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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Wanderer durch das, was sie mitnehme", sowohl .in fahrender Habe, als an
entwickelter Arbeitskraft jahraus jahrein verursachen.

Es erhellt ohne weiteren Nachweis, daß eine strenge und unbedingte Durch¬
führung der allgemeinen Wehrpflicht in ihren späteren Stadien hier gradezu
zerstörend Wirten würde. An eine Rückkehr zu den Reserve- und Landwehr-
übungen oder zu einer Mobilmachung ist selbst aus New-Dort oder Havana
nicht zu denken, geschweige denn aus Valparaiso, Melbourne oder Schanghai.
Der junge Geschäftsmann also, der vor dem bezeichneten Entschlüsse steht, hätte
dann zu wählen zwischen dem völligen Verzicht auf die Vortheile und Glücks¬
aussichten einer überseeischen Geschäftszeit, und der schmerzlichen Resignation,
nicht wieder heimkehren zu dürfen. Daß nach vollendetem Landwehrdicnst in
der Regel von einer solchen Verpflanzung übers Meer und wieder zurück nicht
mehr die Rebe sein kann und wird, ist von selber klar. Wahrscheinlich würden
demnach reichlich zwei Drittel der zeitweise" kaufmännischen Auswanderungen
gänzlich unterbleiben. Von dem letzten Drittel aber würden uus die Früchte
verloren gehen, welche die zurückkehrenden "Westindier" und "Ostasiaten" in
Gestalt ihrer Capitalien oder Renten mitbringen.

Man entschließe sich daher, die übers Meer gehenden jungen Geschäftsleute,
so lange sie dauernd drüben bleiben, von der späteren Einstcllungsfrist sowohl
für Kriegs- als Friedenszeiten loszusprechen. Die Einbuße des Heeres ist nicht
der Rede werth. Die ersparte volkswirtschaftliche Einbuße ist, wie angedeutet,
in mehr als einer Richtung bedeutend. Zu einer Ermuthigung des Aus-
wanderns kann die Maßregel höchstens vorübergehend, aber schwerlich auf die
Dauer ausschlagen; dem Vaterlande für lange Jahre den Rücken zu kehren ist
schon jetzt bei normalen Umständen keine leichte Sache -- und bei der Neu¬
gestaltung unsres Staatswesens wird es uns Deutschen mit der Zeit hoffentlich
immer schwerer -- so daß der Entschluß, mit allen seinen Altersgenossen unter
die Waffen zu treten, dagegen wie Spiel erscheinen wird, sobald die erste inhalts¬
leere Angst vor den eingebildeten Schrecken des Heerdienstes überwunden ist.
Natürlich jedoch müßte die Befreiung nicht blos für den Kaufmann gelten,
sondern auch für jeden Andern in gleicher Lage. Der Ingenieur, der Arzt,
der Theologe, der jenseits des Oceans eine lockende Beschäftigung gefunden hat,
müßte sie beibehalte" dürfen, so lange sie ihn reizt und befriedigt, ohne der
Herbstübungen halber sie ausschlagen zu müssen, oder wegen einer Mobilmachung,
die längst wieder zu Ende sein kann, bevor er nur im Stande ist zurückzukehren.

Diejenigen Deutschen im Auslande, deren Interesse durch die hier befür¬
wortete Maßregel gewahrt werden würde, verdienen als Gesammtheit entschiedene
Berücksichtigung. Sie haben fiel, in der Periode der nationalen Feste und
Sammlungen durch außerordentliche Freigebigkeit, seit dem Anbruch der nun
ein getretenen Epoche entscheidenden politischen Handelns durch klaren Blick und


Wanderer durch das, was sie mitnehme», sowohl .in fahrender Habe, als an
entwickelter Arbeitskraft jahraus jahrein verursachen.

Es erhellt ohne weiteren Nachweis, daß eine strenge und unbedingte Durch¬
führung der allgemeinen Wehrpflicht in ihren späteren Stadien hier gradezu
zerstörend Wirten würde. An eine Rückkehr zu den Reserve- und Landwehr-
übungen oder zu einer Mobilmachung ist selbst aus New-Dort oder Havana
nicht zu denken, geschweige denn aus Valparaiso, Melbourne oder Schanghai.
Der junge Geschäftsmann also, der vor dem bezeichneten Entschlüsse steht, hätte
dann zu wählen zwischen dem völligen Verzicht auf die Vortheile und Glücks¬
aussichten einer überseeischen Geschäftszeit, und der schmerzlichen Resignation,
nicht wieder heimkehren zu dürfen. Daß nach vollendetem Landwehrdicnst in
der Regel von einer solchen Verpflanzung übers Meer und wieder zurück nicht
mehr die Rebe sein kann und wird, ist von selber klar. Wahrscheinlich würden
demnach reichlich zwei Drittel der zeitweise» kaufmännischen Auswanderungen
gänzlich unterbleiben. Von dem letzten Drittel aber würden uus die Früchte
verloren gehen, welche die zurückkehrenden „Westindier" und „Ostasiaten" in
Gestalt ihrer Capitalien oder Renten mitbringen.

Man entschließe sich daher, die übers Meer gehenden jungen Geschäftsleute,
so lange sie dauernd drüben bleiben, von der späteren Einstcllungsfrist sowohl
für Kriegs- als Friedenszeiten loszusprechen. Die Einbuße des Heeres ist nicht
der Rede werth. Die ersparte volkswirtschaftliche Einbuße ist, wie angedeutet,
in mehr als einer Richtung bedeutend. Zu einer Ermuthigung des Aus-
wanderns kann die Maßregel höchstens vorübergehend, aber schwerlich auf die
Dauer ausschlagen; dem Vaterlande für lange Jahre den Rücken zu kehren ist
schon jetzt bei normalen Umständen keine leichte Sache — und bei der Neu¬
gestaltung unsres Staatswesens wird es uns Deutschen mit der Zeit hoffentlich
immer schwerer — so daß der Entschluß, mit allen seinen Altersgenossen unter
die Waffen zu treten, dagegen wie Spiel erscheinen wird, sobald die erste inhalts¬
leere Angst vor den eingebildeten Schrecken des Heerdienstes überwunden ist.
Natürlich jedoch müßte die Befreiung nicht blos für den Kaufmann gelten,
sondern auch für jeden Andern in gleicher Lage. Der Ingenieur, der Arzt,
der Theologe, der jenseits des Oceans eine lockende Beschäftigung gefunden hat,
müßte sie beibehalte» dürfen, so lange sie ihn reizt und befriedigt, ohne der
Herbstübungen halber sie ausschlagen zu müssen, oder wegen einer Mobilmachung,
die längst wieder zu Ende sein kann, bevor er nur im Stande ist zurückzukehren.

Diejenigen Deutschen im Auslande, deren Interesse durch die hier befür¬
wortete Maßregel gewahrt werden würde, verdienen als Gesammtheit entschiedene
Berücksichtigung. Sie haben fiel, in der Periode der nationalen Feste und
Sammlungen durch außerordentliche Freigebigkeit, seit dem Anbruch der nun
ein getretenen Epoche entscheidenden politischen Handelns durch klaren Blick und


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[0294] Wanderer durch das, was sie mitnehme», sowohl .in fahrender Habe, als an entwickelter Arbeitskraft jahraus jahrein verursachen. Es erhellt ohne weiteren Nachweis, daß eine strenge und unbedingte Durch¬ führung der allgemeinen Wehrpflicht in ihren späteren Stadien hier gradezu zerstörend Wirten würde. An eine Rückkehr zu den Reserve- und Landwehr- übungen oder zu einer Mobilmachung ist selbst aus New-Dort oder Havana nicht zu denken, geschweige denn aus Valparaiso, Melbourne oder Schanghai. Der junge Geschäftsmann also, der vor dem bezeichneten Entschlüsse steht, hätte dann zu wählen zwischen dem völligen Verzicht auf die Vortheile und Glücks¬ aussichten einer überseeischen Geschäftszeit, und der schmerzlichen Resignation, nicht wieder heimkehren zu dürfen. Daß nach vollendetem Landwehrdicnst in der Regel von einer solchen Verpflanzung übers Meer und wieder zurück nicht mehr die Rebe sein kann und wird, ist von selber klar. Wahrscheinlich würden demnach reichlich zwei Drittel der zeitweise» kaufmännischen Auswanderungen gänzlich unterbleiben. Von dem letzten Drittel aber würden uus die Früchte verloren gehen, welche die zurückkehrenden „Westindier" und „Ostasiaten" in Gestalt ihrer Capitalien oder Renten mitbringen. Man entschließe sich daher, die übers Meer gehenden jungen Geschäftsleute, so lange sie dauernd drüben bleiben, von der späteren Einstcllungsfrist sowohl für Kriegs- als Friedenszeiten loszusprechen. Die Einbuße des Heeres ist nicht der Rede werth. Die ersparte volkswirtschaftliche Einbuße ist, wie angedeutet, in mehr als einer Richtung bedeutend. Zu einer Ermuthigung des Aus- wanderns kann die Maßregel höchstens vorübergehend, aber schwerlich auf die Dauer ausschlagen; dem Vaterlande für lange Jahre den Rücken zu kehren ist schon jetzt bei normalen Umständen keine leichte Sache — und bei der Neu¬ gestaltung unsres Staatswesens wird es uns Deutschen mit der Zeit hoffentlich immer schwerer — so daß der Entschluß, mit allen seinen Altersgenossen unter die Waffen zu treten, dagegen wie Spiel erscheinen wird, sobald die erste inhalts¬ leere Angst vor den eingebildeten Schrecken des Heerdienstes überwunden ist. Natürlich jedoch müßte die Befreiung nicht blos für den Kaufmann gelten, sondern auch für jeden Andern in gleicher Lage. Der Ingenieur, der Arzt, der Theologe, der jenseits des Oceans eine lockende Beschäftigung gefunden hat, müßte sie beibehalte» dürfen, so lange sie ihn reizt und befriedigt, ohne der Herbstübungen halber sie ausschlagen zu müssen, oder wegen einer Mobilmachung, die längst wieder zu Ende sein kann, bevor er nur im Stande ist zurückzukehren. Diejenigen Deutschen im Auslande, deren Interesse durch die hier befür¬ wortete Maßregel gewahrt werden würde, verdienen als Gesammtheit entschiedene Berücksichtigung. Sie haben fiel, in der Periode der nationalen Feste und Sammlungen durch außerordentliche Freigebigkeit, seit dem Anbruch der nun ein getretenen Epoche entscheidenden politischen Handelns durch klaren Blick und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/294>, abgerufen am 28.09.2024.