Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.beide noch viel näher kommen. Bald stehen ihm die Thiere als furchtbare Die Trennung der Seele vom Körper, diesen rätselhaften Vorgang, konnte Diese Vvianssctzungen zeigen uns unseren 'Mäusethurm nun in einem beide noch viel näher kommen. Bald stehen ihm die Thiere als furchtbare Die Trennung der Seele vom Körper, diesen rätselhaften Vorgang, konnte Diese Vvianssctzungen zeigen uns unseren 'Mäusethurm nun in einem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0360" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190519"/> <p xml:id="ID_1209" prev="#ID_1208"> beide noch viel näher kommen. Bald stehen ihm die Thiere als furchtbare<lb/> Feinde gegenüber, a» Kraft und Schnelligkeit, seit'si an Klugheit dem Men¬<lb/> schen überlegen, bald sind sie ihm liebe, vertraute Gesellen mit allen Vorzügen<lb/> und Schwächen der Menschen, selbst mit menschlicher Rede begabt. Auf der<lb/> rechtsten Stufe können sogar Gottheiten thierische Gestalt annehmen oder bei<lb/> weiter fortschreitender Entwickelung sind wenigstens gewisse heilige Thiere die<lb/> ständigen Begleiter der Götter, nicht nur bei den alten Aegyptern, sondern<lb/> ebenso bei den Indogermanen. Hiernach darf es uns nun weniger befremden,<lb/> daß auch die Maus, gegenwärtig ein unnützes, verachtetes und verhaßtes Ge¬<lb/> schöpf, einst in viel höheren Ehren stand, ja daß sie ebenso wie die jetzt noch<lb/> minder beliebte Schlange und die Kröte bei Deutschen und Slaven gradezu —<lb/> als die sinnliche Gestalt der menschlichen Seele gefaßt wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1210"> Die Trennung der Seele vom Körper, diesen rätselhaften Vorgang, konnte<lb/> sich die kindliche Phantasie nur sinnlich vorstellen: wenn ein Mensch starb,<lb/> öffnete man wohl das Fenster, damit die Seele, die als el» kleiner Vogel dem<lb/> Munde des Sterbenden entflog, freien Ausweg finde, um in die Luftregion<lb/> zurückzukehren, aus der sie einst herabgekommen. So erschien auf der Leiche<lb/> des heiligen Wigbert dreimal nach einander ein wunderschöner Vogel, der nie<lb/> wieder gesehen ward: die Seele des Heiligen, die durch ihren Glanz Von der<lb/> Reinheit seines Wandels zeugte. Gern stellte man sich die Seelen der verstor¬<lb/> benen Frommen als schneeweiße Tauben vor. Aehnlich ist die Anschauung, auf<lb/> die ich zuvor hindeutete. Wie Maus und Schlange in finsterer Höhle Hausen,<lb/> bei Hellem Tage ungesehen, so wohnt die Seele tief in der Höhle des Körpers<lb/> und wie jene Thiere bei Nacht hervorschlüpfen und sich auf die Wanderung be¬<lb/> geben, so verläßt zur Nachtzeit im Traume die Seele den schlafenden Körper<lb/> und schweift ungebunden in fernen Regionen umher. Man erzählte Geschichten,<lb/> wie man bisweilen ein solches Thielchen aus dem geöffneten Munde eines<lb/> Schläfers habe hervorkommen sehen, das man auf seinem Wege nicht stören<lb/> dürfe, denn werde es an der Rückkehr gehindert, so bleibe die Seele vom Leibe<lb/> getrennt und unvermeidlich trete der Tod ein. Selbst Heilungen von Krank¬<lb/> heiten sollten'in der Weise erfolgt sein, daß die Seele in Thiergestalt außerhalb<lb/> ihres Körpers ein Bad nahm und dann wieder heimkehrte. Auch die abgeschie¬<lb/> denen Seelen, die als Elben oder Wichte, als Geister durch die Lüfte zogen,<lb/> dachte man sich demnach als. Mäuse: je nachdem sie schwarz oder weiß, böse<lb/> oder gut waren, brachten sie den Lebenden, denen sie erschienen, entweder Un¬<lb/> heil und Verderben ober Glück und Segen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1211" next="#ID_1212"> Diese Vvianssctzungen zeigen uns unseren 'Mäusethurm nun in einem<lb/> völlig neuen Lichte und lassen einen tieferen Sinn darin ahnen. Nach der<lb/> Hattosage kommen die feindlichen Mänse aus den Flammen, in denen die armen<lb/> Leute verbrannt sind, nach der Pvpielsagc gehen sie unmittelbar aus den un-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0360]
beide noch viel näher kommen. Bald stehen ihm die Thiere als furchtbare
Feinde gegenüber, a» Kraft und Schnelligkeit, seit'si an Klugheit dem Men¬
schen überlegen, bald sind sie ihm liebe, vertraute Gesellen mit allen Vorzügen
und Schwächen der Menschen, selbst mit menschlicher Rede begabt. Auf der
rechtsten Stufe können sogar Gottheiten thierische Gestalt annehmen oder bei
weiter fortschreitender Entwickelung sind wenigstens gewisse heilige Thiere die
ständigen Begleiter der Götter, nicht nur bei den alten Aegyptern, sondern
ebenso bei den Indogermanen. Hiernach darf es uns nun weniger befremden,
daß auch die Maus, gegenwärtig ein unnützes, verachtetes und verhaßtes Ge¬
schöpf, einst in viel höheren Ehren stand, ja daß sie ebenso wie die jetzt noch
minder beliebte Schlange und die Kröte bei Deutschen und Slaven gradezu —
als die sinnliche Gestalt der menschlichen Seele gefaßt wurde.
Die Trennung der Seele vom Körper, diesen rätselhaften Vorgang, konnte
sich die kindliche Phantasie nur sinnlich vorstellen: wenn ein Mensch starb,
öffnete man wohl das Fenster, damit die Seele, die als el» kleiner Vogel dem
Munde des Sterbenden entflog, freien Ausweg finde, um in die Luftregion
zurückzukehren, aus der sie einst herabgekommen. So erschien auf der Leiche
des heiligen Wigbert dreimal nach einander ein wunderschöner Vogel, der nie
wieder gesehen ward: die Seele des Heiligen, die durch ihren Glanz Von der
Reinheit seines Wandels zeugte. Gern stellte man sich die Seelen der verstor¬
benen Frommen als schneeweiße Tauben vor. Aehnlich ist die Anschauung, auf
die ich zuvor hindeutete. Wie Maus und Schlange in finsterer Höhle Hausen,
bei Hellem Tage ungesehen, so wohnt die Seele tief in der Höhle des Körpers
und wie jene Thiere bei Nacht hervorschlüpfen und sich auf die Wanderung be¬
geben, so verläßt zur Nachtzeit im Traume die Seele den schlafenden Körper
und schweift ungebunden in fernen Regionen umher. Man erzählte Geschichten,
wie man bisweilen ein solches Thielchen aus dem geöffneten Munde eines
Schläfers habe hervorkommen sehen, das man auf seinem Wege nicht stören
dürfe, denn werde es an der Rückkehr gehindert, so bleibe die Seele vom Leibe
getrennt und unvermeidlich trete der Tod ein. Selbst Heilungen von Krank¬
heiten sollten'in der Weise erfolgt sein, daß die Seele in Thiergestalt außerhalb
ihres Körpers ein Bad nahm und dann wieder heimkehrte. Auch die abgeschie¬
denen Seelen, die als Elben oder Wichte, als Geister durch die Lüfte zogen,
dachte man sich demnach als. Mäuse: je nachdem sie schwarz oder weiß, böse
oder gut waren, brachten sie den Lebenden, denen sie erschienen, entweder Un¬
heil und Verderben ober Glück und Segen.
Diese Vvianssctzungen zeigen uns unseren 'Mäusethurm nun in einem
völlig neuen Lichte und lassen einen tieferen Sinn darin ahnen. Nach der
Hattosage kommen die feindlichen Mänse aus den Flammen, in denen die armen
Leute verbrannt sind, nach der Pvpielsagc gehen sie unmittelbar aus den un-
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