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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Literatur.
Geschichte der französischen Na ti o nul ki de ra t ur von ihren An¬
sangen bis auf die neueste Zeit für die obern Classen höherer Lehranstalten sowie
zum Selbstunterricht bearbeitet von Fr. Kreyßig. Berlin, Nicolai.

In dritter Auflage liegt u"ö diese brauchbare Arbeit vor. Der glückliche Griff
des Verfassers, der in der vielbesprochenen Frage, welchen Raum man der franzö¬
sische" Literaturgeschichte auf unseren höheren Lehranstalten verstatten dürft, die Aus¬
kunft findet, eine ursprünglich französisch geschriebene und mit den wichtigsten fran¬
zösischen Wendungen erläuterte Bearbeitung dieses Gegenstandes für fortlaufende Ex¬
temporalien zu geben, hat sich bewährt. Wir wünschen für eine folgende Auflage
nur eine recht eingehende Revision und womöglich Vermehrung der neuesten Litera¬
tur (an deren Stelle manche Längen und unwesentlichere Partieen aus den älteren
Perioden wegfallen könnten), damit unsere Jugend, die von selbst immer nach dem
Neuen greift und zudem ein Recht hat, vor allem die Erlernung der neuesten
Sprachgestaltung zu beauspruchen, völlig darüber orientirt sei, wo das Gute zu fin¬
den ist. Bei der Bestimmung des Buches für Schulen kann man es freilich nur
billigen, daß es von den neuesten Romanschriftstellern wenig anführt, von Dumas
kein einzelnes Werk namhaft macht; aber man muß dafür fordern, daß es auf den
wissenschaftlichen Gebieten eine um so größere Vollständigkeit darbiete und die ein¬
zelnen Werke, die zunächst für diese Kreise werthvoll und anziehend sind, näher be¬
zeichne und empfehle. So muß es uns befremden, daß die geistreichen und gedie¬
genen, zum Theil gradezu epochemachenden Werte der schweizerisch-französischen Li¬
teratur, die Schriften eines Merle d'Aubignü, Buugencr, Vince, Töpffcr, noch keine
Stelle in dein Buche gefunden haben. In den ältere" Zeiträume" ist, selbst wenn man
sich aufs strengste an den Begriff "Nativnalliteratur" hält, doch das religiöse und
theologische Element derselben etwas zu wenig berücksichtigt, wenigstens dürften die
Namen wie Franz v. Sales, Tillcmvnt, Maimbourg. Fr. v. Guyon und Se. Mar-
tin uicht gänzlich fehlen.


Von, Tweed zur Pcntlandföhrdc. Wanderungen in Schottland von
Dr. Richard Andrae. Jena, Costenoble.

Während der Engländer seine Tour in Dcnischland längst in dicken Hand¬
büchern für das praktisch britische Bedürfniß verarbeitet hat, stellt ihm hier Dr. Andrae
nun Wanderung mit deutschen Augen durch eine britische Provinz entgegen, welche
die Naturschönheiten des Landes mit offner Seele genießt, Gemüth und Bildungs¬
grad der Bevölkerung zu erforschen sucht, historische Erumerungcn mit wissenschaft-
lich kritischem Sinne prüft und Kunsterzeugnisse mit sicherem gründlich geschulten
Geschmack in ihrem wahre" Werthe zu würdigen weiß. Er hat uus in dieser Weise
ein sehr ansprechendes Bild von der Heimath Maria Stuarts und Walter Scotts
gegeben, das wir unsern Lesern angelegentlich empfehlen. -- Wenn Herr Andrae
sagt, daß in Deutschland keine berühmten Schotten thätig gewesen sind, so hätte er
doch anmerken können, daß unser großer Kant von schottischen Vorälter" stammte.


Literatur.
Geschichte der französischen Na ti o nul ki de ra t ur von ihren An¬
sangen bis auf die neueste Zeit für die obern Classen höherer Lehranstalten sowie
zum Selbstunterricht bearbeitet von Fr. Kreyßig. Berlin, Nicolai.

In dritter Auflage liegt u»ö diese brauchbare Arbeit vor. Der glückliche Griff
des Verfassers, der in der vielbesprochenen Frage, welchen Raum man der franzö¬
sische» Literaturgeschichte auf unseren höheren Lehranstalten verstatten dürft, die Aus¬
kunft findet, eine ursprünglich französisch geschriebene und mit den wichtigsten fran¬
zösischen Wendungen erläuterte Bearbeitung dieses Gegenstandes für fortlaufende Ex¬
temporalien zu geben, hat sich bewährt. Wir wünschen für eine folgende Auflage
nur eine recht eingehende Revision und womöglich Vermehrung der neuesten Litera¬
tur (an deren Stelle manche Längen und unwesentlichere Partieen aus den älteren
Perioden wegfallen könnten), damit unsere Jugend, die von selbst immer nach dem
Neuen greift und zudem ein Recht hat, vor allem die Erlernung der neuesten
Sprachgestaltung zu beauspruchen, völlig darüber orientirt sei, wo das Gute zu fin¬
den ist. Bei der Bestimmung des Buches für Schulen kann man es freilich nur
billigen, daß es von den neuesten Romanschriftstellern wenig anführt, von Dumas
kein einzelnes Werk namhaft macht; aber man muß dafür fordern, daß es auf den
wissenschaftlichen Gebieten eine um so größere Vollständigkeit darbiete und die ein¬
zelnen Werke, die zunächst für diese Kreise werthvoll und anziehend sind, näher be¬
zeichne und empfehle. So muß es uns befremden, daß die geistreichen und gedie¬
genen, zum Theil gradezu epochemachenden Werte der schweizerisch-französischen Li¬
teratur, die Schriften eines Merle d'Aubignü, Buugencr, Vince, Töpffcr, noch keine
Stelle in dein Buche gefunden haben. In den ältere» Zeiträume» ist, selbst wenn man
sich aufs strengste an den Begriff „Nativnalliteratur" hält, doch das religiöse und
theologische Element derselben etwas zu wenig berücksichtigt, wenigstens dürften die
Namen wie Franz v. Sales, Tillcmvnt, Maimbourg. Fr. v. Guyon und Se. Mar-
tin uicht gänzlich fehlen.


Von, Tweed zur Pcntlandföhrdc. Wanderungen in Schottland von
Dr. Richard Andrae. Jena, Costenoble.

Während der Engländer seine Tour in Dcnischland längst in dicken Hand¬
büchern für das praktisch britische Bedürfniß verarbeitet hat, stellt ihm hier Dr. Andrae
nun Wanderung mit deutschen Augen durch eine britische Provinz entgegen, welche
die Naturschönheiten des Landes mit offner Seele genießt, Gemüth und Bildungs¬
grad der Bevölkerung zu erforschen sucht, historische Erumerungcn mit wissenschaft-
lich kritischem Sinne prüft und Kunsterzeugnisse mit sicherem gründlich geschulten
Geschmack in ihrem wahre» Werthe zu würdigen weiß. Er hat uus in dieser Weise
ein sehr ansprechendes Bild von der Heimath Maria Stuarts und Walter Scotts
gegeben, das wir unsern Lesern angelegentlich empfehlen. — Wenn Herr Andrae
sagt, daß in Deutschland keine berühmten Schotten thätig gewesen sind, so hätte er
doch anmerken können, daß unser großer Kant von schottischen Vorälter» stammte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/209>, abgerufen am 01.07.2024.