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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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sich sonst nie dem Volke zu Fuße zeigen darf, am Tage seiner Thronbc^eigung
nack der feierlichen Ceremonie der Scbwertumgürtung, Siehätten ist, das Pferd
welches die Sultanin Mutter trägt, die sich da allein vor dem Volke unver-
schleiert sehen läßt, am Zügel zu führen, d. h. sich an diesem höchsten Ehrentage
vor aller Welt vor seiner Mutter zu demüthigen. Und daß, was in Konstanti¬
nopel niemand bezweifelt, auch Treue in den Harems zu finden ist, zeigt unter
anderm das Beispiel der zuvor erwähnten Schwester des Sultans, die, als ihr
Gemahl in Ungnade gefallen und verbannt worden war, sofort zu ihrem
Bruder eilte, und. da ihr die Audienz abgeschlagen wurde, ihm Juwelen und
Kronschmnck mit der Erklärung zurücksandte, sie werde dein Pascha in das Exil
folgen.

Es soll kein Attentat gegen die Galanterie sein, wenn wir hierbei auch der
Sklaven erwähnen. Die Stellung der Hörigen in der Türkei ist heute weit
milder als die der Leibeigenen in Rußland bis auf die neueste Zeit war und
gar nicht zu vergleichen mit der Sklaverei der civilisirten Europäer in Süd¬
amerika, Ein öffentlicher Sklavenmarkt in Konstantinopel existirt nicht mehr.
Der Platz, der diesen Namen heute noch führt, trägt ihn nur als historische
Reminiscenz. Wo Handel wirklich vorkommt, wird er heimlich in den Cafes
betrieben; die Waare wird nicht ausgestellt, sondern bis zum geschehenen Kauf
sorgfältig verborgen gehalten. Denn der Sklavenhandel ist seit dem Jahre 18V4
auf Andringen des englischen Gesandten Lord Stratford durch ein Gesetz förm¬
lich verboten, ein Schritt, dem die öffentliche Moral entschiede" vorgearbeitet
hatte. Was nun doch heimlich zu Markt gebracht wird, sind fast ausschließlich
Tscherkcssenkindcr aus dem Kaukasus, die sie bringen, die eigenen Väter, was
sie aber dazu treibt, meist Noth und Armuth. Wie die Schweiz und Savoyen
von jeher ihre Jugend der Armuth und Übervölkerung halber ins Ausland
geschickt haben, damit sie dort ihr Brod finden. -- wie die Armenier aus ihrem
armen, rauhen Bergland zu Tausenden nach Konstantinopel kommen und dort
Dienste nehmen, so wählt der uncivilisirte Tschcrkessc dies unnatürlichere
Mittel, wie er meint, zum Heil und als beste Versorgung der Kinder. Und
wenn man siebt, welches Pietätsverhältniß zwischen den Sklaven und ihren
Herren in der Regel besteht, wie väterlich und mütterlich diese sich ihres
Eigenthums annehmen, für ihre Erziehung und Wohlfahrt, später für ihre
Verheirathung und Ausbildung, ganz wie für die eigenen Kinder, endlich
für die Freilassung Sorge tragen, so weiß man nicht, oh nicht wirklich die
Kinder bei diesen Adoptivältcrn besser aufgehoben sind als bei den natürlichen.
Fuad Pascha hatte eine Sklavin an seinen Sohn verheirathet, eine andere
"doptirt; eine dritte zehnjährige noch nicht. Als er gefragt wurde, ob er nicht
"und diese adoptiren werde, meinte er sehr bezeichnend für die ganze Auffassung
dieses Verhältnisses! "Nein, das Mädchen wird schön genug, einmal eine große


sich sonst nie dem Volke zu Fuße zeigen darf, am Tage seiner Thronbc^eigung
nack der feierlichen Ceremonie der Scbwertumgürtung, Siehätten ist, das Pferd
welches die Sultanin Mutter trägt, die sich da allein vor dem Volke unver-
schleiert sehen läßt, am Zügel zu führen, d. h. sich an diesem höchsten Ehrentage
vor aller Welt vor seiner Mutter zu demüthigen. Und daß, was in Konstanti¬
nopel niemand bezweifelt, auch Treue in den Harems zu finden ist, zeigt unter
anderm das Beispiel der zuvor erwähnten Schwester des Sultans, die, als ihr
Gemahl in Ungnade gefallen und verbannt worden war, sofort zu ihrem
Bruder eilte, und. da ihr die Audienz abgeschlagen wurde, ihm Juwelen und
Kronschmnck mit der Erklärung zurücksandte, sie werde dein Pascha in das Exil
folgen.

Es soll kein Attentat gegen die Galanterie sein, wenn wir hierbei auch der
Sklaven erwähnen. Die Stellung der Hörigen in der Türkei ist heute weit
milder als die der Leibeigenen in Rußland bis auf die neueste Zeit war und
gar nicht zu vergleichen mit der Sklaverei der civilisirten Europäer in Süd¬
amerika, Ein öffentlicher Sklavenmarkt in Konstantinopel existirt nicht mehr.
Der Platz, der diesen Namen heute noch führt, trägt ihn nur als historische
Reminiscenz. Wo Handel wirklich vorkommt, wird er heimlich in den Cafes
betrieben; die Waare wird nicht ausgestellt, sondern bis zum geschehenen Kauf
sorgfältig verborgen gehalten. Denn der Sklavenhandel ist seit dem Jahre 18V4
auf Andringen des englischen Gesandten Lord Stratford durch ein Gesetz förm¬
lich verboten, ein Schritt, dem die öffentliche Moral entschiede» vorgearbeitet
hatte. Was nun doch heimlich zu Markt gebracht wird, sind fast ausschließlich
Tscherkcssenkindcr aus dem Kaukasus, die sie bringen, die eigenen Väter, was
sie aber dazu treibt, meist Noth und Armuth. Wie die Schweiz und Savoyen
von jeher ihre Jugend der Armuth und Übervölkerung halber ins Ausland
geschickt haben, damit sie dort ihr Brod finden. — wie die Armenier aus ihrem
armen, rauhen Bergland zu Tausenden nach Konstantinopel kommen und dort
Dienste nehmen, so wählt der uncivilisirte Tschcrkessc dies unnatürlichere
Mittel, wie er meint, zum Heil und als beste Versorgung der Kinder. Und
wenn man siebt, welches Pietätsverhältniß zwischen den Sklaven und ihren
Herren in der Regel besteht, wie väterlich und mütterlich diese sich ihres
Eigenthums annehmen, für ihre Erziehung und Wohlfahrt, später für ihre
Verheirathung und Ausbildung, ganz wie für die eigenen Kinder, endlich
für die Freilassung Sorge tragen, so weiß man nicht, oh nicht wirklich die
Kinder bei diesen Adoptivältcrn besser aufgehoben sind als bei den natürlichen.
Fuad Pascha hatte eine Sklavin an seinen Sohn verheirathet, eine andere
"doptirt; eine dritte zehnjährige noch nicht. Als er gefragt wurde, ob er nicht
"und diese adoptiren werde, meinte er sehr bezeichnend für die ganze Auffassung
dieses Verhältnisses! „Nein, das Mädchen wird schön genug, einmal eine große


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[0305] sich sonst nie dem Volke zu Fuße zeigen darf, am Tage seiner Thronbc^eigung nack der feierlichen Ceremonie der Scbwertumgürtung, Siehätten ist, das Pferd welches die Sultanin Mutter trägt, die sich da allein vor dem Volke unver- schleiert sehen läßt, am Zügel zu führen, d. h. sich an diesem höchsten Ehrentage vor aller Welt vor seiner Mutter zu demüthigen. Und daß, was in Konstanti¬ nopel niemand bezweifelt, auch Treue in den Harems zu finden ist, zeigt unter anderm das Beispiel der zuvor erwähnten Schwester des Sultans, die, als ihr Gemahl in Ungnade gefallen und verbannt worden war, sofort zu ihrem Bruder eilte, und. da ihr die Audienz abgeschlagen wurde, ihm Juwelen und Kronschmnck mit der Erklärung zurücksandte, sie werde dein Pascha in das Exil folgen. Es soll kein Attentat gegen die Galanterie sein, wenn wir hierbei auch der Sklaven erwähnen. Die Stellung der Hörigen in der Türkei ist heute weit milder als die der Leibeigenen in Rußland bis auf die neueste Zeit war und gar nicht zu vergleichen mit der Sklaverei der civilisirten Europäer in Süd¬ amerika, Ein öffentlicher Sklavenmarkt in Konstantinopel existirt nicht mehr. Der Platz, der diesen Namen heute noch führt, trägt ihn nur als historische Reminiscenz. Wo Handel wirklich vorkommt, wird er heimlich in den Cafes betrieben; die Waare wird nicht ausgestellt, sondern bis zum geschehenen Kauf sorgfältig verborgen gehalten. Denn der Sklavenhandel ist seit dem Jahre 18V4 auf Andringen des englischen Gesandten Lord Stratford durch ein Gesetz förm¬ lich verboten, ein Schritt, dem die öffentliche Moral entschiede» vorgearbeitet hatte. Was nun doch heimlich zu Markt gebracht wird, sind fast ausschließlich Tscherkcssenkindcr aus dem Kaukasus, die sie bringen, die eigenen Väter, was sie aber dazu treibt, meist Noth und Armuth. Wie die Schweiz und Savoyen von jeher ihre Jugend der Armuth und Übervölkerung halber ins Ausland geschickt haben, damit sie dort ihr Brod finden. — wie die Armenier aus ihrem armen, rauhen Bergland zu Tausenden nach Konstantinopel kommen und dort Dienste nehmen, so wählt der uncivilisirte Tschcrkessc dies unnatürlichere Mittel, wie er meint, zum Heil und als beste Versorgung der Kinder. Und wenn man siebt, welches Pietätsverhältniß zwischen den Sklaven und ihren Herren in der Regel besteht, wie väterlich und mütterlich diese sich ihres Eigenthums annehmen, für ihre Erziehung und Wohlfahrt, später für ihre Verheirathung und Ausbildung, ganz wie für die eigenen Kinder, endlich für die Freilassung Sorge tragen, so weiß man nicht, oh nicht wirklich die Kinder bei diesen Adoptivältcrn besser aufgehoben sind als bei den natürlichen. Fuad Pascha hatte eine Sklavin an seinen Sohn verheirathet, eine andere "doptirt; eine dritte zehnjährige noch nicht. Als er gefragt wurde, ob er nicht "und diese adoptiren werde, meinte er sehr bezeichnend für die ganze Auffassung dieses Verhältnisses! „Nein, das Mädchen wird schön genug, einmal eine große

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/305>, abgerufen am 22.12.2024.