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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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seines Ursprungs, als ein Compromiß zwischen einzelnen Persönlichkeiten. Er
gewährt für Telegraphen und Posten dem jlieicbstage das Mitbewilligungsrecht in
der Art, das; in jeder Legislaturperiode von je drei Jahren ein Etat vereinbart
werden soll. Der Marincetat soll ebenfalls, aber anders, mit dem Reichstage ver¬
einbart werden, wie? ist nicbt gesagt. Der Etat des gesammten Bundeshceres ist
der Competenz des Reichstages gänzlich und für immer entzogen,*) der Kosten¬
betrag ist nach der Kopfzahl des stehenden Heeres normirt. Als Einnahme¬
quellen find der Bundeskasse die Bcreinszölle und großen Verbrauchssteuern zu¬
gewiesen, der Mehrbedarf soll den einzelnen Bundesstaaten aufgelegt werden,
etwaige Ersparnisse bleiben in der Bundeskasse -- wahrscheinlich ist die Absicht,
dadurch einen Bundesschatz zu schaffen--, dein Reichstag werden nur die Ver¬
rechnungen zur Einsicht vorgelegt.

Diese ungleichmäßige Beschränkung des Budgetrechls ist aber im Grunde
nur Consequenz der gesammten Bundesverfassung, welche dem Reichstage eine
nicht Verantwortliche Autorität, das Bundcspicisidium, in einem Beamten des¬
selben, dem Bundeskanzler, gegenüberstellt. Der neue Bund ist, wie der fiühere,
eine Bereinigung souveräner Staaten, welche durch Bertrag auf einen Theil
ihrer Rechte zu Gunsten des Ganzen und der Krone Preußen verzichtet haben,
die Staaten senden Delegirte in einen Bundesrath und haben nach der Ein¬
wohnerzahl ihres Territoriums bei Abstimmungen eine normirte Stimmenzahl.
Aus diesem Bundesrathe werden sieben ständige Conunissivncn gebildet für die
Einzelinteressen, welche in die Competenz des Bundes falle"! mit ti.eher Com¬
missionen besorgt der Bundeskanzler die Geschäfte, durch sie communicirt er mit
den einzelnen Regierungen. Während aber die Commissionen des Bundesraths
die ersten Ansähe zu einem Reichsministerium darstellen, ist andererseits das
Plenum des Bundesrathes als eine Art Staatenhaus auch ein Factor der
Gesetzgebung. Unter der ungleichen Behandlung, welche die einzelnen Artikel
des Berfassungscutwurfes erhalten habe", ist dieser Theil der Bundesverfassung
als ein geistvoller Versuch, cvmplicüte Interessen auszugleichen, besonders inter¬
essant. Grade das Unbestimmte und Unfertige darin ist vielleicht ein Borzug,
denn es liegt in den Commissionen des Bundesralhs allerdings der Keim zu
den wichtigsten Neubildungen, welche unter gewissen Eventualitäten den Schwer¬
punkt der Verwaltung ans einzelnen Ministerien Preußens in den Bundesrath
legen könnten.

Dem Reichstage aber, welcher jetzt zusammentult, wird eine weit andere
Aufgabe gestellt: er soll den Regierungen bestätigen, daß jährlich mehr als
secbzigMillionenThaler für dasBundcsheer von dem Bundespräsidium selbst, oder,
wie in Sachsen, mit Genehmigung desselben, ohne jede parlamentarische Ber-



') Die Annahme einiger Zeitungen i daß diese Entziehung nur auf zehn Jahre gelten
solle, ist grundlos.
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seines Ursprungs, als ein Compromiß zwischen einzelnen Persönlichkeiten. Er
gewährt für Telegraphen und Posten dem jlieicbstage das Mitbewilligungsrecht in
der Art, das; in jeder Legislaturperiode von je drei Jahren ein Etat vereinbart
werden soll. Der Marincetat soll ebenfalls, aber anders, mit dem Reichstage ver¬
einbart werden, wie? ist nicbt gesagt. Der Etat des gesammten Bundeshceres ist
der Competenz des Reichstages gänzlich und für immer entzogen,*) der Kosten¬
betrag ist nach der Kopfzahl des stehenden Heeres normirt. Als Einnahme¬
quellen find der Bundeskasse die Bcreinszölle und großen Verbrauchssteuern zu¬
gewiesen, der Mehrbedarf soll den einzelnen Bundesstaaten aufgelegt werden,
etwaige Ersparnisse bleiben in der Bundeskasse — wahrscheinlich ist die Absicht,
dadurch einen Bundesschatz zu schaffen—, dein Reichstag werden nur die Ver¬
rechnungen zur Einsicht vorgelegt.

Diese ungleichmäßige Beschränkung des Budgetrechls ist aber im Grunde
nur Consequenz der gesammten Bundesverfassung, welche dem Reichstage eine
nicht Verantwortliche Autorität, das Bundcspicisidium, in einem Beamten des¬
selben, dem Bundeskanzler, gegenüberstellt. Der neue Bund ist, wie der fiühere,
eine Bereinigung souveräner Staaten, welche durch Bertrag auf einen Theil
ihrer Rechte zu Gunsten des Ganzen und der Krone Preußen verzichtet haben,
die Staaten senden Delegirte in einen Bundesrath und haben nach der Ein¬
wohnerzahl ihres Territoriums bei Abstimmungen eine normirte Stimmenzahl.
Aus diesem Bundesrathe werden sieben ständige Conunissivncn gebildet für die
Einzelinteressen, welche in die Competenz des Bundes falle»! mit ti.eher Com¬
missionen besorgt der Bundeskanzler die Geschäfte, durch sie communicirt er mit
den einzelnen Regierungen. Während aber die Commissionen des Bundesraths
die ersten Ansähe zu einem Reichsministerium darstellen, ist andererseits das
Plenum des Bundesrathes als eine Art Staatenhaus auch ein Factor der
Gesetzgebung. Unter der ungleichen Behandlung, welche die einzelnen Artikel
des Berfassungscutwurfes erhalten habe», ist dieser Theil der Bundesverfassung
als ein geistvoller Versuch, cvmplicüte Interessen auszugleichen, besonders inter¬
essant. Grade das Unbestimmte und Unfertige darin ist vielleicht ein Borzug,
denn es liegt in den Commissionen des Bundesralhs allerdings der Keim zu
den wichtigsten Neubildungen, welche unter gewissen Eventualitäten den Schwer¬
punkt der Verwaltung ans einzelnen Ministerien Preußens in den Bundesrath
legen könnten.

Dem Reichstage aber, welcher jetzt zusammentult, wird eine weit andere
Aufgabe gestellt: er soll den Regierungen bestätigen, daß jährlich mehr als
secbzigMillionenThaler für dasBundcsheer von dem Bundespräsidium selbst, oder,
wie in Sachsen, mit Genehmigung desselben, ohne jede parlamentarische Ber-



') Die Annahme einiger Zeitungen i daß diese Entziehung nur auf zehn Jahre gelten
solle, ist grundlos.
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[0333] seines Ursprungs, als ein Compromiß zwischen einzelnen Persönlichkeiten. Er gewährt für Telegraphen und Posten dem jlieicbstage das Mitbewilligungsrecht in der Art, das; in jeder Legislaturperiode von je drei Jahren ein Etat vereinbart werden soll. Der Marincetat soll ebenfalls, aber anders, mit dem Reichstage ver¬ einbart werden, wie? ist nicbt gesagt. Der Etat des gesammten Bundeshceres ist der Competenz des Reichstages gänzlich und für immer entzogen,*) der Kosten¬ betrag ist nach der Kopfzahl des stehenden Heeres normirt. Als Einnahme¬ quellen find der Bundeskasse die Bcreinszölle und großen Verbrauchssteuern zu¬ gewiesen, der Mehrbedarf soll den einzelnen Bundesstaaten aufgelegt werden, etwaige Ersparnisse bleiben in der Bundeskasse — wahrscheinlich ist die Absicht, dadurch einen Bundesschatz zu schaffen—, dein Reichstag werden nur die Ver¬ rechnungen zur Einsicht vorgelegt. Diese ungleichmäßige Beschränkung des Budgetrechls ist aber im Grunde nur Consequenz der gesammten Bundesverfassung, welche dem Reichstage eine nicht Verantwortliche Autorität, das Bundcspicisidium, in einem Beamten des¬ selben, dem Bundeskanzler, gegenüberstellt. Der neue Bund ist, wie der fiühere, eine Bereinigung souveräner Staaten, welche durch Bertrag auf einen Theil ihrer Rechte zu Gunsten des Ganzen und der Krone Preußen verzichtet haben, die Staaten senden Delegirte in einen Bundesrath und haben nach der Ein¬ wohnerzahl ihres Territoriums bei Abstimmungen eine normirte Stimmenzahl. Aus diesem Bundesrathe werden sieben ständige Conunissivncn gebildet für die Einzelinteressen, welche in die Competenz des Bundes falle»! mit ti.eher Com¬ missionen besorgt der Bundeskanzler die Geschäfte, durch sie communicirt er mit den einzelnen Regierungen. Während aber die Commissionen des Bundesraths die ersten Ansähe zu einem Reichsministerium darstellen, ist andererseits das Plenum des Bundesrathes als eine Art Staatenhaus auch ein Factor der Gesetzgebung. Unter der ungleichen Behandlung, welche die einzelnen Artikel des Berfassungscutwurfes erhalten habe», ist dieser Theil der Bundesverfassung als ein geistvoller Versuch, cvmplicüte Interessen auszugleichen, besonders inter¬ essant. Grade das Unbestimmte und Unfertige darin ist vielleicht ein Borzug, denn es liegt in den Commissionen des Bundesralhs allerdings der Keim zu den wichtigsten Neubildungen, welche unter gewissen Eventualitäten den Schwer¬ punkt der Verwaltung ans einzelnen Ministerien Preußens in den Bundesrath legen könnten. Dem Reichstage aber, welcher jetzt zusammentult, wird eine weit andere Aufgabe gestellt: er soll den Regierungen bestätigen, daß jährlich mehr als secbzigMillionenThaler für dasBundcsheer von dem Bundespräsidium selbst, oder, wie in Sachsen, mit Genehmigung desselben, ohne jede parlamentarische Ber- ') Die Annahme einiger Zeitungen i daß diese Entziehung nur auf zehn Jahre gelten solle, ist grundlos. 41*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/333>, abgerufen am 24.07.2024.