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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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und pro Mann ein Beitrag von 225 Thaler jedem Bundesstaat berechnet wer¬
den soll, so werden außer den Einnahmen von Zollen, Verbrauchsteuern, Posten
und Telegraphie von sämmtlichen Bundesstaaten noch directe Geldzuschüsse für
die Bundeskasse aufgebracht werden müssen.

Bis jetzt zog sich nach allem, was man vernimmt, in den berliner Con-
ferenzen die Verhandlung vorzugsweise um den letzten Punkt. Und in der That
sind die Schwierigkeiten, 225 Thaler pro Mann aufzubringen, für alle Bundes-
staaten, mit Ausnahme etwa von Sachsen und Braunschweig, unüberwindlich.
Die Kleinstaaten haben bis jetzt wenig für Militär ausgegeben, dagegen ist ein
großer Theil ihrer Einnahmen durch den Hofhalt, die größere Beamtenzahl,
ferner aber auch für Landesculturen ausgegeben worden, welche eine Restriction
nicht dulden, z. B. für Volksschulen und Lehrergehalte. Bei einzelnen dieser
kleinen Staaten ist die Mehrsordcrung zu Militärzwecken so bedeutend, daß sie
kaum gedeckt wird, wenn man die ganzen Kosten der Landeshoheit und der
Beamtenmaschinerie hineinrechnet. Da nun Preußen jetzt nicht Wunsch und
Willen haben kann, diese Staaten zu säcularisiren, so wird doch zuletzt eine
Ausgleichung der localen Lebensinteressen mit der preußischen Forderung erzielt
werden müssen, wahrscheinlich, indem man sich auf Uebergangsstadicn und ein
Jnterimisticum einigt.

Gegen einen andern Punkt richtet sich die Sorge der nationalen Partei
im Volke. Man fordert für den Reichstag das Budgetrecht. Und diese Forde¬
rung liegt so sehr im Wesen jeder parlamentarischen Versammlung, daß die
preußische Negierung derselben vielleicht schon bei definitiver Feststellung ihres
Entwurfs entgegenkommen wird, wo nicht, einen Kampf darum mit dem Reichs¬
tage zu erwarten hat. Aber auch wenn das Budgetrecht dem Reichstage be¬
willigt wird, bleibt die innere größere Schwierigkeit, daß der Reichstag nach
der Organisation des Bundes in Wahrheit vorläufig nicht ein wirkliches Budget¬
recht ausüben kann. Seine Fähigkeit über Einnahmen und Ausgaben zu dis-
poninn, muß doch höchst beschränkt bleiben, denn die Einnahmen ruhen zum
größten Theil auf Verträgen der Bundesstaaten oder auf Verträgen mit dem
Auslande, die Ausgaben geschehen zum größten Theil durch eine Macht, welche
sich seiner Controle entzieht, durch das Bundespräsidium, und nach den preußi¬
schen Bestimmungen über Heereseinrichtung. Der Bundeskanzler ist preußischer
Beamter, nur seinem König und dem preußischen Gesetz verantwortlich u. s. w.
Der Reichstag aber ist in Wirklichkeit trotz allen Ehren und Befugnissen, welche
man ihm zuertheilt. gegenüber dem festgefügten Bau des preußischen Staates
vorläufig nur ein Zoll- und Vcrkchrsparlcuncnt.

Ob er im Laufe der Zeit etwas Anderes werden wird und ob der Schwer¬
punkt des deutschen Verfassungslebens auf ihn übergehen oder in dem preu¬
ßischen Landtag bleiben soll, das ist eine Frage, welche zunächst die nationale


und pro Mann ein Beitrag von 225 Thaler jedem Bundesstaat berechnet wer¬
den soll, so werden außer den Einnahmen von Zollen, Verbrauchsteuern, Posten
und Telegraphie von sämmtlichen Bundesstaaten noch directe Geldzuschüsse für
die Bundeskasse aufgebracht werden müssen.

Bis jetzt zog sich nach allem, was man vernimmt, in den berliner Con-
ferenzen die Verhandlung vorzugsweise um den letzten Punkt. Und in der That
sind die Schwierigkeiten, 225 Thaler pro Mann aufzubringen, für alle Bundes-
staaten, mit Ausnahme etwa von Sachsen und Braunschweig, unüberwindlich.
Die Kleinstaaten haben bis jetzt wenig für Militär ausgegeben, dagegen ist ein
großer Theil ihrer Einnahmen durch den Hofhalt, die größere Beamtenzahl,
ferner aber auch für Landesculturen ausgegeben worden, welche eine Restriction
nicht dulden, z. B. für Volksschulen und Lehrergehalte. Bei einzelnen dieser
kleinen Staaten ist die Mehrsordcrung zu Militärzwecken so bedeutend, daß sie
kaum gedeckt wird, wenn man die ganzen Kosten der Landeshoheit und der
Beamtenmaschinerie hineinrechnet. Da nun Preußen jetzt nicht Wunsch und
Willen haben kann, diese Staaten zu säcularisiren, so wird doch zuletzt eine
Ausgleichung der localen Lebensinteressen mit der preußischen Forderung erzielt
werden müssen, wahrscheinlich, indem man sich auf Uebergangsstadicn und ein
Jnterimisticum einigt.

Gegen einen andern Punkt richtet sich die Sorge der nationalen Partei
im Volke. Man fordert für den Reichstag das Budgetrecht. Und diese Forde¬
rung liegt so sehr im Wesen jeder parlamentarischen Versammlung, daß die
preußische Negierung derselben vielleicht schon bei definitiver Feststellung ihres
Entwurfs entgegenkommen wird, wo nicht, einen Kampf darum mit dem Reichs¬
tage zu erwarten hat. Aber auch wenn das Budgetrecht dem Reichstage be¬
willigt wird, bleibt die innere größere Schwierigkeit, daß der Reichstag nach
der Organisation des Bundes in Wahrheit vorläufig nicht ein wirkliches Budget¬
recht ausüben kann. Seine Fähigkeit über Einnahmen und Ausgaben zu dis-
poninn, muß doch höchst beschränkt bleiben, denn die Einnahmen ruhen zum
größten Theil auf Verträgen der Bundesstaaten oder auf Verträgen mit dem
Auslande, die Ausgaben geschehen zum größten Theil durch eine Macht, welche
sich seiner Controle entzieht, durch das Bundespräsidium, und nach den preußi¬
schen Bestimmungen über Heereseinrichtung. Der Bundeskanzler ist preußischer
Beamter, nur seinem König und dem preußischen Gesetz verantwortlich u. s. w.
Der Reichstag aber ist in Wirklichkeit trotz allen Ehren und Befugnissen, welche
man ihm zuertheilt. gegenüber dem festgefügten Bau des preußischen Staates
vorläufig nur ein Zoll- und Vcrkchrsparlcuncnt.

Ob er im Laufe der Zeit etwas Anderes werden wird und ob der Schwer¬
punkt des deutschen Verfassungslebens auf ihn übergehen oder in dem preu¬
ßischen Landtag bleiben soll, das ist eine Frage, welche zunächst die nationale


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/167>, abgerufen am 02.07.2024.