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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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numerisch erweitert, dK' Bestechung zunehmen, während man dem jetzigen Wähler,
der iO Pfund Sterling Miethzins zahlt, für seine Stimme vielleicht 2--3 Pfund
Sterling in einer "der der andern Form giebt, wird man, falls allgemeines
Stimmrecht herrscht, Wähler haufenweise für Sixpence oder ein Glas Bier
kaufen können. Die Bestechlichkeit ist in den untern Classen eben allgemein,
schon der kleine Handwerker interessirt sich, wo es sich nicht ausnahmsweise um
eine große nationale Frage handelt, absolut nicht für Politik, die Angelegen¬
heiten des Kirchspiels, seines und andrer Gewerbe finden bei ihm offnes Ohr,
meist auch religiöse Dinge, aber das Wahlrecht ist ihm an sich so gleichgültig,
wie irgendeine philosophische Speculation und macht man ihm ein Geschenk
damit, so verwerthet er es bestmöglichst, indem er es verkauft. Die Protokolle
der Commissionen in Besiechungsfällc" zeigen fortwährend die naivsten Geständ¬
nisse von Leuten. welche es gar nicht begreifen können, das! es unrecht sein
solle, ihre Stimme, die doch ihr Eigenthum sei. so gut wie ihr Pferd zu ver¬
kaufen.

Diese politische Gleichgültigkeit der unteren Classen und ihre Folgen' ist
nun auch Bright nicht entgangen und er hat das Interesse zu wecken gesucht
durch die socialen Ziele, welche die Reform des Unterhauses verwirklichen sollen,
er will vor allem den großen Grundbesitz, welcher der Aristokratie Einfluß giebt,
brechen, einer seiner Anhänger im Parlament sagte uus offen! ,,^Ve kchg.II novvr
Me ü. Aponi g'ovvi'irmvirt, uirlvss riä ok tlrvsk infernal 1n.rAg estates,"
England soll demokratisirt werden, indem diese großen- Güter in kleine zertheilt
werden. Indeß abgesehen davon, daß, wenn dieser Plan im ganzen Königreiche
verwirklicht wäre, doch nur ein verschwindend geringer Theil der jetzigen Nicht-
besitzer zu Besitzern gemacht werden könnte, so leuchtet es ein, daß die Bcrwirk-
lichnng allein durch eine gewaltsame socialistische Nevvlntio" möglich wird. In
England bestehen bekanntlich keine Majorate oder Fideicommisse. sondern nur
Substitutionen auf höchstens drei Generationen und blos bei Instetaterbfolge
gilt die gesetzliche Präsumtion für die Erstgeburt, man müßte also nicht nur
letztere, sondern auch die Freiheit lctzwilligcr Berfügnng abschaffen und gesetzlich
zwangsweise Theilung des Grundbesitzes einführen. Bright würde nun davor
wahrscheinlich nicht zurückschrecken, sondern nach seiner letzten Rede in Irland
noch ganz anders in das Bestehende eingreifen wollen. Dort hat er nämlich vor¬
geschlagen, die Regierung solle Besitzungen aufkaufen, zerstückeln und an kleine
Leute verkaufen, während grade die Sitte des MvvIKmÄ, der Zerstückelung der
Pachtungen, das Unglück Irlands ist. Er würde daher auch gewiß gern zu
ähnlichen svcivvillA mvasurvt; in England greifen, wenn es nicht gänzlich außer
dem Bereich der Möglichkeit läge, sie durchzusetzen; glücklicherweise ist gar keine
Chance für solche socialistische Experimente und die ungeheure Majorität aller
Engländer würde schon die Aufhebung der Testirsreiheit oder auch nur die Ein-


numerisch erweitert, dK' Bestechung zunehmen, während man dem jetzigen Wähler,
der iO Pfund Sterling Miethzins zahlt, für seine Stimme vielleicht 2—3 Pfund
Sterling in einer »der der andern Form giebt, wird man, falls allgemeines
Stimmrecht herrscht, Wähler haufenweise für Sixpence oder ein Glas Bier
kaufen können. Die Bestechlichkeit ist in den untern Classen eben allgemein,
schon der kleine Handwerker interessirt sich, wo es sich nicht ausnahmsweise um
eine große nationale Frage handelt, absolut nicht für Politik, die Angelegen¬
heiten des Kirchspiels, seines und andrer Gewerbe finden bei ihm offnes Ohr,
meist auch religiöse Dinge, aber das Wahlrecht ist ihm an sich so gleichgültig,
wie irgendeine philosophische Speculation und macht man ihm ein Geschenk
damit, so verwerthet er es bestmöglichst, indem er es verkauft. Die Protokolle
der Commissionen in Besiechungsfällc» zeigen fortwährend die naivsten Geständ¬
nisse von Leuten. welche es gar nicht begreifen können, das! es unrecht sein
solle, ihre Stimme, die doch ihr Eigenthum sei. so gut wie ihr Pferd zu ver¬
kaufen.

Diese politische Gleichgültigkeit der unteren Classen und ihre Folgen' ist
nun auch Bright nicht entgangen und er hat das Interesse zu wecken gesucht
durch die socialen Ziele, welche die Reform des Unterhauses verwirklichen sollen,
er will vor allem den großen Grundbesitz, welcher der Aristokratie Einfluß giebt,
brechen, einer seiner Anhänger im Parlament sagte uus offen! ,,^Ve kchg.II novvr
Me ü. Aponi g'ovvi'irmvirt, uirlvss riä ok tlrvsk infernal 1n.rAg estates,"
England soll demokratisirt werden, indem diese großen- Güter in kleine zertheilt
werden. Indeß abgesehen davon, daß, wenn dieser Plan im ganzen Königreiche
verwirklicht wäre, doch nur ein verschwindend geringer Theil der jetzigen Nicht-
besitzer zu Besitzern gemacht werden könnte, so leuchtet es ein, daß die Bcrwirk-
lichnng allein durch eine gewaltsame socialistische Nevvlntio» möglich wird. In
England bestehen bekanntlich keine Majorate oder Fideicommisse. sondern nur
Substitutionen auf höchstens drei Generationen und blos bei Instetaterbfolge
gilt die gesetzliche Präsumtion für die Erstgeburt, man müßte also nicht nur
letztere, sondern auch die Freiheit lctzwilligcr Berfügnng abschaffen und gesetzlich
zwangsweise Theilung des Grundbesitzes einführen. Bright würde nun davor
wahrscheinlich nicht zurückschrecken, sondern nach seiner letzten Rede in Irland
noch ganz anders in das Bestehende eingreifen wollen. Dort hat er nämlich vor¬
geschlagen, die Regierung solle Besitzungen aufkaufen, zerstückeln und an kleine
Leute verkaufen, während grade die Sitte des MvvIKmÄ, der Zerstückelung der
Pachtungen, das Unglück Irlands ist. Er würde daher auch gewiß gern zu
ähnlichen svcivvillA mvasurvt; in England greifen, wenn es nicht gänzlich außer
dem Bereich der Möglichkeit läge, sie durchzusetzen; glücklicherweise ist gar keine
Chance für solche socialistische Experimente und die ungeheure Majorität aller
Engländer würde schon die Aufhebung der Testirsreiheit oder auch nur die Ein-


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[0297] numerisch erweitert, dK' Bestechung zunehmen, während man dem jetzigen Wähler, der iO Pfund Sterling Miethzins zahlt, für seine Stimme vielleicht 2—3 Pfund Sterling in einer »der der andern Form giebt, wird man, falls allgemeines Stimmrecht herrscht, Wähler haufenweise für Sixpence oder ein Glas Bier kaufen können. Die Bestechlichkeit ist in den untern Classen eben allgemein, schon der kleine Handwerker interessirt sich, wo es sich nicht ausnahmsweise um eine große nationale Frage handelt, absolut nicht für Politik, die Angelegen¬ heiten des Kirchspiels, seines und andrer Gewerbe finden bei ihm offnes Ohr, meist auch religiöse Dinge, aber das Wahlrecht ist ihm an sich so gleichgültig, wie irgendeine philosophische Speculation und macht man ihm ein Geschenk damit, so verwerthet er es bestmöglichst, indem er es verkauft. Die Protokolle der Commissionen in Besiechungsfällc» zeigen fortwährend die naivsten Geständ¬ nisse von Leuten. welche es gar nicht begreifen können, das! es unrecht sein solle, ihre Stimme, die doch ihr Eigenthum sei. so gut wie ihr Pferd zu ver¬ kaufen. Diese politische Gleichgültigkeit der unteren Classen und ihre Folgen' ist nun auch Bright nicht entgangen und er hat das Interesse zu wecken gesucht durch die socialen Ziele, welche die Reform des Unterhauses verwirklichen sollen, er will vor allem den großen Grundbesitz, welcher der Aristokratie Einfluß giebt, brechen, einer seiner Anhänger im Parlament sagte uus offen! ,,^Ve kchg.II novvr Me ü. Aponi g'ovvi'irmvirt, uirlvss riä ok tlrvsk infernal 1n.rAg estates," England soll demokratisirt werden, indem diese großen- Güter in kleine zertheilt werden. Indeß abgesehen davon, daß, wenn dieser Plan im ganzen Königreiche verwirklicht wäre, doch nur ein verschwindend geringer Theil der jetzigen Nicht- besitzer zu Besitzern gemacht werden könnte, so leuchtet es ein, daß die Bcrwirk- lichnng allein durch eine gewaltsame socialistische Nevvlntio» möglich wird. In England bestehen bekanntlich keine Majorate oder Fideicommisse. sondern nur Substitutionen auf höchstens drei Generationen und blos bei Instetaterbfolge gilt die gesetzliche Präsumtion für die Erstgeburt, man müßte also nicht nur letztere, sondern auch die Freiheit lctzwilligcr Berfügnng abschaffen und gesetzlich zwangsweise Theilung des Grundbesitzes einführen. Bright würde nun davor wahrscheinlich nicht zurückschrecken, sondern nach seiner letzten Rede in Irland noch ganz anders in das Bestehende eingreifen wollen. Dort hat er nämlich vor¬ geschlagen, die Regierung solle Besitzungen aufkaufen, zerstückeln und an kleine Leute verkaufen, während grade die Sitte des MvvIKmÄ, der Zerstückelung der Pachtungen, das Unglück Irlands ist. Er würde daher auch gewiß gern zu ähnlichen svcivvillA mvasurvt; in England greifen, wenn es nicht gänzlich außer dem Bereich der Möglichkeit läge, sie durchzusetzen; glücklicherweise ist gar keine Chance für solche socialistische Experimente und die ungeheure Majorität aller Engländer würde schon die Aufhebung der Testirsreiheit oder auch nur die Ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/297>, abgerufen am 02.07.2024.