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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Sonnabends ihren Wochenlohn aus und erstattet ihnen die Verluste, welche sie
am Roulette erlitten. Es ist dies indeß keineswegs eine Specialität von Wies¬
baden. In Homburg, welches weniger natürliche Nesourcen bat und wo das
Spiel das "Ein und Alles" ist, gehts mit alle dem noch weit toller; und auch in
Nauheim, Wilhelmsbad, Wildungen u. s. w. soll man bestrebt sein "zu machen, was
zu machen ist", je nachdem es die schwächer" Mittel des kleineren Ortes erlauben.
An der Spitze der Spielgesellschaft steht derselbe Belgier Jean de Wetters, den
wir auch in den waldeckschcn und kurhessischen Spielbcidcrn finden. Bisher re¬
gierte mit und neben ihm als zweiter Konsul der von Herzog Adolf ernannte
landesherrliche Commissär. Als solcher fungirte keine geringere Person als der
Finanzminisier selbst, welcher neben den 6,000 Gulden Gehalt, die er aus
Landesmitteln erhielt, noch eine Ncbeubcsvldung von 3,000 Gulden und sonstige
Vergünstigungen aus den Mitteln des Spiels bezog. Auch sämmtliche Mitglieder
der Pvlizeidirection in Wiesbaden bezogen daher höchst ansehnliche Neben-
revenüen. Der Spielpacht beträgt jährlich 90.000 Gulden. Derselbe fließt in
die sogenannte Kurhauslasse, deren Einkünfte zu wenigstens neunzig Procent dem
Herzog zukamen. Für das herzogliche Theater und sogenannte "Verschöneiungen"
-- das Steckenpferd des Herzogs --, wurden jährlich 45.000 Gulden aus den
Mitteln des Spiels aufgewendet. Andernfalls wären diese Ausgaben dem Herzog
zur Last gefallen. Die Spielpachtgclder kamen also direct oder indiret dem
Herzog zu gut. Der Staat und die Gemeinde bezogen außer der Gewerbe¬
steuer, die ja auch von andern unmoralischen Häusern erhoben wird, nichts
davon. Der Gewinn der Spielbanken von Wiesbaden und Eins beträgt jähr¬
lich nicht viel weniger als das ganze Einnahmebudgct des Staates Nassau,
nämlich nahe an zwei Millionen Gulden. Die Spielbank macht auch viele
Ausgaben "zur Hebung der Badeindustrie". Diese Ausgaben sind jedoch alle
weniger darauf berechnet, die Benutzung der Heilkräfte von Brunnen und Bädern
dem Publikum möglichst zugänglich, wirksam und comfortable zu machen, als
vielmehr darauf, die ganze Bademaschine so zu stellen, daß alle Wege nach Rom
führen, d. h. zur Spielbank, welche die Hintcrcoulisse jeder localen Perspektive
bildet. Seit 1858 haben die Landstände alljährlich, oft mit Stimmeneinhelligkeit,
die Vertreter von Wiesbaden an der Spitze, die Aufhebung der Spielbank ge¬
fordert. Allein der Fürst hatte für die Stimme des Landes kein Gehör. Seine
Höflinge hatten ja Antheil an der Beute. Bei der Concessionirung des Spiels
wurde vorbehalten, daß die Spielgesellschaft und die Actionäre nicht berechtigt
seien, Entschädigung zu fordern, wenn die Aufhebung des Spiels erfolge kraft
eines Bundesbeschlusses oder sonst irgendeiner "höheren Gewalt" (koree ma-
Mrv). Eine solche Höhere Gewalt ist jedenfalls die Centralregierung und
das Parlament des norddeutschen Bundes. Auch die preußische Landwehr,
Welche am 12. Juli 1866 in Bad Ems einrückte, war eine. Sie unterdrückte


Sonnabends ihren Wochenlohn aus und erstattet ihnen die Verluste, welche sie
am Roulette erlitten. Es ist dies indeß keineswegs eine Specialität von Wies¬
baden. In Homburg, welches weniger natürliche Nesourcen bat und wo das
Spiel das „Ein und Alles" ist, gehts mit alle dem noch weit toller; und auch in
Nauheim, Wilhelmsbad, Wildungen u. s. w. soll man bestrebt sein „zu machen, was
zu machen ist", je nachdem es die schwächer» Mittel des kleineren Ortes erlauben.
An der Spitze der Spielgesellschaft steht derselbe Belgier Jean de Wetters, den
wir auch in den waldeckschcn und kurhessischen Spielbcidcrn finden. Bisher re¬
gierte mit und neben ihm als zweiter Konsul der von Herzog Adolf ernannte
landesherrliche Commissär. Als solcher fungirte keine geringere Person als der
Finanzminisier selbst, welcher neben den 6,000 Gulden Gehalt, die er aus
Landesmitteln erhielt, noch eine Ncbeubcsvldung von 3,000 Gulden und sonstige
Vergünstigungen aus den Mitteln des Spiels bezog. Auch sämmtliche Mitglieder
der Pvlizeidirection in Wiesbaden bezogen daher höchst ansehnliche Neben-
revenüen. Der Spielpacht beträgt jährlich 90.000 Gulden. Derselbe fließt in
die sogenannte Kurhauslasse, deren Einkünfte zu wenigstens neunzig Procent dem
Herzog zukamen. Für das herzogliche Theater und sogenannte „Verschöneiungen"
— das Steckenpferd des Herzogs —, wurden jährlich 45.000 Gulden aus den
Mitteln des Spiels aufgewendet. Andernfalls wären diese Ausgaben dem Herzog
zur Last gefallen. Die Spielpachtgclder kamen also direct oder indiret dem
Herzog zu gut. Der Staat und die Gemeinde bezogen außer der Gewerbe¬
steuer, die ja auch von andern unmoralischen Häusern erhoben wird, nichts
davon. Der Gewinn der Spielbanken von Wiesbaden und Eins beträgt jähr¬
lich nicht viel weniger als das ganze Einnahmebudgct des Staates Nassau,
nämlich nahe an zwei Millionen Gulden. Die Spielbank macht auch viele
Ausgaben „zur Hebung der Badeindustrie". Diese Ausgaben sind jedoch alle
weniger darauf berechnet, die Benutzung der Heilkräfte von Brunnen und Bädern
dem Publikum möglichst zugänglich, wirksam und comfortable zu machen, als
vielmehr darauf, die ganze Bademaschine so zu stellen, daß alle Wege nach Rom
führen, d. h. zur Spielbank, welche die Hintcrcoulisse jeder localen Perspektive
bildet. Seit 1858 haben die Landstände alljährlich, oft mit Stimmeneinhelligkeit,
die Vertreter von Wiesbaden an der Spitze, die Aufhebung der Spielbank ge¬
fordert. Allein der Fürst hatte für die Stimme des Landes kein Gehör. Seine
Höflinge hatten ja Antheil an der Beute. Bei der Concessionirung des Spiels
wurde vorbehalten, daß die Spielgesellschaft und die Actionäre nicht berechtigt
seien, Entschädigung zu fordern, wenn die Aufhebung des Spiels erfolge kraft
eines Bundesbeschlusses oder sonst irgendeiner „höheren Gewalt" (koree ma-
Mrv). Eine solche Höhere Gewalt ist jedenfalls die Centralregierung und
das Parlament des norddeutschen Bundes. Auch die preußische Landwehr,
Welche am 12. Juli 1866 in Bad Ems einrückte, war eine. Sie unterdrückte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/36>, abgerufen am 22.12.2024.