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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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seiner Partei so g>oß. daß Bright sich ihm unterordnete so lange er lebte. Nach
seinem Tode aber, dem der Tod Palmerstons bald folgte, trat Bright als poli¬
tischer Agitator hervor. Der Grundzug seines Strebens ist ein glühender Haß
gegen die englische Aristokratie und eine ebenso ungemessene Bewunderung der
amerikanischen Institutionen, die er deshalb auf britischen Boden verpflanzen
will. Schon dies Ziel muß gegen die politische Einsicht des Mannes stark ein¬
nehmen; die Radicalen, welche nut ihm England ainerikanisiren wollen, über¬
sehen das entscheidende Moment, welches die Dcmvüatie in den Vereinigten
Staate" allein ermöglicht und berechtigt -- den Naum. I" einem Lande, das
noch Hunderttausende Morgen fruchtbare" Landes brach liege" hat, kann und
muß dem Individuum der unbeschränkteste Spielraum gegeben werden, mögen
die Regierenden noch so viele Fehler begehen, sie werben mehr als aufgewogen
durch die unerschöpflichen Hilfsquellen des Bodens an Korn, Holz und Mine¬
ralien; Amerika kennt noch keine sociale" Conflicte, weil jeder, der arbeiten will,
leicht eine selbständige und sogar freie Existenz findet. Erst wenn der ungeheure
Contuient einmal bevölkert fein wird, kann dort die Probe aufs Exempel der
Demokratie gemacht werde", da aber, wo wie in den großen Städten die
Handelsinteressen Massen auf einen Punkt zusammendrängen, sind die Ergeb¬
nisse demokratischer Regierung wahrlich "icht erbaulich, wie den" z. B. notorisch
die Verwaltung New-Uorks ein wahrer Sumpf von CorrupNvn ist. von dem
sich jeder anständige Man" fer" hält. Diesen Verhältnisse" gegciüiber nehme
man nun England, eins der dichtbevölkertsten Länder der Welt, wo jeder Zoll
Erde seinen Eigenthümer hat und die P>oductivn durch Kunst aufs äußerste
gesteigert ihn was würde tue Folge el"er Einführung demokratischer Institutionen,
namentlich des allgemeinen Stimnirechts sein? Zunächst nur eine Vermehrung
des aristokratischen Einflusses und zwar ans dem einfachen Munde, weil die
Constitution der Gesellschaft, welche jedesmal den Staat beherrscht, aristokratisch
ist. Der Grundbesitz ist einmal wesentlich in Händen großer Eigenthümer, welche
jetzt durch die von ihne" abhängigen Pächter maßgebend für die Grasschasts-
wahlen sind, in noch erhöhtem Grade aber würde dies der Fall sein, wenn
man allen ländlichen Arbeitern das Stimmrecht gäbe, denn diese sind noch zehn¬
mal mehr abhängig von ihrer Brodherrschaft und es gehört el" eigenthümlicher
Idealismus dazu zu glauben, daß sie gegen dieselbe stimmen würden auf die
Gefahr, ihren Erwerb zu verlieren. Nicht weniger gefügig würden sich die
Wähler der kleinern Flecken zeigen, welche ebenfalls überwiegend von den nach¬
barlichen große" Gruirdbesitzern abhängen, oder glaubt man, daß Gewcrbtreibende
sich um ihrer Principien willen dem Verlust der einträglichen Kundschaft von
Lord und Lady N. N. und aller die vo" ihnen abhängen aussetzen werden?
Es bleiben also für die Kandidaten der Demokratie wesentlich nur die großen
Städte und in diesen wird im Allgemeinen, je mehr man die Wählerschaft blos


seiner Partei so g>oß. daß Bright sich ihm unterordnete so lange er lebte. Nach
seinem Tode aber, dem der Tod Palmerstons bald folgte, trat Bright als poli¬
tischer Agitator hervor. Der Grundzug seines Strebens ist ein glühender Haß
gegen die englische Aristokratie und eine ebenso ungemessene Bewunderung der
amerikanischen Institutionen, die er deshalb auf britischen Boden verpflanzen
will. Schon dies Ziel muß gegen die politische Einsicht des Mannes stark ein¬
nehmen; die Radicalen, welche nut ihm England ainerikanisiren wollen, über¬
sehen das entscheidende Moment, welches die Dcmvüatie in den Vereinigten
Staate» allein ermöglicht und berechtigt — den Naum. I» einem Lande, das
noch Hunderttausende Morgen fruchtbare» Landes brach liege» hat, kann und
muß dem Individuum der unbeschränkteste Spielraum gegeben werden, mögen
die Regierenden noch so viele Fehler begehen, sie werben mehr als aufgewogen
durch die unerschöpflichen Hilfsquellen des Bodens an Korn, Holz und Mine¬
ralien; Amerika kennt noch keine sociale» Conflicte, weil jeder, der arbeiten will,
leicht eine selbständige und sogar freie Existenz findet. Erst wenn der ungeheure
Contuient einmal bevölkert fein wird, kann dort die Probe aufs Exempel der
Demokratie gemacht werde», da aber, wo wie in den großen Städten die
Handelsinteressen Massen auf einen Punkt zusammendrängen, sind die Ergeb¬
nisse demokratischer Regierung wahrlich »icht erbaulich, wie den» z. B. notorisch
die Verwaltung New-Uorks ein wahrer Sumpf von CorrupNvn ist. von dem
sich jeder anständige Man» fer» hält. Diesen Verhältnisse» gegciüiber nehme
man nun England, eins der dichtbevölkertsten Länder der Welt, wo jeder Zoll
Erde seinen Eigenthümer hat und die P>oductivn durch Kunst aufs äußerste
gesteigert ihn was würde tue Folge el»er Einführung demokratischer Institutionen,
namentlich des allgemeinen Stimnirechts sein? Zunächst nur eine Vermehrung
des aristokratischen Einflusses und zwar ans dem einfachen Munde, weil die
Constitution der Gesellschaft, welche jedesmal den Staat beherrscht, aristokratisch
ist. Der Grundbesitz ist einmal wesentlich in Händen großer Eigenthümer, welche
jetzt durch die von ihne» abhängigen Pächter maßgebend für die Grasschasts-
wahlen sind, in noch erhöhtem Grade aber würde dies der Fall sein, wenn
man allen ländlichen Arbeitern das Stimmrecht gäbe, denn diese sind noch zehn¬
mal mehr abhängig von ihrer Brodherrschaft und es gehört el» eigenthümlicher
Idealismus dazu zu glauben, daß sie gegen dieselbe stimmen würden auf die
Gefahr, ihren Erwerb zu verlieren. Nicht weniger gefügig würden sich die
Wähler der kleinern Flecken zeigen, welche ebenfalls überwiegend von den nach¬
barlichen große» Gruirdbesitzern abhängen, oder glaubt man, daß Gewcrbtreibende
sich um ihrer Principien willen dem Verlust der einträglichen Kundschaft von
Lord und Lady N. N. und aller die vo» ihnen abhängen aussetzen werden?
Es bleiben also für die Kandidaten der Demokratie wesentlich nur die großen
Städte und in diesen wird im Allgemeinen, je mehr man die Wählerschaft blos


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/296>, abgerufen am 30.06.2024.