complicirten Plan zu bilden, aber aus verschiedenen anderen Gründen zu Mißvergnügen geneigt, stimmt lebhaft in den Widerspruch ein und will, zunächst im Venetianischen, ihrer abfälligen Meinung in öffentlichen Kund-gebunge» Na^-druck verleihe». Die Regierung verbietet diese Volkversammlungen aus Gründe» der öffentlichen Sicherheit. Von der Kammer über diesen Eingriff in das VcrsammlungSrecht interpellirt, stellt das Ministerin,» die Vertrauensfrage. Die Mehrheit der Kammer ent¬ scheidet gegen das Ministerium. Dieses tritt zurück, der König aber nimmt das Entlassungsgesuch nicht an. Ricasoli bleibt und löst die Kärrner auf: die Re¬ gierung appellirt von: Ausspruch der Kammer an den Ausspruch des Landes. So weit ist alles nach den gewöhnlichem Regeln des constitutionellen Ge¬ brauchs. Ja das Mnmlcünm thut gleichsam ein Uebriges. Um der allgemeinen Opposition Rechnung zu tragen, unterzieht es sich trotz der Appellation an die Wahlurne einer Neubildung, wobei diejenigen Minister, die in erster Linie die Verantwortung für das mißliebige Gesch tragen, ausgeschieden werden. Dies Grenzboten I. is>>7, 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/375>, abgerufen am 22.12.2024.