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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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nur zu einem Separatvcrtrag mit Preußen war gescheitert, und weiter hatten
Badens Bemühungen nicht gereift. In Würtemberg rückte dos Ministerium
pac piceis nicht von der Stelle und wartete mit schwäbischer Gemüthlichkeit,
bis irgendein moralischer Zwang von irgendeiner Seite dem Staatsschiff
irgendeine Richtung geben werde. Von Hessen-Darmstadt erwartete ohnedies
wohl niemand Anregung, alles tam unter diesen Umständen auf Bayern, den
größten und gewichtigste" der süddeutschen Staaten an. Er hat nun die Jni-
tiave zu einer gemeinsamen Action der durch den nilolsburgcr Vertrag vom
Bundesstaat ausgeschlossenen Gebiete ergriffen.

Irren wir nicht, so bewegt sich diese Initiative genau in der Bahn, wie
sie augenblicklich der Politik des Grafen Bismarck entspricht.

Was der Fürst Hohenlohe zu seiner schwierige" Aufgabe mitbruigt, eine
Politik des Uebergangs mit ziemlich disparaten Bundesgenossen durchzuführen,
ist vor allem guter Wille, ein ehrlicher Name, el" offener und loyaler Charakter.
Diese Ehrlichkeit ist selbst von der ultramoiitane" Partei, die ihm voraussichtlich
den meisten Widerstand leisten wirb, willkommen geheißen und anerkannt worden.
Von Seite der preußischen Partei war er bekanntlich schon seit geraumer Zeit
der designirte Ministercandidat für Bayer". Die Rede, die er im August vor. I.
i" der Neichsrathskammer hielt, bürgt dafür, daß mit ihm ein sehr bestimmter
politischer Gedanke in den Palast am Promenadenplatz eingezogen ist. Ist auch
das Programm, das er damals entwickelte, als die deutschen Zustände noch
flüssiger schienen und er noch nicht als Minister redete, heute nicht unmittelbar
zu verwirklichen, so spricht es um so beredter aus, welchem letzten Ziele er
zusteuert.

Damals befürwortete der Fürst den Anschluß Bayerns an den norddeutschen
Bund. Heute muß ein Minister, der das Erreichbare mit gegebenen Mitteln
will, das Ziel sich bescheidener und zugleich bestimmter stecken. Die Trennung
nach der Mainlinie ist nun einmal vollendete Thatsache. Es ist müßig, darüber
zu streiten, ob mehr die Einsprache Frankreichs oder mehr die Scheu vor den
widerstrebenden Elementen des Südens Preußen dazu bewogen habe, bei dieser
Grenzlinie Halt zu machen. Gewiß ist, daß diejenigen am wenigsten ein Recht
haben darüber zu jammern und Preußen der "Zerreißung Deutschlands" an¬
zuklagen, die alles aufboten die Kluft zwischen Nord und Süd unheilbar zu
erweitern. Ein einziges Mittel war vorhanden, den Buchstaben von Nikolsburg
ebenso zu verwischen, wie den von Villafranca: wenn nämlich eine revolutionäre
Bewegung im Süden den Anschluß erzwungen hätte. Aber ein solches Be¬
ginnen lag nicht im deutschen Temperament, es lag am wenigsten in der Dis¬
position des Südens, der theils mit Trauer oder Verdruß, theils mit Schaden¬
freude, jedenfalls aber unthätig und gelassen der Ausführung des Vertrags
zusah. Die Einheit, die so nicht im unwiderstehlichen Sturm der Begeisterung


nur zu einem Separatvcrtrag mit Preußen war gescheitert, und weiter hatten
Badens Bemühungen nicht gereift. In Würtemberg rückte dos Ministerium
pac piceis nicht von der Stelle und wartete mit schwäbischer Gemüthlichkeit,
bis irgendein moralischer Zwang von irgendeiner Seite dem Staatsschiff
irgendeine Richtung geben werde. Von Hessen-Darmstadt erwartete ohnedies
wohl niemand Anregung, alles tam unter diesen Umständen auf Bayern, den
größten und gewichtigste» der süddeutschen Staaten an. Er hat nun die Jni-
tiave zu einer gemeinsamen Action der durch den nilolsburgcr Vertrag vom
Bundesstaat ausgeschlossenen Gebiete ergriffen.

Irren wir nicht, so bewegt sich diese Initiative genau in der Bahn, wie
sie augenblicklich der Politik des Grafen Bismarck entspricht.

Was der Fürst Hohenlohe zu seiner schwierige» Aufgabe mitbruigt, eine
Politik des Uebergangs mit ziemlich disparaten Bundesgenossen durchzuführen,
ist vor allem guter Wille, ein ehrlicher Name, el» offener und loyaler Charakter.
Diese Ehrlichkeit ist selbst von der ultramoiitane» Partei, die ihm voraussichtlich
den meisten Widerstand leisten wirb, willkommen geheißen und anerkannt worden.
Von Seite der preußischen Partei war er bekanntlich schon seit geraumer Zeit
der designirte Ministercandidat für Bayer». Die Rede, die er im August vor. I.
i» der Neichsrathskammer hielt, bürgt dafür, daß mit ihm ein sehr bestimmter
politischer Gedanke in den Palast am Promenadenplatz eingezogen ist. Ist auch
das Programm, das er damals entwickelte, als die deutschen Zustände noch
flüssiger schienen und er noch nicht als Minister redete, heute nicht unmittelbar
zu verwirklichen, so spricht es um so beredter aus, welchem letzten Ziele er
zusteuert.

Damals befürwortete der Fürst den Anschluß Bayerns an den norddeutschen
Bund. Heute muß ein Minister, der das Erreichbare mit gegebenen Mitteln
will, das Ziel sich bescheidener und zugleich bestimmter stecken. Die Trennung
nach der Mainlinie ist nun einmal vollendete Thatsache. Es ist müßig, darüber
zu streiten, ob mehr die Einsprache Frankreichs oder mehr die Scheu vor den
widerstrebenden Elementen des Südens Preußen dazu bewogen habe, bei dieser
Grenzlinie Halt zu machen. Gewiß ist, daß diejenigen am wenigsten ein Recht
haben darüber zu jammern und Preußen der „Zerreißung Deutschlands" an¬
zuklagen, die alles aufboten die Kluft zwischen Nord und Süd unheilbar zu
erweitern. Ein einziges Mittel war vorhanden, den Buchstaben von Nikolsburg
ebenso zu verwischen, wie den von Villafranca: wenn nämlich eine revolutionäre
Bewegung im Süden den Anschluß erzwungen hätte. Aber ein solches Be¬
ginnen lag nicht im deutschen Temperament, es lag am wenigsten in der Dis¬
position des Südens, der theils mit Trauer oder Verdruß, theils mit Schaden¬
freude, jedenfalls aber unthätig und gelassen der Ausführung des Vertrags
zusah. Die Einheit, die so nicht im unwiderstehlichen Sturm der Begeisterung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/286>, abgerufen am 22.12.2024.