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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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vorliegt. Die Hauptthatsächen der Geschichte der Donaufürstenthümer, nament¬
lich die siebenjährige Regierung des Obersten Couza und die friedliche Revolution
vom 23. Februar des verflossenen Jahres hat ein ungenannter Mitarbeiter zum
Gegenstande einer Besprechung gemacht, welche sich durch billiges Urtheil und
verständige Mäßigung in Hoffnungen und Forderungen auszeichnet.

Wir fügen hieran am besten die biographischen Arbeiten über einige be¬
deutende Männer, welche Italien in den letzten Jahren verloren hat. Giusti,
den in Deutschland durch Hcyses treffliche Übersetzungen bekannt gewordenen
"italienischen B6rcmger", Massimo d'Azeglio, dessen staunenswerthe Vielseitig¬
keit, immer rege Arbeitskraft und edle Gesinnung auch diesseits der Alpen die
verdiente Anerkennung gefunden hat, Angelo Blofferio, den rührigen Schrift¬
steller und Politiker, Francesco Silvio Orlandini, den Herausgeber von Foscolvs
Werken, den Dichter und gewissenhaften Schulmann, dem es nicht mehr ver¬
gönnt gemessen, das Ende der päpstlichen Herrschaft zu sehen, dessen er mit
nicht geringerer Ungeduld als sein Freund Niccvlini geharrt hat, Giuseppe*
Puccivni, dessen Verdienste um das Cmninalrecht von einem Fachgenossen
ausführlich gewürdigt werden. Ein im April gedruckter, somit jetzt bereits be¬
deutender Nachträge bedürftiger Artikel über die politische Thätigkeit des Grafen
Bismarck ist geeignet, die Vorgänge im staatlichen Leben Deutschlands während
der letzten zwanzig Jihre im Zusammenhang überblicken zu lassen; er ist höchst
lebendig geschrieben und zeigt bisweilen jenen Humor, der bei der Betrachtung
diplomatischer Strategie in einem ferner Stehenden leicht sich regt; sein Ver¬
fasser ist der nämliche Professor Ruggiero Bvnghi, dessen unlängst erschienene
Schrift über den "Universitätsunterricht in Italien" überall mit so großem In¬
teresse aufgenommen worden ist. Er leitet uns über zu den Beiträgen, welche
sich mit Fragen der praktischen Politik beschäftigen.

Im Vordergrunde steht hier selbstverständlich die römische Frage. Während
Herr Giuseppe Cancstrini, der verdiente Herausgeber der unedirten Werke Guic-
ciardiius, mit der bekannten Stelle im vierten Buche der "Geschichte"" dieses
letzter" und mit der nicht minder entschiedenen im ersten Buche von Machia-
vellis "Discorsi" Aussprüche zusammenstellt, i" welchen andere italienische Denker
des fünfzehnte" Jahrhunderts die weltliche Herrschaft des Papstes angreifen und
daran die Aufzählung vo" Thatsachen reiht, welche die Verderblichkeit derselbe"
erhärten sollen, zeichnet Givrgini die Stellung der liberalen Partei der Kirche
gegenüber und möchte das Parlament veranlassen, vo" der Herstellung der
"freien Kirche im freien Staate" abstehend, "meer Anerkennung des jetzigen
Kirchenstaates und aufrichtig gemeinter Versicherung der Nichteuimischung in die
inneren Angelegenheiten desselben, den Frieden mit dem Papste, eine Verein¬
barung über das Verhältniß der Kirche zum Staate und damit die Beruhigung
eines Theiles der Bevölkerung anzustreben, dessen Umfang er nicht zu unter-


vorliegt. Die Hauptthatsächen der Geschichte der Donaufürstenthümer, nament¬
lich die siebenjährige Regierung des Obersten Couza und die friedliche Revolution
vom 23. Februar des verflossenen Jahres hat ein ungenannter Mitarbeiter zum
Gegenstande einer Besprechung gemacht, welche sich durch billiges Urtheil und
verständige Mäßigung in Hoffnungen und Forderungen auszeichnet.

Wir fügen hieran am besten die biographischen Arbeiten über einige be¬
deutende Männer, welche Italien in den letzten Jahren verloren hat. Giusti,
den in Deutschland durch Hcyses treffliche Übersetzungen bekannt gewordenen
„italienischen B6rcmger", Massimo d'Azeglio, dessen staunenswerthe Vielseitig¬
keit, immer rege Arbeitskraft und edle Gesinnung auch diesseits der Alpen die
verdiente Anerkennung gefunden hat, Angelo Blofferio, den rührigen Schrift¬
steller und Politiker, Francesco Silvio Orlandini, den Herausgeber von Foscolvs
Werken, den Dichter und gewissenhaften Schulmann, dem es nicht mehr ver¬
gönnt gemessen, das Ende der päpstlichen Herrschaft zu sehen, dessen er mit
nicht geringerer Ungeduld als sein Freund Niccvlini geharrt hat, Giuseppe*
Puccivni, dessen Verdienste um das Cmninalrecht von einem Fachgenossen
ausführlich gewürdigt werden. Ein im April gedruckter, somit jetzt bereits be¬
deutender Nachträge bedürftiger Artikel über die politische Thätigkeit des Grafen
Bismarck ist geeignet, die Vorgänge im staatlichen Leben Deutschlands während
der letzten zwanzig Jihre im Zusammenhang überblicken zu lassen; er ist höchst
lebendig geschrieben und zeigt bisweilen jenen Humor, der bei der Betrachtung
diplomatischer Strategie in einem ferner Stehenden leicht sich regt; sein Ver¬
fasser ist der nämliche Professor Ruggiero Bvnghi, dessen unlängst erschienene
Schrift über den „Universitätsunterricht in Italien" überall mit so großem In¬
teresse aufgenommen worden ist. Er leitet uns über zu den Beiträgen, welche
sich mit Fragen der praktischen Politik beschäftigen.

Im Vordergrunde steht hier selbstverständlich die römische Frage. Während
Herr Giuseppe Cancstrini, der verdiente Herausgeber der unedirten Werke Guic-
ciardiius, mit der bekannten Stelle im vierten Buche der „Geschichte»" dieses
letzter» und mit der nicht minder entschiedenen im ersten Buche von Machia-
vellis „Discorsi" Aussprüche zusammenstellt, i» welchen andere italienische Denker
des fünfzehnte» Jahrhunderts die weltliche Herrschaft des Papstes angreifen und
daran die Aufzählung vo» Thatsachen reiht, welche die Verderblichkeit derselbe»
erhärten sollen, zeichnet Givrgini die Stellung der liberalen Partei der Kirche
gegenüber und möchte das Parlament veranlassen, vo» der Herstellung der
„freien Kirche im freien Staate" abstehend, »meer Anerkennung des jetzigen
Kirchenstaates und aufrichtig gemeinter Versicherung der Nichteuimischung in die
inneren Angelegenheiten desselben, den Frieden mit dem Papste, eine Verein¬
barung über das Verhältniß der Kirche zum Staate und damit die Beruhigung
eines Theiles der Bevölkerung anzustreben, dessen Umfang er nicht zu unter-


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[0158] vorliegt. Die Hauptthatsächen der Geschichte der Donaufürstenthümer, nament¬ lich die siebenjährige Regierung des Obersten Couza und die friedliche Revolution vom 23. Februar des verflossenen Jahres hat ein ungenannter Mitarbeiter zum Gegenstande einer Besprechung gemacht, welche sich durch billiges Urtheil und verständige Mäßigung in Hoffnungen und Forderungen auszeichnet. Wir fügen hieran am besten die biographischen Arbeiten über einige be¬ deutende Männer, welche Italien in den letzten Jahren verloren hat. Giusti, den in Deutschland durch Hcyses treffliche Übersetzungen bekannt gewordenen „italienischen B6rcmger", Massimo d'Azeglio, dessen staunenswerthe Vielseitig¬ keit, immer rege Arbeitskraft und edle Gesinnung auch diesseits der Alpen die verdiente Anerkennung gefunden hat, Angelo Blofferio, den rührigen Schrift¬ steller und Politiker, Francesco Silvio Orlandini, den Herausgeber von Foscolvs Werken, den Dichter und gewissenhaften Schulmann, dem es nicht mehr ver¬ gönnt gemessen, das Ende der päpstlichen Herrschaft zu sehen, dessen er mit nicht geringerer Ungeduld als sein Freund Niccvlini geharrt hat, Giuseppe* Puccivni, dessen Verdienste um das Cmninalrecht von einem Fachgenossen ausführlich gewürdigt werden. Ein im April gedruckter, somit jetzt bereits be¬ deutender Nachträge bedürftiger Artikel über die politische Thätigkeit des Grafen Bismarck ist geeignet, die Vorgänge im staatlichen Leben Deutschlands während der letzten zwanzig Jihre im Zusammenhang überblicken zu lassen; er ist höchst lebendig geschrieben und zeigt bisweilen jenen Humor, der bei der Betrachtung diplomatischer Strategie in einem ferner Stehenden leicht sich regt; sein Ver¬ fasser ist der nämliche Professor Ruggiero Bvnghi, dessen unlängst erschienene Schrift über den „Universitätsunterricht in Italien" überall mit so großem In¬ teresse aufgenommen worden ist. Er leitet uns über zu den Beiträgen, welche sich mit Fragen der praktischen Politik beschäftigen. Im Vordergrunde steht hier selbstverständlich die römische Frage. Während Herr Giuseppe Cancstrini, der verdiente Herausgeber der unedirten Werke Guic- ciardiius, mit der bekannten Stelle im vierten Buche der „Geschichte»" dieses letzter» und mit der nicht minder entschiedenen im ersten Buche von Machia- vellis „Discorsi" Aussprüche zusammenstellt, i» welchen andere italienische Denker des fünfzehnte» Jahrhunderts die weltliche Herrschaft des Papstes angreifen und daran die Aufzählung vo» Thatsachen reiht, welche die Verderblichkeit derselbe» erhärten sollen, zeichnet Givrgini die Stellung der liberalen Partei der Kirche gegenüber und möchte das Parlament veranlassen, vo» der Herstellung der „freien Kirche im freien Staate" abstehend, »meer Anerkennung des jetzigen Kirchenstaates und aufrichtig gemeinter Versicherung der Nichteuimischung in die inneren Angelegenheiten desselben, den Frieden mit dem Papste, eine Verein¬ barung über das Verhältniß der Kirche zum Staate und damit die Beruhigung eines Theiles der Bevölkerung anzustreben, dessen Umfang er nicht zu unter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/158>, abgerufen am 24.07.2024.