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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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durchgesetzt werden konnte, ist cbendamit auf weitere Uebergangsstadien, auf
Etappen angewiesen, zu denen glücklicherweise der Wortlaut von Nikolsburg
selbst die Handhabe bietet, und diese Handhabe ergriffen zu haben, darin besteht
eben der Kern der neuesten Schritte des Ministeriums Hohenlohe.

Es ist überflüssig, den Gedankengang der bekannten Reden zu wiederholen,
in welchen der Fürst theils der Bildung eines Südbundes entgegentrat, theils
die Mittel auseinandersetzte, den für jetzt unmöglichen Anschluß an Preußen zu
ersetzen und zugleich vorzubereiten. Ein Programm, das nicht eine reine Lösung
in Aussicht stellt, sondern sich darauf beschränkt, die Mittelglieder zu einer Ermög¬
lichung jener Lösung zu präcisiren, bietet wie jeder Compromiß der Kritik seine
schwachen Seiten. An solcher Kritik hat es dem Programm Hohenlohe nicht
gefehlt; man hat ihm Unklarheit, Widerspruch nicht nur mit jener Augustrede,
sondern auch mit sich selbst vorgeworfen. Aber daß diese Bemängelung haupt¬
sächlich von Oestreich und der süddeutschen Demokratie kam und den verbissenen
Aerger dieser Partei verrieth, scheint doch ein genügender Beweis, daß es eine
unzweideutige Tendenz hat und in den wesentlichen Punkten klar genug ist.

Ernster sieht sich der Widerspruch an, der von Baden ausging und nicht
blos in Correspondenzen ausführlich begründet wurde, sondern auch eine Zeit lang
die badische Regierung in mißtrauischer Reserve gehalten zu haben scheint. Man
hatte grade dort alles vermieden, was entfernt wie Anbahnung einer Süd-
conföderation aussah, und nun schien die Initiative Bayerns eben auf einen
solchen Südbund hinauszulaufen. Man war in Baden doppelt vorsichtig, weil
man nicht blos den unbedingten Anschluß an Preußen erstrebte, sondern weil
man mit Recht sich scheute, u, die Arme größerer Nachbarn von nicht jederzeit
musterhafter Gesinnung hineingezogen zu werden, und nun soll eben die badische
Macht nicht an Preußen, sondern an die südlichen Genossen gebunden werden.
Kam eine gemeinschaftliche Wehrorganisation des Südens zu Stande, so war
damit, auch ohne gemeinsame politische Einrichtungen, doch eine Consolidirung
und Stärkung der Kräfte des Südens erreicht, die möglicherweise eines Tags
auch gegen die nationalen Zwecke und gegen Preuße" verwandt werben konnten.
Denn wenn auch die Gesinnung des jetzigen Ministeriums in München keinen
Zweifel erlaubte, so war doch die Möglichkeit einer Aenderung der dortigen
Politik nicht ausgeschlossen, der dann die erhöhte Militärmacht des Südens zur
Verfügung stand. Ein bloßes AlUanzvcrhältniß giebt allerdings dem Süden
eine gefährliche Fähigkeit selbständiger Action und schließt den Wechsel der
Allianzen nicht aus. Weit mehr schien es sich zu empfehlen, wenn die einzelnen
Staaten für sich den Anschluß an Preußen suchten; ja es wurde gradezu aus¬
gesprochen, je schwächer und hilfloser die einzelnen Staaten blieben, je rathloser
sie z. B. mit ihren Bundcsfestungen wären, um so sicherer würden sie gezwungen,
ihre Zuflucht zu Preußen zu nehmen.


durchgesetzt werden konnte, ist cbendamit auf weitere Uebergangsstadien, auf
Etappen angewiesen, zu denen glücklicherweise der Wortlaut von Nikolsburg
selbst die Handhabe bietet, und diese Handhabe ergriffen zu haben, darin besteht
eben der Kern der neuesten Schritte des Ministeriums Hohenlohe.

Es ist überflüssig, den Gedankengang der bekannten Reden zu wiederholen,
in welchen der Fürst theils der Bildung eines Südbundes entgegentrat, theils
die Mittel auseinandersetzte, den für jetzt unmöglichen Anschluß an Preußen zu
ersetzen und zugleich vorzubereiten. Ein Programm, das nicht eine reine Lösung
in Aussicht stellt, sondern sich darauf beschränkt, die Mittelglieder zu einer Ermög¬
lichung jener Lösung zu präcisiren, bietet wie jeder Compromiß der Kritik seine
schwachen Seiten. An solcher Kritik hat es dem Programm Hohenlohe nicht
gefehlt; man hat ihm Unklarheit, Widerspruch nicht nur mit jener Augustrede,
sondern auch mit sich selbst vorgeworfen. Aber daß diese Bemängelung haupt¬
sächlich von Oestreich und der süddeutschen Demokratie kam und den verbissenen
Aerger dieser Partei verrieth, scheint doch ein genügender Beweis, daß es eine
unzweideutige Tendenz hat und in den wesentlichen Punkten klar genug ist.

Ernster sieht sich der Widerspruch an, der von Baden ausging und nicht
blos in Correspondenzen ausführlich begründet wurde, sondern auch eine Zeit lang
die badische Regierung in mißtrauischer Reserve gehalten zu haben scheint. Man
hatte grade dort alles vermieden, was entfernt wie Anbahnung einer Süd-
conföderation aussah, und nun schien die Initiative Bayerns eben auf einen
solchen Südbund hinauszulaufen. Man war in Baden doppelt vorsichtig, weil
man nicht blos den unbedingten Anschluß an Preußen erstrebte, sondern weil
man mit Recht sich scheute, u, die Arme größerer Nachbarn von nicht jederzeit
musterhafter Gesinnung hineingezogen zu werden, und nun soll eben die badische
Macht nicht an Preußen, sondern an die südlichen Genossen gebunden werden.
Kam eine gemeinschaftliche Wehrorganisation des Südens zu Stande, so war
damit, auch ohne gemeinsame politische Einrichtungen, doch eine Consolidirung
und Stärkung der Kräfte des Südens erreicht, die möglicherweise eines Tags
auch gegen die nationalen Zwecke und gegen Preuße» verwandt werben konnten.
Denn wenn auch die Gesinnung des jetzigen Ministeriums in München keinen
Zweifel erlaubte, so war doch die Möglichkeit einer Aenderung der dortigen
Politik nicht ausgeschlossen, der dann die erhöhte Militärmacht des Südens zur
Verfügung stand. Ein bloßes AlUanzvcrhältniß giebt allerdings dem Süden
eine gefährliche Fähigkeit selbständiger Action und schließt den Wechsel der
Allianzen nicht aus. Weit mehr schien es sich zu empfehlen, wenn die einzelnen
Staaten für sich den Anschluß an Preußen suchten; ja es wurde gradezu aus¬
gesprochen, je schwächer und hilfloser die einzelnen Staaten blieben, je rathloser
sie z. B. mit ihren Bundcsfestungen wären, um so sicherer würden sie gezwungen,
ihre Zuflucht zu Preußen zu nehmen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/287>, abgerufen am 26.06.2024.