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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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welche staatsrechtlich einer Versammlung zustehen dürfen, der keine höchsten
Staatsbeamten vercnrtwortlicb sind. Wohl aber dürfte die Nation und dürfen
die Landtage der einzelnen Staaten für diese weiten Gebiete realer Verhältnisse,
wo die Interessen der Bundesregierung und der Regierten fast niemals in ge¬
fährliche Differenz kommen, das Recht der Gesetzgebung voiläufig einer außer¬
ordentlichen Versammlung von Notabeln überlassen.

Das Recht dagegen, den Staatssäckel zu öffnen und zu schließen, mühte
auch in dem neuen Bunde dem Landtage des großen Staates bleiben, dem
die höchsten Beamten des Bundes als Staatsminister oder deren Beamte
verantwortlich sind. Da aber nicht der preußische Landtag allein, sondern jeder
Landtag jedes Bundesstaats seine" Antheil an dem Budgelreeht hat und eine
Ausübung dieses Rechtes bei allen einzelnen Landtagen endlose Weitläufigkeit
und Verwirrung schaffen würde, so würde dein Reichstag die Aufgabe zufallen,
die eingeschobenen Artikel über die Bundessiuanzen und die dahin einschlagenden
Bestimmungen anderer Artikel derart zu formuliren, daß, bis die Einsetzung
eines verantwortlichen Rei es S in ini Sterl ums möglich und rath¬
sam wird, dem preußischen Landtage das Budgc'lrecht über Ein¬
nahmen und Ausgaben des norddeutschen Bundes überwiesen
und durch die Volksvertretungen der einzelnen Bundesstaaten
mandirt werde. -- In dem Jnterimisticum, das dadurch fürcrst geschaffen
wird, würden den Volksvertretern, welche vier Fünftheile der Bevölkerung des
Bundesstaats repräsentiren, allerdings die Rechte anvertraut werden, welche jetzt
den einzelnen Bruchtheilen der Totalsumme zustehen. Es wäre ein großes Ver¬
trauen. Aber es würde dem preußischen Landtage nicht vorzugsweise deshalb
werden, weil er dem größten Staatskörper angehört, sondern deshalb, weil er
allein zu den Leitern des Bundes in einem Rechtverhältnis; sieht, in welchem
Pflichten, Rechte und Verantwortung gesetzlich festgestellt sind, wie nur zwischen
Angehörigen, zwischen Münstern und Volksvertretern eines und desselben
Staates möglich ist. -- So bieten sich der nationalen Partei zwei Wege. Sie
kann volles Budgelreeht für den Reichstag, oder Überweisung des gesammten
Budgctrechts an den preußische" Landtag durchzusetzen suche". Was sie auch
wählen möge, sie wird harten Kampf gegen eine Majorität zu führen haben,
welche gegenwärtig ministerieller ist als die Regierung, und gegen eine Regie¬
rung, welche die Uhr in der Hand die Stunde bestimmt, bis zu welcher alle
Bedenken abgethan sein müssen.

Der erlauchte Reichstag vermag den Preußen und Deutschen das tägliche
Brod des preußischen Landtags nicht zu ersetzen. Aber der große politische Ge¬
danke, welcher in seiner Schöpfung, noch unfertig und vielleicht den Urhebern
selbst zur Ueberraschung sichtbar wird, ist der eines deutschen Herrenhauses.
Allerdings nicht nach der verlebten englischen Schablone.




welche staatsrechtlich einer Versammlung zustehen dürfen, der keine höchsten
Staatsbeamten vercnrtwortlicb sind. Wohl aber dürfte die Nation und dürfen
die Landtage der einzelnen Staaten für diese weiten Gebiete realer Verhältnisse,
wo die Interessen der Bundesregierung und der Regierten fast niemals in ge¬
fährliche Differenz kommen, das Recht der Gesetzgebung voiläufig einer außer¬
ordentlichen Versammlung von Notabeln überlassen.

Das Recht dagegen, den Staatssäckel zu öffnen und zu schließen, mühte
auch in dem neuen Bunde dem Landtage des großen Staates bleiben, dem
die höchsten Beamten des Bundes als Staatsminister oder deren Beamte
verantwortlich sind. Da aber nicht der preußische Landtag allein, sondern jeder
Landtag jedes Bundesstaats seine» Antheil an dem Budgelreeht hat und eine
Ausübung dieses Rechtes bei allen einzelnen Landtagen endlose Weitläufigkeit
und Verwirrung schaffen würde, so würde dein Reichstag die Aufgabe zufallen,
die eingeschobenen Artikel über die Bundessiuanzen und die dahin einschlagenden
Bestimmungen anderer Artikel derart zu formuliren, daß, bis die Einsetzung
eines verantwortlichen Rei es S in ini Sterl ums möglich und rath¬
sam wird, dem preußischen Landtage das Budgc'lrecht über Ein¬
nahmen und Ausgaben des norddeutschen Bundes überwiesen
und durch die Volksvertretungen der einzelnen Bundesstaaten
mandirt werde. — In dem Jnterimisticum, das dadurch fürcrst geschaffen
wird, würden den Volksvertretern, welche vier Fünftheile der Bevölkerung des
Bundesstaats repräsentiren, allerdings die Rechte anvertraut werden, welche jetzt
den einzelnen Bruchtheilen der Totalsumme zustehen. Es wäre ein großes Ver¬
trauen. Aber es würde dem preußischen Landtage nicht vorzugsweise deshalb
werden, weil er dem größten Staatskörper angehört, sondern deshalb, weil er
allein zu den Leitern des Bundes in einem Rechtverhältnis; sieht, in welchem
Pflichten, Rechte und Verantwortung gesetzlich festgestellt sind, wie nur zwischen
Angehörigen, zwischen Münstern und Volksvertretern eines und desselben
Staates möglich ist. — So bieten sich der nationalen Partei zwei Wege. Sie
kann volles Budgelreeht für den Reichstag, oder Überweisung des gesammten
Budgctrechts an den preußische» Landtag durchzusetzen suche». Was sie auch
wählen möge, sie wird harten Kampf gegen eine Majorität zu führen haben,
welche gegenwärtig ministerieller ist als die Regierung, und gegen eine Regie¬
rung, welche die Uhr in der Hand die Stunde bestimmt, bis zu welcher alle
Bedenken abgethan sein müssen.

Der erlauchte Reichstag vermag den Preußen und Deutschen das tägliche
Brod des preußischen Landtags nicht zu ersetzen. Aber der große politische Ge¬
danke, welcher in seiner Schöpfung, noch unfertig und vielleicht den Urhebern
selbst zur Ueberraschung sichtbar wird, ist der eines deutschen Herrenhauses.
Allerdings nicht nach der verlebten englischen Schablone.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/336>, abgerufen am 30.06.2024.