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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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ganz zu vermeiden. Das Versammlungsrecht und die Preßfreiheit wurde erheb-
lich eingeschränkt, aber von scharfen Straf- und Präventivmaßregeln, wie man
sie in einem widerwillig unterworfenen Lande hätte erwarten sollen, war nicht
die Rede. Gewiß fühlten sich zahlreiche Beamte und Privatleute, die im
augustenburgischen oder östreichischen Sinne thätig gewesen waren, in ihrer Stel¬
lung oder ihrer Existenz bedroht, aber die Angst war umsonst: wer sich offen¬
barer Kundgebungen gegen die neue Ordnung enthielt, ward in Frieden gelassen
und so fügte sich denn auch Holstein ohne Widerstreben. In diesem Verhalten
des Oberpräsidenten liegt die beste Rechtfertigung seiner Wahl seitens der preu¬
ßischen Regierung. Freilich wird diese unsere Auffassung von vielen unserer
durch mancherlei Kränkungen erbitterter Freunde, wie auch namentlich in hohen
militärischen Kreisen nicht getheilt; man tadelt vielmehr unverhohlen das milde
Verfahren und das offenbare Bemühen Scheel-PIessens, einen Theil der hervor¬
ragenden Augustenburger zu gewinnen. Man beruft sich in dieser Hinsicht auf
diese oder jene schüchterne Demonstration gegen Preußen, welche bei einem
strengeren Regimente unmöglich wäre, aber man vergißt, wie wenig Bedeutung
dergleichen Aeußerungen haben, wie geringer Werth daher auch ihrer Unter¬
drückung beizulegen wäre. Die Gesinnung hätte man höchstens noch etwas
mehr verbittert, ohne etwas Wesentliches zu gewinnen.

Die dem Oberpräsidenten von uns gezollte Anerkennung ist um so unpar¬
teiischer, als wir im Uebrigen sein Anfahren in vieler Hinsicht durchaus mi߬
billigen müssen. So scharfsinnig und gewandt Scheel-Plessen ist. er scheint doch
weder durch seine wahre Gesinnung, noch durch seine ganze Vergangenheit zu
einem hochgestellten preußischen Vcnvaltungsbeamten vorwiegend geeignet. Sein
Ideal war die Personalunion mit Dänemark und zwar in der Art. wie sie bis
kurz vor der Revolution bestand, als der holsteinische Adel die dänische Mon¬
archie regierte. Von einer nationalen Auffassung, welche Preußen als den
deutschen Staat erkennt und deshalb die Aufnahme in jenes mit Freuden be¬
grüßt, scheint er weit entfernt. Freilich hat er, scharfsinniger als seine meisten
polirischen Freunde, früh erkannt, daß an eine so lose Verbindung Schleswig-
Holsteins mit Preußen, wie sie die Personalunion giebt, nicht zu denken wäre,
aber dennoch ist er bestrebt, möglichst viele und zwar auch sehr unberechtigte
Eigenthümlichkeiten zu retten und die nothwendige organische Einfügung in den
großen Staat hinauszuschieben. Ein Mangel an deutschem Sinn, welcher in
dem Umstand, daß seine sämmtlichen Güter in Dänemark liegen, einen bedenk¬
lichen Stützpunkt hehl^t, hat zwar nicht verhindert, daß er von Zeit zu Zeit mit
den nationalen gegen den gemeinschaftlichen Gegner, früher die dänische Demo¬
kratie, später die Augustenburger, gemeinschaftliche Sache machte, aber von beiden
Seiten hat man nie verkannt, daß keine volle Gleichheit der Gesinnung, keine
wahre Freundschaft vorhanden sei.


ganz zu vermeiden. Das Versammlungsrecht und die Preßfreiheit wurde erheb-
lich eingeschränkt, aber von scharfen Straf- und Präventivmaßregeln, wie man
sie in einem widerwillig unterworfenen Lande hätte erwarten sollen, war nicht
die Rede. Gewiß fühlten sich zahlreiche Beamte und Privatleute, die im
augustenburgischen oder östreichischen Sinne thätig gewesen waren, in ihrer Stel¬
lung oder ihrer Existenz bedroht, aber die Angst war umsonst: wer sich offen¬
barer Kundgebungen gegen die neue Ordnung enthielt, ward in Frieden gelassen
und so fügte sich denn auch Holstein ohne Widerstreben. In diesem Verhalten
des Oberpräsidenten liegt die beste Rechtfertigung seiner Wahl seitens der preu¬
ßischen Regierung. Freilich wird diese unsere Auffassung von vielen unserer
durch mancherlei Kränkungen erbitterter Freunde, wie auch namentlich in hohen
militärischen Kreisen nicht getheilt; man tadelt vielmehr unverhohlen das milde
Verfahren und das offenbare Bemühen Scheel-PIessens, einen Theil der hervor¬
ragenden Augustenburger zu gewinnen. Man beruft sich in dieser Hinsicht auf
diese oder jene schüchterne Demonstration gegen Preußen, welche bei einem
strengeren Regimente unmöglich wäre, aber man vergißt, wie wenig Bedeutung
dergleichen Aeußerungen haben, wie geringer Werth daher auch ihrer Unter¬
drückung beizulegen wäre. Die Gesinnung hätte man höchstens noch etwas
mehr verbittert, ohne etwas Wesentliches zu gewinnen.

Die dem Oberpräsidenten von uns gezollte Anerkennung ist um so unpar¬
teiischer, als wir im Uebrigen sein Anfahren in vieler Hinsicht durchaus mi߬
billigen müssen. So scharfsinnig und gewandt Scheel-Plessen ist. er scheint doch
weder durch seine wahre Gesinnung, noch durch seine ganze Vergangenheit zu
einem hochgestellten preußischen Vcnvaltungsbeamten vorwiegend geeignet. Sein
Ideal war die Personalunion mit Dänemark und zwar in der Art. wie sie bis
kurz vor der Revolution bestand, als der holsteinische Adel die dänische Mon¬
archie regierte. Von einer nationalen Auffassung, welche Preußen als den
deutschen Staat erkennt und deshalb die Aufnahme in jenes mit Freuden be¬
grüßt, scheint er weit entfernt. Freilich hat er, scharfsinniger als seine meisten
polirischen Freunde, früh erkannt, daß an eine so lose Verbindung Schleswig-
Holsteins mit Preußen, wie sie die Personalunion giebt, nicht zu denken wäre,
aber dennoch ist er bestrebt, möglichst viele und zwar auch sehr unberechtigte
Eigenthümlichkeiten zu retten und die nothwendige organische Einfügung in den
großen Staat hinauszuschieben. Ein Mangel an deutschem Sinn, welcher in
dem Umstand, daß seine sämmtlichen Güter in Dänemark liegen, einen bedenk¬
lichen Stützpunkt hehl^t, hat zwar nicht verhindert, daß er von Zeit zu Zeit mit
den nationalen gegen den gemeinschaftlichen Gegner, früher die dänische Demo¬
kratie, später die Augustenburger, gemeinschaftliche Sache machte, aber von beiden
Seiten hat man nie verkannt, daß keine volle Gleichheit der Gesinnung, keine
wahre Freundschaft vorhanden sei.


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[0172] ganz zu vermeiden. Das Versammlungsrecht und die Preßfreiheit wurde erheb- lich eingeschränkt, aber von scharfen Straf- und Präventivmaßregeln, wie man sie in einem widerwillig unterworfenen Lande hätte erwarten sollen, war nicht die Rede. Gewiß fühlten sich zahlreiche Beamte und Privatleute, die im augustenburgischen oder östreichischen Sinne thätig gewesen waren, in ihrer Stel¬ lung oder ihrer Existenz bedroht, aber die Angst war umsonst: wer sich offen¬ barer Kundgebungen gegen die neue Ordnung enthielt, ward in Frieden gelassen und so fügte sich denn auch Holstein ohne Widerstreben. In diesem Verhalten des Oberpräsidenten liegt die beste Rechtfertigung seiner Wahl seitens der preu¬ ßischen Regierung. Freilich wird diese unsere Auffassung von vielen unserer durch mancherlei Kränkungen erbitterter Freunde, wie auch namentlich in hohen militärischen Kreisen nicht getheilt; man tadelt vielmehr unverhohlen das milde Verfahren und das offenbare Bemühen Scheel-PIessens, einen Theil der hervor¬ ragenden Augustenburger zu gewinnen. Man beruft sich in dieser Hinsicht auf diese oder jene schüchterne Demonstration gegen Preußen, welche bei einem strengeren Regimente unmöglich wäre, aber man vergißt, wie wenig Bedeutung dergleichen Aeußerungen haben, wie geringer Werth daher auch ihrer Unter¬ drückung beizulegen wäre. Die Gesinnung hätte man höchstens noch etwas mehr verbittert, ohne etwas Wesentliches zu gewinnen. Die dem Oberpräsidenten von uns gezollte Anerkennung ist um so unpar¬ teiischer, als wir im Uebrigen sein Anfahren in vieler Hinsicht durchaus mi߬ billigen müssen. So scharfsinnig und gewandt Scheel-Plessen ist. er scheint doch weder durch seine wahre Gesinnung, noch durch seine ganze Vergangenheit zu einem hochgestellten preußischen Vcnvaltungsbeamten vorwiegend geeignet. Sein Ideal war die Personalunion mit Dänemark und zwar in der Art. wie sie bis kurz vor der Revolution bestand, als der holsteinische Adel die dänische Mon¬ archie regierte. Von einer nationalen Auffassung, welche Preußen als den deutschen Staat erkennt und deshalb die Aufnahme in jenes mit Freuden be¬ grüßt, scheint er weit entfernt. Freilich hat er, scharfsinniger als seine meisten polirischen Freunde, früh erkannt, daß an eine so lose Verbindung Schleswig- Holsteins mit Preußen, wie sie die Personalunion giebt, nicht zu denken wäre, aber dennoch ist er bestrebt, möglichst viele und zwar auch sehr unberechtigte Eigenthümlichkeiten zu retten und die nothwendige organische Einfügung in den großen Staat hinauszuschieben. Ein Mangel an deutschem Sinn, welcher in dem Umstand, daß seine sämmtlichen Güter in Dänemark liegen, einen bedenk¬ lichen Stützpunkt hehl^t, hat zwar nicht verhindert, daß er von Zeit zu Zeit mit den nationalen gegen den gemeinschaftlichen Gegner, früher die dänische Demo¬ kratie, später die Augustenburger, gemeinschaftliche Sache machte, aber von beiden Seiten hat man nie verkannt, daß keine volle Gleichheit der Gesinnung, keine wahre Freundschaft vorhanden sei.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/172>, abgerufen am 04.07.2024.