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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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gegen Preußen in der That bis ein die Grenze dessen gegangen, was ihm in
seiner Stellung möglich war. Gelingt ihm nicht, in diesem Jahr durch die
friedliche Beschäftigung seiner Franzosen und durch die Befriedigung des natio¬
nalen Selbstgefühls, welches der Völkerverkehr am Ausstellungsgcbäude den Pa¬
risern gewährt, den Franzosen eine neue gutwillige Anerkennung seiner Herr¬
schaft abzunöthigen, so wird er, wahrscheinlich ungern und in schwerer Sorge,
in den deutschen Verwickelungen eine Handhabe suchen, welche ihm gestattet,
das Gemüth der Franzosen festzuhalten. Ein solcher Schritt wäre für ihn ge¬
fährlicher als irgendein anderer, den er seit seiner Thronbesteigung gewagt, er
würde vorsichtig seine guten Chancen berechnen, sich vorher seiner Ueberlegenheit
versichern, und dabei immer noch so wenig als möglich wagen. Er würde auch
mit der Offenheit, welche grade bei solchen Gewaltschritten seine verschlossene
Natur auszeichnet, wahrscheinlich den Deutschen gradezu sagen, daß eine unwi-
derstehliche Nothwendigkeit ihn zwinge. Deshalb ist für Preußen jede Vorsicht
geboten, und wir erkennen aus allen Schritten der preußischen Regierung, daß
sie sich ihrer unsichern Stellung zu der nächsten Zukunft Frankreichs vollständig
bewußt ist. Die Vorsicht in Betreff der Mainliiue, der Eifer, mir welchem an
der definitiven Constituirung des norddeutschen Bundes gearbeitet wird, sprechen
dafür. Auch für das deutsche Volk, soweit dies berufe" ist, im Reichstage dieses
Frühjahrs bei der Befestigung des Bundesstaats mitzuwirken, erwächst daraus
die dringende Aufgabe, mit Selbstverläugnung und Hingabe zu helfen, daß der
neue Staat errichtet und auf Grund seiner Cvnstctuirung die Verträge mit den
Zollvcreinsstaaten im Süden abgeschlossen werden. Uns ist jetzt nach mensch¬
lichem Ermessen ein halbes Jahr des Friedens für unsre Neugestaltungen ge¬
sichert, wir haben dafür zu sorgen, daß buse Zeit nicht ohne großes Resultat
vergehe.




gegen Preußen in der That bis ein die Grenze dessen gegangen, was ihm in
seiner Stellung möglich war. Gelingt ihm nicht, in diesem Jahr durch die
friedliche Beschäftigung seiner Franzosen und durch die Befriedigung des natio¬
nalen Selbstgefühls, welches der Völkerverkehr am Ausstellungsgcbäude den Pa¬
risern gewährt, den Franzosen eine neue gutwillige Anerkennung seiner Herr¬
schaft abzunöthigen, so wird er, wahrscheinlich ungern und in schwerer Sorge,
in den deutschen Verwickelungen eine Handhabe suchen, welche ihm gestattet,
das Gemüth der Franzosen festzuhalten. Ein solcher Schritt wäre für ihn ge¬
fährlicher als irgendein anderer, den er seit seiner Thronbesteigung gewagt, er
würde vorsichtig seine guten Chancen berechnen, sich vorher seiner Ueberlegenheit
versichern, und dabei immer noch so wenig als möglich wagen. Er würde auch
mit der Offenheit, welche grade bei solchen Gewaltschritten seine verschlossene
Natur auszeichnet, wahrscheinlich den Deutschen gradezu sagen, daß eine unwi-
derstehliche Nothwendigkeit ihn zwinge. Deshalb ist für Preußen jede Vorsicht
geboten, und wir erkennen aus allen Schritten der preußischen Regierung, daß
sie sich ihrer unsichern Stellung zu der nächsten Zukunft Frankreichs vollständig
bewußt ist. Die Vorsicht in Betreff der Mainliiue, der Eifer, mir welchem an
der definitiven Constituirung des norddeutschen Bundes gearbeitet wird, sprechen
dafür. Auch für das deutsche Volk, soweit dies berufe» ist, im Reichstage dieses
Frühjahrs bei der Befestigung des Bundesstaats mitzuwirken, erwächst daraus
die dringende Aufgabe, mit Selbstverläugnung und Hingabe zu helfen, daß der
neue Staat errichtet und auf Grund seiner Cvnstctuirung die Verträge mit den
Zollvcreinsstaaten im Süden abgeschlossen werden. Uns ist jetzt nach mensch¬
lichem Ermessen ein halbes Jahr des Friedens für unsre Neugestaltungen ge¬
sichert, wir haben dafür zu sorgen, daß buse Zeit nicht ohne großes Resultat
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[0206] gegen Preußen in der That bis ein die Grenze dessen gegangen, was ihm in seiner Stellung möglich war. Gelingt ihm nicht, in diesem Jahr durch die friedliche Beschäftigung seiner Franzosen und durch die Befriedigung des natio¬ nalen Selbstgefühls, welches der Völkerverkehr am Ausstellungsgcbäude den Pa¬ risern gewährt, den Franzosen eine neue gutwillige Anerkennung seiner Herr¬ schaft abzunöthigen, so wird er, wahrscheinlich ungern und in schwerer Sorge, in den deutschen Verwickelungen eine Handhabe suchen, welche ihm gestattet, das Gemüth der Franzosen festzuhalten. Ein solcher Schritt wäre für ihn ge¬ fährlicher als irgendein anderer, den er seit seiner Thronbesteigung gewagt, er würde vorsichtig seine guten Chancen berechnen, sich vorher seiner Ueberlegenheit versichern, und dabei immer noch so wenig als möglich wagen. Er würde auch mit der Offenheit, welche grade bei solchen Gewaltschritten seine verschlossene Natur auszeichnet, wahrscheinlich den Deutschen gradezu sagen, daß eine unwi- derstehliche Nothwendigkeit ihn zwinge. Deshalb ist für Preußen jede Vorsicht geboten, und wir erkennen aus allen Schritten der preußischen Regierung, daß sie sich ihrer unsichern Stellung zu der nächsten Zukunft Frankreichs vollständig bewußt ist. Die Vorsicht in Betreff der Mainliiue, der Eifer, mir welchem an der definitiven Constituirung des norddeutschen Bundes gearbeitet wird, sprechen dafür. Auch für das deutsche Volk, soweit dies berufe» ist, im Reichstage dieses Frühjahrs bei der Befestigung des Bundesstaats mitzuwirken, erwächst daraus die dringende Aufgabe, mit Selbstverläugnung und Hingabe zu helfen, daß der neue Staat errichtet und auf Grund seiner Cvnstctuirung die Verträge mit den Zollvcreinsstaaten im Süden abgeschlossen werden. Uns ist jetzt nach mensch¬ lichem Ermessen ein halbes Jahr des Friedens für unsre Neugestaltungen ge¬ sichert, wir haben dafür zu sorgen, daß buse Zeit nicht ohne großes Resultat vergehe.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/206>, abgerufen am 22.12.2024.