gerufen. Und in Oestreich strebt das 1864 zu Wien eröffnete "Kaiserlich könig¬ liche Museum für Kunst und Industrie" mit großer Energie und reichen Mitteln für die Gewerbe des Landes alles das zu leisten, was man bei Begründung der vorher genannten beabsichtigt hat. Die gewerbtreibenden Classen fangen auch bei uns in Preußen an lebhaft den Nachtheil zu empfinden, der daraus ent¬ steht, daß derartig organisirte Bildungsschulen mangeln. Die Einsicht ist nicht mehr blos auf wenige "Kenner" beschränkt, daß wir, d. h. wir Modernen aller Länder, trotz der gepriesenen großartigen Blüthe unserer Industrie im Vergleich zu den Völkern des Alterthums, des Mittelalters und der Renaissance, ja selbst im Vergleich zu den von uns aus der Höhe unserer Civilisation herab sonst so verächtlich angesehenen Völkern des Orients dennoch nur Barbaren sind in allem, was Schönheit und Stil unserer industriellen Erzeugnisse, was Gefühl für Harmonie der Farbe und Form, was Erfindungskraft in allem Lebensschmuck und Zierrath betrifft.
Weder die preußischen Gewerbeschulen, noch das Gewerbeinstitut zu Berlin, noch die Akademie der Künste können etwas von dem leisten, was hier grade noth thut. Sie beschränken ihre Lehrthätigkeit auf einen viel zu kleinen Bruch¬ theil der arbeitenden Bevölkerung und ihre innere Organisation schließt eine Einwirkung in jenem Sinn und jener Richtung aus. Dagegen besitzt Preußen bereits einige Sammlungen von höchst bedeutendem und hierfür wichtigstem Inhalt, aus welchen in eines einsichtigen und kräftigen Mannes Hand sehr wohl ein großartiges Kunst- und Gewerbemuscum gebildet werden könnte, eine durch Anschauung unmittelbar lehrende und wirkende Mustersammlung also, an welche dann die zum eigenen Schaffen und Gestalten heranbildende Lehranstalt anzuschließen wäre. Wir nennen außerhalb Berlin die an Reichhaltigkeit und weiser systematischer Anordnung kaum übertroffene " Minutvlische Vorbilder¬ sammlung zur Beförderung der Gewerbe und Künste zu Liegnitz", diese be- wundernswerthe Schöpfung der von Begeisterung und feiner Erkenntniß getrage¬ nen Energie und Hingebung eines Privatmanns. Es sind ferner in Berlin die Wagnersche Galerie als Grundstamm einer Nationalgalcrie der modernen und vaterländischen Meister, und die Schätze an edlen Mustern der Kunst¬ industrie jeder Art und aller Zeiten und Völker, welche das alte und neue Museum bewahrt, ohne sie bei der gegenwärtigen Art der Aufstellung und Ver¬ wendung eigentlich für die zunächst betheiligten Kreise und Classen nutzbar werden zu lassen.
Wenn also einerseits die Schäden klar zu Tage liegen, so gilt das von den Mitteln zu einer gründlichen Heilung nicht minder. Man braucht in Preußen nicht von vorn anzufangen und aus dem Nichts zu schaffen. In dieser richtigen Erkenntniß haben sich im vorigen Herbst in Berlin Männer aus verschiedenen Kreisen der städtischen Gesellschaft dazu verbunden. die schöne und wirblige
gerufen. Und in Oestreich strebt das 1864 zu Wien eröffnete „Kaiserlich könig¬ liche Museum für Kunst und Industrie" mit großer Energie und reichen Mitteln für die Gewerbe des Landes alles das zu leisten, was man bei Begründung der vorher genannten beabsichtigt hat. Die gewerbtreibenden Classen fangen auch bei uns in Preußen an lebhaft den Nachtheil zu empfinden, der daraus ent¬ steht, daß derartig organisirte Bildungsschulen mangeln. Die Einsicht ist nicht mehr blos auf wenige „Kenner" beschränkt, daß wir, d. h. wir Modernen aller Länder, trotz der gepriesenen großartigen Blüthe unserer Industrie im Vergleich zu den Völkern des Alterthums, des Mittelalters und der Renaissance, ja selbst im Vergleich zu den von uns aus der Höhe unserer Civilisation herab sonst so verächtlich angesehenen Völkern des Orients dennoch nur Barbaren sind in allem, was Schönheit und Stil unserer industriellen Erzeugnisse, was Gefühl für Harmonie der Farbe und Form, was Erfindungskraft in allem Lebensschmuck und Zierrath betrifft.
Weder die preußischen Gewerbeschulen, noch das Gewerbeinstitut zu Berlin, noch die Akademie der Künste können etwas von dem leisten, was hier grade noth thut. Sie beschränken ihre Lehrthätigkeit auf einen viel zu kleinen Bruch¬ theil der arbeitenden Bevölkerung und ihre innere Organisation schließt eine Einwirkung in jenem Sinn und jener Richtung aus. Dagegen besitzt Preußen bereits einige Sammlungen von höchst bedeutendem und hierfür wichtigstem Inhalt, aus welchen in eines einsichtigen und kräftigen Mannes Hand sehr wohl ein großartiges Kunst- und Gewerbemuscum gebildet werden könnte, eine durch Anschauung unmittelbar lehrende und wirkende Mustersammlung also, an welche dann die zum eigenen Schaffen und Gestalten heranbildende Lehranstalt anzuschließen wäre. Wir nennen außerhalb Berlin die an Reichhaltigkeit und weiser systematischer Anordnung kaum übertroffene „ Minutvlische Vorbilder¬ sammlung zur Beförderung der Gewerbe und Künste zu Liegnitz", diese be- wundernswerthe Schöpfung der von Begeisterung und feiner Erkenntniß getrage¬ nen Energie und Hingebung eines Privatmanns. Es sind ferner in Berlin die Wagnersche Galerie als Grundstamm einer Nationalgalcrie der modernen und vaterländischen Meister, und die Schätze an edlen Mustern der Kunst¬ industrie jeder Art und aller Zeiten und Völker, welche das alte und neue Museum bewahrt, ohne sie bei der gegenwärtigen Art der Aufstellung und Ver¬ wendung eigentlich für die zunächst betheiligten Kreise und Classen nutzbar werden zu lassen.
Wenn also einerseits die Schäden klar zu Tage liegen, so gilt das von den Mitteln zu einer gründlichen Heilung nicht minder. Man braucht in Preußen nicht von vorn anzufangen und aus dem Nichts zu schaffen. In dieser richtigen Erkenntniß haben sich im vorigen Herbst in Berlin Männer aus verschiedenen Kreisen der städtischen Gesellschaft dazu verbunden. die schöne und wirblige
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gerufen. Und in Oestreich strebt das 1864 zu Wien eröffnete „Kaiserlich könig¬
liche Museum für Kunst und Industrie" mit großer Energie und reichen Mitteln
für die Gewerbe des Landes alles das zu leisten, was man bei Begründung
der vorher genannten beabsichtigt hat. Die gewerbtreibenden Classen fangen
auch bei uns in Preußen an lebhaft den Nachtheil zu empfinden, der daraus ent¬
steht, daß derartig organisirte Bildungsschulen mangeln. Die Einsicht ist nicht
mehr blos auf wenige „Kenner" beschränkt, daß wir, d. h. wir Modernen aller
Länder, trotz der gepriesenen großartigen Blüthe unserer Industrie im Vergleich
zu den Völkern des Alterthums, des Mittelalters und der Renaissance, ja selbst
im Vergleich zu den von uns aus der Höhe unserer Civilisation herab sonst
so verächtlich angesehenen Völkern des Orients dennoch nur Barbaren sind in
allem, was Schönheit und Stil unserer industriellen Erzeugnisse, was Gefühl
für Harmonie der Farbe und Form, was Erfindungskraft in allem Lebensschmuck
und Zierrath betrifft.
Weder die preußischen Gewerbeschulen, noch das Gewerbeinstitut zu Berlin,
noch die Akademie der Künste können etwas von dem leisten, was hier grade
noth thut. Sie beschränken ihre Lehrthätigkeit auf einen viel zu kleinen Bruch¬
theil der arbeitenden Bevölkerung und ihre innere Organisation schließt eine
Einwirkung in jenem Sinn und jener Richtung aus. Dagegen besitzt Preußen
bereits einige Sammlungen von höchst bedeutendem und hierfür wichtigstem
Inhalt, aus welchen in eines einsichtigen und kräftigen Mannes Hand sehr
wohl ein großartiges Kunst- und Gewerbemuscum gebildet werden könnte, eine
durch Anschauung unmittelbar lehrende und wirkende Mustersammlung also, an
welche dann die zum eigenen Schaffen und Gestalten heranbildende Lehranstalt
anzuschließen wäre. Wir nennen außerhalb Berlin die an Reichhaltigkeit und
weiser systematischer Anordnung kaum übertroffene „ Minutvlische Vorbilder¬
sammlung zur Beförderung der Gewerbe und Künste zu Liegnitz", diese be-
wundernswerthe Schöpfung der von Begeisterung und feiner Erkenntniß getrage¬
nen Energie und Hingebung eines Privatmanns. Es sind ferner in Berlin
die Wagnersche Galerie als Grundstamm einer Nationalgalcrie der modernen
und vaterländischen Meister, und die Schätze an edlen Mustern der Kunst¬
industrie jeder Art und aller Zeiten und Völker, welche das alte und neue
Museum bewahrt, ohne sie bei der gegenwärtigen Art der Aufstellung und Ver¬
wendung eigentlich für die zunächst betheiligten Kreise und Classen nutzbar
werden zu lassen.
Wenn also einerseits die Schäden klar zu Tage liegen, so gilt das von
den Mitteln zu einer gründlichen Heilung nicht minder. Man braucht in Preußen
nicht von vorn anzufangen und aus dem Nichts zu schaffen. In dieser richtigen
Erkenntniß haben sich im vorigen Herbst in Berlin Männer aus verschiedenen
Kreisen der städtischen Gesellschaft dazu verbunden. die schöne und wirblige
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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/234>, abgerufen am 01.01.2025.
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