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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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doch die Kräfte der Partei für einen ihr als solcher ferner liegenden Zweck ein¬
setze, und auf der Versammlung in Ulm war es allerdings unverkennbar, wie
nach den Reden Hölders. Römers, Volks über die deutsche Frage nicht mehr
dieselbe Aufmerksamkeit für den zweiten Gegenstand der Tagesordnung, die
würtenbergische Verfassungsfrage, zu finden war. Das war ein sehr lehrreicher
und willkommener Fingerzeig für die deutsche Partei. Es konnte ihr im Grunde
nur angenehm sein, daß ihr die Agitation für jenes Gesetz von der Volkspartei
abgenommen wurde. Diese war so aufs angemessenste beschäftigt, während die
wachsende Ueberzeugung, daß nur im Anschluß an Preußen die Zukunft Deutsch¬
lands liege, durch nichts aufgehalten wurde.

Wie sehr man sich bereits in dem Gedanken resignirt hat, daß unsere
Interessen nach Norden gravitiren und folglich auch dort entschieden werden, wo
bereits eine staatliche und volkswirthschaftliche Einheit von dreißig Millionen
Deutscher besteht, zeigte sich ausfällig an der Frage des Salzmonopols. Als
zuerst die Kunde von der bevorstehenden Reform verlautete, regte sich wohl
einiger Lärm in der preußenfeindlichen Presse, aber er verstummte bald völlig.
Von Moritz Mohl, hieß es. solle eine vernichtende Denkschrift erscheinen, aber
man darf annehmen, daß das gründliche Elaborat wiederum erst dann das Licht
der Welt erblicken wird, wenn die ganze Frage längst erledigt ist. Die Regie¬
rung hatte, wie dies üblich ist, die Handelskammern zum Bericht aufgefordert,
aber sie drang auf schleunigste Erledigung und gab zu verstehen, daß sie nicht
mit Einwendungen behelligt sein wolle, die voraussichtlich ohne Erfolg wären.
Mit völliger Gleichgiltigkeit ergab man sich in das unabwendbare Schicksal, ob¬
wohl es noch keineswegs feststeht, ob nicht die Staatskasse einen Ausfall und der
Salzpreis einige Erhöhung erleiden wird. Aber diese Gleichgiltigkeit wird mit
der Zeit nothwendig einer ganz anderen Stimmung Platz machen. -Wiederholen
sich solche Vorgänge, so wird man den Zustand, der die Folge der halbjährlichen
Kündigungsfrist des Zollvereins ist, immer unerträglicher finden. Er ist un¬
erträglich für die Regierungen, mehr noch für die Bevölkerungen. Immer nur
nachträglich Ja sagen zu müssen zu dem, was der norddeutsche Bundesstaat
über unsere Interessen beschließt, ist eine Lage, die nur einen Wunsch und Aus¬
weg übrigläßt: politische Vereinigung. Ist erst der Organismus des nord¬
deutschen Bundes in seinem regelmäßigen Gange, sehen wir die Factoren der
Bundesgesctzgebung an der Arbeit, die Unification auf dem Gebiete der Vcr-
kchrsinteressen zu vollenden, und ungehemmt durch ein lidorum veto wider¬
strebender Souveränetäten die Wege des wirthschaftlichen Fortschritts einschlagen,
sind wir Zeugen parlamentarischer Debatten, in welchen unsere Interessen mit
berathen und entschieden werden, so kann es ja nicht ausbleiben, daß die hart¬
näckigsten Antipathien dem Verlangen weichen, da , wo die gemeinsamen deutschen
Angelegenheiten verhandelt werden, gleichfalls Sitz und Stimme zu erhalten.


doch die Kräfte der Partei für einen ihr als solcher ferner liegenden Zweck ein¬
setze, und auf der Versammlung in Ulm war es allerdings unverkennbar, wie
nach den Reden Hölders. Römers, Volks über die deutsche Frage nicht mehr
dieselbe Aufmerksamkeit für den zweiten Gegenstand der Tagesordnung, die
würtenbergische Verfassungsfrage, zu finden war. Das war ein sehr lehrreicher
und willkommener Fingerzeig für die deutsche Partei. Es konnte ihr im Grunde
nur angenehm sein, daß ihr die Agitation für jenes Gesetz von der Volkspartei
abgenommen wurde. Diese war so aufs angemessenste beschäftigt, während die
wachsende Ueberzeugung, daß nur im Anschluß an Preußen die Zukunft Deutsch¬
lands liege, durch nichts aufgehalten wurde.

Wie sehr man sich bereits in dem Gedanken resignirt hat, daß unsere
Interessen nach Norden gravitiren und folglich auch dort entschieden werden, wo
bereits eine staatliche und volkswirthschaftliche Einheit von dreißig Millionen
Deutscher besteht, zeigte sich ausfällig an der Frage des Salzmonopols. Als
zuerst die Kunde von der bevorstehenden Reform verlautete, regte sich wohl
einiger Lärm in der preußenfeindlichen Presse, aber er verstummte bald völlig.
Von Moritz Mohl, hieß es. solle eine vernichtende Denkschrift erscheinen, aber
man darf annehmen, daß das gründliche Elaborat wiederum erst dann das Licht
der Welt erblicken wird, wenn die ganze Frage längst erledigt ist. Die Regie¬
rung hatte, wie dies üblich ist, die Handelskammern zum Bericht aufgefordert,
aber sie drang auf schleunigste Erledigung und gab zu verstehen, daß sie nicht
mit Einwendungen behelligt sein wolle, die voraussichtlich ohne Erfolg wären.
Mit völliger Gleichgiltigkeit ergab man sich in das unabwendbare Schicksal, ob¬
wohl es noch keineswegs feststeht, ob nicht die Staatskasse einen Ausfall und der
Salzpreis einige Erhöhung erleiden wird. Aber diese Gleichgiltigkeit wird mit
der Zeit nothwendig einer ganz anderen Stimmung Platz machen. -Wiederholen
sich solche Vorgänge, so wird man den Zustand, der die Folge der halbjährlichen
Kündigungsfrist des Zollvereins ist, immer unerträglicher finden. Er ist un¬
erträglich für die Regierungen, mehr noch für die Bevölkerungen. Immer nur
nachträglich Ja sagen zu müssen zu dem, was der norddeutsche Bundesstaat
über unsere Interessen beschließt, ist eine Lage, die nur einen Wunsch und Aus¬
weg übrigläßt: politische Vereinigung. Ist erst der Organismus des nord¬
deutschen Bundes in seinem regelmäßigen Gange, sehen wir die Factoren der
Bundesgesctzgebung an der Arbeit, die Unification auf dem Gebiete der Vcr-
kchrsinteressen zu vollenden, und ungehemmt durch ein lidorum veto wider¬
strebender Souveränetäten die Wege des wirthschaftlichen Fortschritts einschlagen,
sind wir Zeugen parlamentarischer Debatten, in welchen unsere Interessen mit
berathen und entschieden werden, so kann es ja nicht ausbleiben, daß die hart¬
näckigsten Antipathien dem Verlangen weichen, da , wo die gemeinsamen deutschen
Angelegenheiten verhandelt werden, gleichfalls Sitz und Stimme zu erhalten.


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[0326] doch die Kräfte der Partei für einen ihr als solcher ferner liegenden Zweck ein¬ setze, und auf der Versammlung in Ulm war es allerdings unverkennbar, wie nach den Reden Hölders. Römers, Volks über die deutsche Frage nicht mehr dieselbe Aufmerksamkeit für den zweiten Gegenstand der Tagesordnung, die würtenbergische Verfassungsfrage, zu finden war. Das war ein sehr lehrreicher und willkommener Fingerzeig für die deutsche Partei. Es konnte ihr im Grunde nur angenehm sein, daß ihr die Agitation für jenes Gesetz von der Volkspartei abgenommen wurde. Diese war so aufs angemessenste beschäftigt, während die wachsende Ueberzeugung, daß nur im Anschluß an Preußen die Zukunft Deutsch¬ lands liege, durch nichts aufgehalten wurde. Wie sehr man sich bereits in dem Gedanken resignirt hat, daß unsere Interessen nach Norden gravitiren und folglich auch dort entschieden werden, wo bereits eine staatliche und volkswirthschaftliche Einheit von dreißig Millionen Deutscher besteht, zeigte sich ausfällig an der Frage des Salzmonopols. Als zuerst die Kunde von der bevorstehenden Reform verlautete, regte sich wohl einiger Lärm in der preußenfeindlichen Presse, aber er verstummte bald völlig. Von Moritz Mohl, hieß es. solle eine vernichtende Denkschrift erscheinen, aber man darf annehmen, daß das gründliche Elaborat wiederum erst dann das Licht der Welt erblicken wird, wenn die ganze Frage längst erledigt ist. Die Regie¬ rung hatte, wie dies üblich ist, die Handelskammern zum Bericht aufgefordert, aber sie drang auf schleunigste Erledigung und gab zu verstehen, daß sie nicht mit Einwendungen behelligt sein wolle, die voraussichtlich ohne Erfolg wären. Mit völliger Gleichgiltigkeit ergab man sich in das unabwendbare Schicksal, ob¬ wohl es noch keineswegs feststeht, ob nicht die Staatskasse einen Ausfall und der Salzpreis einige Erhöhung erleiden wird. Aber diese Gleichgiltigkeit wird mit der Zeit nothwendig einer ganz anderen Stimmung Platz machen. -Wiederholen sich solche Vorgänge, so wird man den Zustand, der die Folge der halbjährlichen Kündigungsfrist des Zollvereins ist, immer unerträglicher finden. Er ist un¬ erträglich für die Regierungen, mehr noch für die Bevölkerungen. Immer nur nachträglich Ja sagen zu müssen zu dem, was der norddeutsche Bundesstaat über unsere Interessen beschließt, ist eine Lage, die nur einen Wunsch und Aus¬ weg übrigläßt: politische Vereinigung. Ist erst der Organismus des nord¬ deutschen Bundes in seinem regelmäßigen Gange, sehen wir die Factoren der Bundesgesctzgebung an der Arbeit, die Unification auf dem Gebiete der Vcr- kchrsinteressen zu vollenden, und ungehemmt durch ein lidorum veto wider¬ strebender Souveränetäten die Wege des wirthschaftlichen Fortschritts einschlagen, sind wir Zeugen parlamentarischer Debatten, in welchen unsere Interessen mit berathen und entschieden werden, so kann es ja nicht ausbleiben, daß die hart¬ näckigsten Antipathien dem Verlangen weichen, da , wo die gemeinsamen deutschen Angelegenheiten verhandelt werden, gleichfalls Sitz und Stimme zu erhalten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/326>, abgerufen am 30.06.2024.