Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.Der Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen. Als mit der Februarverfassung in Oestreich den einzelnen Völkern des so Um so ernster wurde den Deutschen die Aufgabe, ihre Stellung in Böhmen Besonders einige junge Historiker waren es, in deren Kreise der erste Plan Die Festrede, welche der Professor Konstantin Höfler bei dieser Eröffnungs¬ Der Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen. Als mit der Februarverfassung in Oestreich den einzelnen Völkern des so Um so ernster wurde den Deutschen die Aufgabe, ihre Stellung in Böhmen Besonders einige junge Historiker waren es, in deren Kreise der erste Plan Die Festrede, welche der Professor Konstantin Höfler bei dieser Eröffnungs¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0216" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190375"/> </div> </div> <div n="1"> <head> Der Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen.</head><lb/> <p xml:id="ID_730"> Als mit der Februarverfassung in Oestreich den einzelnen Völkern des so<lb/> bunt zusammengesetzten Staates eine freiere Entwickelung in Aussicht gestellt<lb/> wurde, da waren es in den Ländern diesseits der Leitha ganz besonders die<lb/> Czechen, welche die Zeit für günstig hielten, um ihre nationalen Interessen in<lb/> den Lordergrund zu stellen und vorzugsweise das Land Böhmen für ihr eigenstes,<lb/> für czechischcs Territorium zu erklären. „Wir sind die Herren im Lande!" riefen<lb/> die czcchischcn Journale und die große Menge stimmte im Chorus ein; „die<lb/> Deutschen sind eingewanderte Fremdlinge ohne alles Recht" verkündeten die<lb/> nationalen Organe und mit dem alten Refrain „Heiliger Wenzeslaus, treib die<lb/> Deutschen aus!" accompagnirte sie der Mob.</p><lb/> <p xml:id="ID_731"> Um so ernster wurde den Deutschen die Aufgabe, ihre Stellung in Böhmen<lb/> mit allem Aufwands ihrer materiellen Kräfte zu behaupten, aber auch mit den<lb/> Waffen der Wissenschaft ihr heilig erworbenes Hausrecht in Böhmen zu ver¬<lb/> theidigen. Sie mußten die Ueberlegenheit deutscher Cultur wahren, sie wollten<lb/> aber auch beweisen, daß der Deutsche in Böhmen kein Fremdling ohne Heimaths-<lb/> recht ist. Diesen Beweis zu liefern, das deutsche Heimathsbewußtsein in Böhmen<lb/> zu kräftigen, dazu wurde im Jahre 1862 der „Verein für Geschichte der Deutschen<lb/> in Böhmen" gegründet.</p><lb/> <p xml:id="ID_732"> Besonders einige junge Historiker waren es, in deren Kreise der erste Plan<lb/> auftauchte, einen „Verein für Erforschung, Erhaltung und Verbreitung der Ge¬<lb/> schichte der Deutschen in Böhmen" ins Leben zu rufen und denselben nicht<lb/> blos auf Fachgenossen zu beschränken, sondern die allgemeine Theilnahme der<lb/> deutschen Bevölkerung Böhmens für ihn zu wecken. I» überraschend lebhafter<lb/> Weise kam das deutsche Publikum dem Plane entgegen; als die erste General¬<lb/> versammlung zur Wahl des Päsidcntcn und des Ausschusses ausgeschrieben<lb/> Wurde, fand man unter den Mitglieder» alle jene Männer vereint, welche irgend<lb/> auf dem Gebiete deutschen Wissens in Prag Hervorragendes leisteten, sowie die<lb/> bedeutendsten Vertreter deutscher Industrie in Böhmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_733" next="#ID_734"> Die Festrede, welche der Professor Konstantin Höfler bei dieser Eröffnungs¬<lb/> feier hielt, präcisirtc die Zwecke des Vereins und verfehlte nicht im czcchischcn<lb/> Lager das höchste Aufsehen zu erregen. „Wenn im gegenwärtigen Augenblicke,"<lb/> sagte Höflcr, „die einzelnen Völker wie auf einen Schlag an ihre Vergangenheit<lb/> oppelliren und dieselbe als Rüstzeug betrachten, um ihrer Zukunft eine beliebige<lb/> Gestaltung zu geben, so kann es auch dem Deutschen nicht verwehrt werden,<lb/> wenn er gleichfalls den historischen Grund seines Bestandes aufmerksamer erörtert</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0216]
Der Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen.
Als mit der Februarverfassung in Oestreich den einzelnen Völkern des so
bunt zusammengesetzten Staates eine freiere Entwickelung in Aussicht gestellt
wurde, da waren es in den Ländern diesseits der Leitha ganz besonders die
Czechen, welche die Zeit für günstig hielten, um ihre nationalen Interessen in
den Lordergrund zu stellen und vorzugsweise das Land Böhmen für ihr eigenstes,
für czechischcs Territorium zu erklären. „Wir sind die Herren im Lande!" riefen
die czcchischcn Journale und die große Menge stimmte im Chorus ein; „die
Deutschen sind eingewanderte Fremdlinge ohne alles Recht" verkündeten die
nationalen Organe und mit dem alten Refrain „Heiliger Wenzeslaus, treib die
Deutschen aus!" accompagnirte sie der Mob.
Um so ernster wurde den Deutschen die Aufgabe, ihre Stellung in Böhmen
mit allem Aufwands ihrer materiellen Kräfte zu behaupten, aber auch mit den
Waffen der Wissenschaft ihr heilig erworbenes Hausrecht in Böhmen zu ver¬
theidigen. Sie mußten die Ueberlegenheit deutscher Cultur wahren, sie wollten
aber auch beweisen, daß der Deutsche in Böhmen kein Fremdling ohne Heimaths-
recht ist. Diesen Beweis zu liefern, das deutsche Heimathsbewußtsein in Böhmen
zu kräftigen, dazu wurde im Jahre 1862 der „Verein für Geschichte der Deutschen
in Böhmen" gegründet.
Besonders einige junge Historiker waren es, in deren Kreise der erste Plan
auftauchte, einen „Verein für Erforschung, Erhaltung und Verbreitung der Ge¬
schichte der Deutschen in Böhmen" ins Leben zu rufen und denselben nicht
blos auf Fachgenossen zu beschränken, sondern die allgemeine Theilnahme der
deutschen Bevölkerung Böhmens für ihn zu wecken. I» überraschend lebhafter
Weise kam das deutsche Publikum dem Plane entgegen; als die erste General¬
versammlung zur Wahl des Päsidcntcn und des Ausschusses ausgeschrieben
Wurde, fand man unter den Mitglieder» alle jene Männer vereint, welche irgend
auf dem Gebiete deutschen Wissens in Prag Hervorragendes leisteten, sowie die
bedeutendsten Vertreter deutscher Industrie in Böhmen.
Die Festrede, welche der Professor Konstantin Höfler bei dieser Eröffnungs¬
feier hielt, präcisirtc die Zwecke des Vereins und verfehlte nicht im czcchischcn
Lager das höchste Aufsehen zu erregen. „Wenn im gegenwärtigen Augenblicke,"
sagte Höflcr, „die einzelnen Völker wie auf einen Schlag an ihre Vergangenheit
oppelliren und dieselbe als Rüstzeug betrachten, um ihrer Zukunft eine beliebige
Gestaltung zu geben, so kann es auch dem Deutschen nicht verwehrt werden,
wenn er gleichfalls den historischen Grund seines Bestandes aufmerksamer erörtert
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