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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Angelegenheit nachdrücklich anzuregen, das Bewußtsein der Nothwendigkeit ihrer
befriedigenden Erledigung immer allgemeiner und eindringlicher zu machen und
für das gerechte Verlangen da Gehör zu finden, wo die Möglichkeit der Er¬
füllung gegeben ist. Die Frau Kronprinzessin, welche diesen Bestrebungen eine
Begünstigung werden läßt, in der mau außerordentliche Bürgschaft des Erfolges
zu sehen berechtigt scheint, hatte bereits im Jahre 186S mit Interesse den
Gedanken einer Kunstindustricschulc für Berlin erfaßt. Sie ertheilte Herrn
Dr. Schwabe den ehrenvollen Austrag, die Bedürfnißfrage einer solchen in einer
Denkschrift ausführlich zu erörtern. Als Folge dieses Auftrages ist das oben
genannte Buch entstanden. Es beruht auf gründlicher Kenntniß des Gegen¬
standes und behandelt ihn, ohne sich in abstractes Theoretisiren zu verirren,
wahrhaft erschöpfend. Die Darstellung der englischen Bestrebungen auf diesem
Felde bildet den Hauptinhalt des Werkchens. Mit gutem Grund. Denn was
im Eingange, anlehnend an die betreffenden Mittheilungen des Verfassers, von
der bisherigen auf dasselbe Ziel gerichteten Thätigkeit in Deutschland gesagt
wurde, erscheint noch als kleiner und unbedeutender Versuch im Verhältniß zu
der Großartigkeit des in England Unternommenen und bereits Erreichten. Hier
scheint wirklich der ideale Begriff der Sache realisirt und die hier ins Lebe"
getretenen Institutionen zur Förderung der Kunstindustrie werden als bestes
Vorbild anzusehen sein, wo es sich darum handelt, den bei uns hervorgetretenen
Uebelständen gründlich abzuhelfen.

Die englische Bewegung, welche zu so bewundernswerthen Resultaten ge¬
führt hat, nahm ihren Ausgangspunkt bekanntlich von der ersten großen Welt¬
ausstellung zu London im Jahre 1831. Das nationale Selbstgefühl konnte die
Engländer nicht darüber täuschen, daß sie auf fast allen Gebieten der Kunst¬
industrie von deu ausländischen Concurrenten in jenem Wettkampf besiegt waren,
daß der Schönheitssinn und die Geschmacksbildung, wie sie sich in den Arbeiten
der Kunstgewerbe auszuprägen haben, bei ihnen nicht den Vergleich aushalten
konnte mit dem, was die Leistungen anderer Nationen boten. Indem man sich
dieses beschämende Resultat offen eingestand, erkannte man auch die Ursache
desselben und ergriff schnell und energisch die Mittel zur Beseitigung des Deficits.
Außer einer Ccntralschule für Musterzeichner, welche 1837 gegründet worden
war, und zwanzig ähnlichen Anstalten im vereinigten Königreich, existirte bis
zum Jahre 1851 überhaupt leine Art von Zcichcnschule für die industriellen
Classen und, ohne die eigentlichen Elemente des Zeichnens und des künstlerischen
Verständnisses ihren Schülern zu lehren, hatten natürlich diese Institute nur
Wenig oder gar keinen Erfolg haben können. Ein in umfassender und syste¬
matischer Weise gehandhabter wissenschaftlicher und künstlerischer Unterricht der
Gewerbtreibenden wurde daher alsbald ins Auge gefaßt. Dies führte dahin,
daß man sofort aus den Überschüssen der Ausstellung ein Kunstmuseum grün-


Grenzl'öden I. 1867. 29

Angelegenheit nachdrücklich anzuregen, das Bewußtsein der Nothwendigkeit ihrer
befriedigenden Erledigung immer allgemeiner und eindringlicher zu machen und
für das gerechte Verlangen da Gehör zu finden, wo die Möglichkeit der Er¬
füllung gegeben ist. Die Frau Kronprinzessin, welche diesen Bestrebungen eine
Begünstigung werden läßt, in der mau außerordentliche Bürgschaft des Erfolges
zu sehen berechtigt scheint, hatte bereits im Jahre 186S mit Interesse den
Gedanken einer Kunstindustricschulc für Berlin erfaßt. Sie ertheilte Herrn
Dr. Schwabe den ehrenvollen Austrag, die Bedürfnißfrage einer solchen in einer
Denkschrift ausführlich zu erörtern. Als Folge dieses Auftrages ist das oben
genannte Buch entstanden. Es beruht auf gründlicher Kenntniß des Gegen¬
standes und behandelt ihn, ohne sich in abstractes Theoretisiren zu verirren,
wahrhaft erschöpfend. Die Darstellung der englischen Bestrebungen auf diesem
Felde bildet den Hauptinhalt des Werkchens. Mit gutem Grund. Denn was
im Eingange, anlehnend an die betreffenden Mittheilungen des Verfassers, von
der bisherigen auf dasselbe Ziel gerichteten Thätigkeit in Deutschland gesagt
wurde, erscheint noch als kleiner und unbedeutender Versuch im Verhältniß zu
der Großartigkeit des in England Unternommenen und bereits Erreichten. Hier
scheint wirklich der ideale Begriff der Sache realisirt und die hier ins Lebe»
getretenen Institutionen zur Förderung der Kunstindustrie werden als bestes
Vorbild anzusehen sein, wo es sich darum handelt, den bei uns hervorgetretenen
Uebelständen gründlich abzuhelfen.

Die englische Bewegung, welche zu so bewundernswerthen Resultaten ge¬
führt hat, nahm ihren Ausgangspunkt bekanntlich von der ersten großen Welt¬
ausstellung zu London im Jahre 1831. Das nationale Selbstgefühl konnte die
Engländer nicht darüber täuschen, daß sie auf fast allen Gebieten der Kunst¬
industrie von deu ausländischen Concurrenten in jenem Wettkampf besiegt waren,
daß der Schönheitssinn und die Geschmacksbildung, wie sie sich in den Arbeiten
der Kunstgewerbe auszuprägen haben, bei ihnen nicht den Vergleich aushalten
konnte mit dem, was die Leistungen anderer Nationen boten. Indem man sich
dieses beschämende Resultat offen eingestand, erkannte man auch die Ursache
desselben und ergriff schnell und energisch die Mittel zur Beseitigung des Deficits.
Außer einer Ccntralschule für Musterzeichner, welche 1837 gegründet worden
war, und zwanzig ähnlichen Anstalten im vereinigten Königreich, existirte bis
zum Jahre 1851 überhaupt leine Art von Zcichcnschule für die industriellen
Classen und, ohne die eigentlichen Elemente des Zeichnens und des künstlerischen
Verständnisses ihren Schülern zu lehren, hatten natürlich diese Institute nur
Wenig oder gar keinen Erfolg haben können. Ein in umfassender und syste¬
matischer Weise gehandhabter wissenschaftlicher und künstlerischer Unterricht der
Gewerbtreibenden wurde daher alsbald ins Auge gefaßt. Dies führte dahin,
daß man sofort aus den Überschüssen der Ausstellung ein Kunstmuseum grün-


Grenzl'öden I. 1867. 29
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[0235] Angelegenheit nachdrücklich anzuregen, das Bewußtsein der Nothwendigkeit ihrer befriedigenden Erledigung immer allgemeiner und eindringlicher zu machen und für das gerechte Verlangen da Gehör zu finden, wo die Möglichkeit der Er¬ füllung gegeben ist. Die Frau Kronprinzessin, welche diesen Bestrebungen eine Begünstigung werden läßt, in der mau außerordentliche Bürgschaft des Erfolges zu sehen berechtigt scheint, hatte bereits im Jahre 186S mit Interesse den Gedanken einer Kunstindustricschulc für Berlin erfaßt. Sie ertheilte Herrn Dr. Schwabe den ehrenvollen Austrag, die Bedürfnißfrage einer solchen in einer Denkschrift ausführlich zu erörtern. Als Folge dieses Auftrages ist das oben genannte Buch entstanden. Es beruht auf gründlicher Kenntniß des Gegen¬ standes und behandelt ihn, ohne sich in abstractes Theoretisiren zu verirren, wahrhaft erschöpfend. Die Darstellung der englischen Bestrebungen auf diesem Felde bildet den Hauptinhalt des Werkchens. Mit gutem Grund. Denn was im Eingange, anlehnend an die betreffenden Mittheilungen des Verfassers, von der bisherigen auf dasselbe Ziel gerichteten Thätigkeit in Deutschland gesagt wurde, erscheint noch als kleiner und unbedeutender Versuch im Verhältniß zu der Großartigkeit des in England Unternommenen und bereits Erreichten. Hier scheint wirklich der ideale Begriff der Sache realisirt und die hier ins Lebe» getretenen Institutionen zur Förderung der Kunstindustrie werden als bestes Vorbild anzusehen sein, wo es sich darum handelt, den bei uns hervorgetretenen Uebelständen gründlich abzuhelfen. Die englische Bewegung, welche zu so bewundernswerthen Resultaten ge¬ führt hat, nahm ihren Ausgangspunkt bekanntlich von der ersten großen Welt¬ ausstellung zu London im Jahre 1831. Das nationale Selbstgefühl konnte die Engländer nicht darüber täuschen, daß sie auf fast allen Gebieten der Kunst¬ industrie von deu ausländischen Concurrenten in jenem Wettkampf besiegt waren, daß der Schönheitssinn und die Geschmacksbildung, wie sie sich in den Arbeiten der Kunstgewerbe auszuprägen haben, bei ihnen nicht den Vergleich aushalten konnte mit dem, was die Leistungen anderer Nationen boten. Indem man sich dieses beschämende Resultat offen eingestand, erkannte man auch die Ursache desselben und ergriff schnell und energisch die Mittel zur Beseitigung des Deficits. Außer einer Ccntralschule für Musterzeichner, welche 1837 gegründet worden war, und zwanzig ähnlichen Anstalten im vereinigten Königreich, existirte bis zum Jahre 1851 überhaupt leine Art von Zcichcnschule für die industriellen Classen und, ohne die eigentlichen Elemente des Zeichnens und des künstlerischen Verständnisses ihren Schülern zu lehren, hatten natürlich diese Institute nur Wenig oder gar keinen Erfolg haben können. Ein in umfassender und syste¬ matischer Weise gehandhabter wissenschaftlicher und künstlerischer Unterricht der Gewerbtreibenden wurde daher alsbald ins Auge gefaßt. Dies führte dahin, daß man sofort aus den Überschüssen der Ausstellung ein Kunstmuseum grün- Grenzl'öden I. 1867. 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/235>, abgerufen am 26.09.2024.