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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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seiner Glieder aber und die einflußreichsten Häupter haben sich dem Schicksal
und dem Dienste des norddeutschen Staates angeschlossen und gelten als
preußisch siesinnt. Für Bayern verheißt, wie dort die Verhältnisse liefen, die
Wahl eines unserer vornehmsten Herren zum leitenden Minister vorläufig das
Beste. nicht nur die äußere Politik Bayerns und die innern Reformen fordern
einen Führer, der in großen Verhältnissen gebildet ist, auch das persönliche
Verhältniß der Minister zur Krone bedarf dort, wenn die Staatsmaschine nicht
immer wieder stocken soll, einer Reform, welche der Autorität des Herrn
v. d. Pfordten nicht gelingen wollte, die aber dem Mitglied eines fürstlichen
Hauses nicht versagt werden kann. Die Regelung der Beziehungen zwischen
den Südstaaten und dem norddeutschen Bund verspricht nach Constituirunq des¬
selben den besten Fortgang, schneller, als wir hofften, ist ein Entgegenkommen
des Südens möglich geworden, und gewährt die Beruhigung, daß auch diese
Verbindung, die für so schwer galt, sich allmälig vertragsmäßig befestigen werde.

Nicht minder günstig für eine friedliche Entwickelung auf Vasis des prager
Friedens scheinen die Zustände Oestreichs. Leider sind sie uoch hoffnungsarm
für den Staat der Habsburger. Dort dauert Schmerz und Groll über die
preußische" Siege, auch der neue Handelsvertrag wird diese Stimmung der Ne¬
gierung nicht bessern, aber immer starker wird dort der Drang der innern
Schwierigkeiten; man möchte meinen, daß unter den Verfassungskämpfen und
dem Haß der Nationalitäten gegen einander der kaiserlichen Regierung sehr bald
ihr Wunsch, für die militärischen Niederlagen eine Satisfaction zu gewinnen,
begraben werden müsse. Aber freilich vermag eine Umwälzung in den Lebens-
bedingungen eines Staates nicht ebenso schnell umzuwandeln, was die leitenden
Menschen von Liebe und Haß und treibenden Ideen in sich tragen. Das Ver¬
nünftige für die kaiserliche Regierung wäre jetzt ohne Zweifel, aufrichtig und
ohne Hintergedanken ein freundliches Verhältniß und politisches Zusammen¬
wirken mit dem norddeutschen Bunde anzubahnen. Das erscheint in der Hof¬
burg unmöglich, übel verhüllt bricht der feindselige Gegensatz immer noch heraus,
es wird dem Hause der Lothringer zu schwer, hundertjährige Ansprüche auf
Deutschland aufzugeben. Für Preußen wird deshalb noch lange die höchste
Vorsicht geboten sein, denn die östreichische Sehnsucht nach einem Bündnis; mit
Frankreich hat leinen andern letzten Grund als den einer Revanche für Kvuigs-
grätz. und in Wahrheit birgt diese Coalition die einzige große Gefahr für den
Bundesstacit. ,

Unterdes fordern die Interessen Oestreichs bereits nach anderer Seite Auf-
merksamkeit und Rüstungen. Die orientalische Frage hebt sind im Süden Euro-
Pas aus dem Boden, gleich den untilgbaren Wurzelsprossen eines gefällten
Stammes, welche die Diplomatie vergebens abschneidet, so oft sie sich über der


Grenzboten I. 18V7. 25

seiner Glieder aber und die einflußreichsten Häupter haben sich dem Schicksal
und dem Dienste des norddeutschen Staates angeschlossen und gelten als
preußisch siesinnt. Für Bayern verheißt, wie dort die Verhältnisse liefen, die
Wahl eines unserer vornehmsten Herren zum leitenden Minister vorläufig das
Beste. nicht nur die äußere Politik Bayerns und die innern Reformen fordern
einen Führer, der in großen Verhältnissen gebildet ist, auch das persönliche
Verhältniß der Minister zur Krone bedarf dort, wenn die Staatsmaschine nicht
immer wieder stocken soll, einer Reform, welche der Autorität des Herrn
v. d. Pfordten nicht gelingen wollte, die aber dem Mitglied eines fürstlichen
Hauses nicht versagt werden kann. Die Regelung der Beziehungen zwischen
den Südstaaten und dem norddeutschen Bund verspricht nach Constituirunq des¬
selben den besten Fortgang, schneller, als wir hofften, ist ein Entgegenkommen
des Südens möglich geworden, und gewährt die Beruhigung, daß auch diese
Verbindung, die für so schwer galt, sich allmälig vertragsmäßig befestigen werde.

Nicht minder günstig für eine friedliche Entwickelung auf Vasis des prager
Friedens scheinen die Zustände Oestreichs. Leider sind sie uoch hoffnungsarm
für den Staat der Habsburger. Dort dauert Schmerz und Groll über die
preußische» Siege, auch der neue Handelsvertrag wird diese Stimmung der Ne¬
gierung nicht bessern, aber immer starker wird dort der Drang der innern
Schwierigkeiten; man möchte meinen, daß unter den Verfassungskämpfen und
dem Haß der Nationalitäten gegen einander der kaiserlichen Regierung sehr bald
ihr Wunsch, für die militärischen Niederlagen eine Satisfaction zu gewinnen,
begraben werden müsse. Aber freilich vermag eine Umwälzung in den Lebens-
bedingungen eines Staates nicht ebenso schnell umzuwandeln, was die leitenden
Menschen von Liebe und Haß und treibenden Ideen in sich tragen. Das Ver¬
nünftige für die kaiserliche Regierung wäre jetzt ohne Zweifel, aufrichtig und
ohne Hintergedanken ein freundliches Verhältniß und politisches Zusammen¬
wirken mit dem norddeutschen Bunde anzubahnen. Das erscheint in der Hof¬
burg unmöglich, übel verhüllt bricht der feindselige Gegensatz immer noch heraus,
es wird dem Hause der Lothringer zu schwer, hundertjährige Ansprüche auf
Deutschland aufzugeben. Für Preußen wird deshalb noch lange die höchste
Vorsicht geboten sein, denn die östreichische Sehnsucht nach einem Bündnis; mit
Frankreich hat leinen andern letzten Grund als den einer Revanche für Kvuigs-
grätz. und in Wahrheit birgt diese Coalition die einzige große Gefahr für den
Bundesstacit. ,

Unterdes fordern die Interessen Oestreichs bereits nach anderer Seite Auf-
merksamkeit und Rüstungen. Die orientalische Frage hebt sind im Süden Euro-
Pas aus dem Boden, gleich den untilgbaren Wurzelsprossen eines gefällten
Stammes, welche die Diplomatie vergebens abschneidet, so oft sie sich über der


Grenzboten I. 18V7. 25
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[0203] seiner Glieder aber und die einflußreichsten Häupter haben sich dem Schicksal und dem Dienste des norddeutschen Staates angeschlossen und gelten als preußisch siesinnt. Für Bayern verheißt, wie dort die Verhältnisse liefen, die Wahl eines unserer vornehmsten Herren zum leitenden Minister vorläufig das Beste. nicht nur die äußere Politik Bayerns und die innern Reformen fordern einen Führer, der in großen Verhältnissen gebildet ist, auch das persönliche Verhältniß der Minister zur Krone bedarf dort, wenn die Staatsmaschine nicht immer wieder stocken soll, einer Reform, welche der Autorität des Herrn v. d. Pfordten nicht gelingen wollte, die aber dem Mitglied eines fürstlichen Hauses nicht versagt werden kann. Die Regelung der Beziehungen zwischen den Südstaaten und dem norddeutschen Bund verspricht nach Constituirunq des¬ selben den besten Fortgang, schneller, als wir hofften, ist ein Entgegenkommen des Südens möglich geworden, und gewährt die Beruhigung, daß auch diese Verbindung, die für so schwer galt, sich allmälig vertragsmäßig befestigen werde. Nicht minder günstig für eine friedliche Entwickelung auf Vasis des prager Friedens scheinen die Zustände Oestreichs. Leider sind sie uoch hoffnungsarm für den Staat der Habsburger. Dort dauert Schmerz und Groll über die preußische» Siege, auch der neue Handelsvertrag wird diese Stimmung der Ne¬ gierung nicht bessern, aber immer starker wird dort der Drang der innern Schwierigkeiten; man möchte meinen, daß unter den Verfassungskämpfen und dem Haß der Nationalitäten gegen einander der kaiserlichen Regierung sehr bald ihr Wunsch, für die militärischen Niederlagen eine Satisfaction zu gewinnen, begraben werden müsse. Aber freilich vermag eine Umwälzung in den Lebens- bedingungen eines Staates nicht ebenso schnell umzuwandeln, was die leitenden Menschen von Liebe und Haß und treibenden Ideen in sich tragen. Das Ver¬ nünftige für die kaiserliche Regierung wäre jetzt ohne Zweifel, aufrichtig und ohne Hintergedanken ein freundliches Verhältniß und politisches Zusammen¬ wirken mit dem norddeutschen Bunde anzubahnen. Das erscheint in der Hof¬ burg unmöglich, übel verhüllt bricht der feindselige Gegensatz immer noch heraus, es wird dem Hause der Lothringer zu schwer, hundertjährige Ansprüche auf Deutschland aufzugeben. Für Preußen wird deshalb noch lange die höchste Vorsicht geboten sein, denn die östreichische Sehnsucht nach einem Bündnis; mit Frankreich hat leinen andern letzten Grund als den einer Revanche für Kvuigs- grätz. und in Wahrheit birgt diese Coalition die einzige große Gefahr für den Bundesstacit. , Unterdes fordern die Interessen Oestreichs bereits nach anderer Seite Auf- merksamkeit und Rüstungen. Die orientalische Frage hebt sind im Süden Euro- Pas aus dem Boden, gleich den untilgbaren Wurzelsprossen eines gefällten Stammes, welche die Diplomatie vergebens abschneidet, so oft sie sich über der Grenzboten I. 18V7. 25

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/203>, abgerufen am 01.07.2024.