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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Es konnte, nachdem die neue Oper -- von der man bald erkannt hatte,
daß sie in gleicher Weise den Gipfelpunkt der italienischen wie der deutschen
Musik bildete -- perdienten Beifall einmal gefunden und ihren Weg durch die
Welt angetreten hatte, nicht ausbleiben, daß ihr Text auch ins Deutsche über¬
sehe wurde. Wenn Spanier, Franzosen und Engländer sich damit zufrieden
geben, eine Oper in einer Sprache vorgeführt zu sehen, die sie nicht verstehen,
so ist dies doch in Deutschland wesentlich anders. Unsrem Verlangen, nur
deutsch singen zu hören, haben wir eine unzählige Menge der abscheulichsten
Uebersetzungen und nur sehr wenige gute Originaltexte zu verdanken. Kein
anderer Operntext aber hat so zahlreiche Dolmetscher gefunden, als der des
Don Juan und es ist in der That interessant, die Bemühungen zu verfolgen,
die seinetwegen gemacht worden sind. Die Zahl der Uebertragungen wurde in
jüngster Zeit durch eine ebenso fleißige, als von größter Liebe und Einsicht
Zeugniß gebende Arbeit vermehrt; dennoch werden die Bestrebungen nach Voll¬
endetcren Ueberhebungen auch dadurch noch nicht als abgeschlossen zu betrachten
sein. Im vorliegenden Falle bestätigen eben die zahlreich versuchten Ueber-
tragungen zunächst das Interesse für das musikalische Kunstwerk und geben einen
unumstößlichen Beweis für dessen seltene Vorzüglichkeit und für die Anerkennung
derselben.

Die erste Ueberseizung wurde wohl von Mozart selbst begonnen, aber leider
nnr bis zum Schlüsse der Introduction vollendet; außerdem ist der größte
Theil des zweiten Finales von ihm übertragen. Mozart war bekanntlich ein
Meister in launigen Knittelversen. Viel höhere Anforderungen wurden aber zu
seiner Zeit in Wien an den Operntext nicht gemacht; wir finden in deutschen
Textbüchern ans jenen Tagen die abschreckendsten Reimereien. Mozarts Ver¬
deutschung ist kein poetisches Meisterwerk, aber es ist mindestens ebenso gut als
dasjenige, was Librettoschreiber von Ruf, z, B. Stcfsani d. I., Brctzner, sanfter,
Pcrinek, Schickancdcr und andere in diesem Fache gegeben haben. Als Beispiel
und zum Vergleich lassen wir eine allgemein bekannte Arie in Mozarts Ueber-
tragung hier folgen:


Ilitrodusioii".
Leporello (krähet auf und ab).
Nacht und Tag im ganzen Jahr,
Keine Ruhe, meist Gefahr!
Schlechten Lohn und Prügel gar!

als Idealisten charakterisirt. Diese vielleicht beste dramatische Arbeit Grabbes ist reich an
große" und unvergänglichen Schönheiten und überragt die Dichtung Lencrns, der i" seinem
Faust ähnliches erstrebte, weitaus. Schon der Gedanke, die beiden Heide" der Sage in eine
dmnmiische Handlung zu verweben, ist kühn und bedentend. Aber obwohl eigentlich im Faust-
charotter der des Don Juans enthaltn, ist, erscheint dieser in Grabbes Drama lebendiger,
Heller, in anschanlichercu Kreisen des Lebensgenusses sich bewegend und so den ernsten Magier,
der sich schwerer ans seinen geheimnisvollen Gedankenkreisen hinaus verliert, verdunkelnd.

Es konnte, nachdem die neue Oper — von der man bald erkannt hatte,
daß sie in gleicher Weise den Gipfelpunkt der italienischen wie der deutschen
Musik bildete — perdienten Beifall einmal gefunden und ihren Weg durch die
Welt angetreten hatte, nicht ausbleiben, daß ihr Text auch ins Deutsche über¬
sehe wurde. Wenn Spanier, Franzosen und Engländer sich damit zufrieden
geben, eine Oper in einer Sprache vorgeführt zu sehen, die sie nicht verstehen,
so ist dies doch in Deutschland wesentlich anders. Unsrem Verlangen, nur
deutsch singen zu hören, haben wir eine unzählige Menge der abscheulichsten
Uebersetzungen und nur sehr wenige gute Originaltexte zu verdanken. Kein
anderer Operntext aber hat so zahlreiche Dolmetscher gefunden, als der des
Don Juan und es ist in der That interessant, die Bemühungen zu verfolgen,
die seinetwegen gemacht worden sind. Die Zahl der Uebertragungen wurde in
jüngster Zeit durch eine ebenso fleißige, als von größter Liebe und Einsicht
Zeugniß gebende Arbeit vermehrt; dennoch werden die Bestrebungen nach Voll¬
endetcren Ueberhebungen auch dadurch noch nicht als abgeschlossen zu betrachten
sein. Im vorliegenden Falle bestätigen eben die zahlreich versuchten Ueber-
tragungen zunächst das Interesse für das musikalische Kunstwerk und geben einen
unumstößlichen Beweis für dessen seltene Vorzüglichkeit und für die Anerkennung
derselben.

Die erste Ueberseizung wurde wohl von Mozart selbst begonnen, aber leider
nnr bis zum Schlüsse der Introduction vollendet; außerdem ist der größte
Theil des zweiten Finales von ihm übertragen. Mozart war bekanntlich ein
Meister in launigen Knittelversen. Viel höhere Anforderungen wurden aber zu
seiner Zeit in Wien an den Operntext nicht gemacht; wir finden in deutschen
Textbüchern ans jenen Tagen die abschreckendsten Reimereien. Mozarts Ver¬
deutschung ist kein poetisches Meisterwerk, aber es ist mindestens ebenso gut als
dasjenige, was Librettoschreiber von Ruf, z, B. Stcfsani d. I., Brctzner, sanfter,
Pcrinek, Schickancdcr und andere in diesem Fache gegeben haben. Als Beispiel
und zum Vergleich lassen wir eine allgemein bekannte Arie in Mozarts Ueber-
tragung hier folgen:


Ilitrodusioii«.
Leporello (krähet auf und ab).
Nacht und Tag im ganzen Jahr,
Keine Ruhe, meist Gefahr!
Schlechten Lohn und Prügel gar!

als Idealisten charakterisirt. Diese vielleicht beste dramatische Arbeit Grabbes ist reich an
große» und unvergänglichen Schönheiten und überragt die Dichtung Lencrns, der i» seinem
Faust ähnliches erstrebte, weitaus. Schon der Gedanke, die beiden Heide» der Sage in eine
dmnmiische Handlung zu verweben, ist kühn und bedentend. Aber obwohl eigentlich im Faust-
charotter der des Don Juans enthaltn, ist, erscheint dieser in Grabbes Drama lebendiger,
Heller, in anschanlichercu Kreisen des Lebensgenusses sich bewegend und so den ernsten Magier,
der sich schwerer ans seinen geheimnisvollen Gedankenkreisen hinaus verliert, verdunkelnd.
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[0194] Es konnte, nachdem die neue Oper — von der man bald erkannt hatte, daß sie in gleicher Weise den Gipfelpunkt der italienischen wie der deutschen Musik bildete — perdienten Beifall einmal gefunden und ihren Weg durch die Welt angetreten hatte, nicht ausbleiben, daß ihr Text auch ins Deutsche über¬ sehe wurde. Wenn Spanier, Franzosen und Engländer sich damit zufrieden geben, eine Oper in einer Sprache vorgeführt zu sehen, die sie nicht verstehen, so ist dies doch in Deutschland wesentlich anders. Unsrem Verlangen, nur deutsch singen zu hören, haben wir eine unzählige Menge der abscheulichsten Uebersetzungen und nur sehr wenige gute Originaltexte zu verdanken. Kein anderer Operntext aber hat so zahlreiche Dolmetscher gefunden, als der des Don Juan und es ist in der That interessant, die Bemühungen zu verfolgen, die seinetwegen gemacht worden sind. Die Zahl der Uebertragungen wurde in jüngster Zeit durch eine ebenso fleißige, als von größter Liebe und Einsicht Zeugniß gebende Arbeit vermehrt; dennoch werden die Bestrebungen nach Voll¬ endetcren Ueberhebungen auch dadurch noch nicht als abgeschlossen zu betrachten sein. Im vorliegenden Falle bestätigen eben die zahlreich versuchten Ueber- tragungen zunächst das Interesse für das musikalische Kunstwerk und geben einen unumstößlichen Beweis für dessen seltene Vorzüglichkeit und für die Anerkennung derselben. Die erste Ueberseizung wurde wohl von Mozart selbst begonnen, aber leider nnr bis zum Schlüsse der Introduction vollendet; außerdem ist der größte Theil des zweiten Finales von ihm übertragen. Mozart war bekanntlich ein Meister in launigen Knittelversen. Viel höhere Anforderungen wurden aber zu seiner Zeit in Wien an den Operntext nicht gemacht; wir finden in deutschen Textbüchern ans jenen Tagen die abschreckendsten Reimereien. Mozarts Ver¬ deutschung ist kein poetisches Meisterwerk, aber es ist mindestens ebenso gut als dasjenige, was Librettoschreiber von Ruf, z, B. Stcfsani d. I., Brctzner, sanfter, Pcrinek, Schickancdcr und andere in diesem Fache gegeben haben. Als Beispiel und zum Vergleich lassen wir eine allgemein bekannte Arie in Mozarts Ueber- tragung hier folgen: Ilitrodusioii«. Leporello (krähet auf und ab). Nacht und Tag im ganzen Jahr, Keine Ruhe, meist Gefahr! Schlechten Lohn und Prügel gar! als Idealisten charakterisirt. Diese vielleicht beste dramatische Arbeit Grabbes ist reich an große» und unvergänglichen Schönheiten und überragt die Dichtung Lencrns, der i» seinem Faust ähnliches erstrebte, weitaus. Schon der Gedanke, die beiden Heide» der Sage in eine dmnmiische Handlung zu verweben, ist kühn und bedentend. Aber obwohl eigentlich im Faust- charotter der des Don Juans enthaltn, ist, erscheint dieser in Grabbes Drama lebendiger, Heller, in anschanlichercu Kreisen des Lebensgenusses sich bewegend und so den ernsten Magier, der sich schwerer ans seinen geheimnisvollen Gedankenkreisen hinaus verliert, verdunkelnd.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/194>, abgerufen am 22.12.2024.