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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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monumental wirksamer Gestaltung, wie sie hier -- Detaildurchführung war
überflüssig und nicht zu verlangen -- am Platze gewesen wäre. Architekten und
Bildhauer hatten sich vereinigt, den Lustgarten festgemäß umzuschaffen, Bau¬
meister Adler hatte den Plan gemacht, welchen er, Gropius, Strack, Bläser und
eine Anzahl meist jüngerer Bildhauer verwirklichten. Die Grundzüge desselben
sind Wohl allgemein bekannt und die Erscheinung dieses ganzen reichen Auf¬
baus noch in frischer Erinnerung. An jener Stelle sollte am zweiten Einzugs¬
tage das feierliche ?s venin, das eigentlich kirchlich-religiöse Dankfest abgehalten
werden. Zum Aufenthalt während desselben hatte Strack für den König und
die königliche Familie, den Pavillon errichtet, dessen Zeltdach von reichornamen-
tirlen vergoldeten Säulen getragen war, ein für die kolossalen Dimensionen des
Platzes und seiner Gebäude, wie sür den Charakter des Festes etwas zu zier¬
lich und niedlich gerathenes Arrangement. Vor ihm nach dem Schloß hin er¬
hob sich der von Gropius entworfene Hochaltar, mit seinem Unterbau, den
Candelabern und den (meist rauchschen) Victoriengestalten auf demselben, viel
stilvoller, großartiger und entsprechender als jener Pavillon. Ueber alles reckte
die ungeheuere Borussia segnend ihre Rechte. Gustav Bläser hatte diesen Ko¬
loß, der mit seiner Basis über fünfzig Fuß Höhe bis zur Spitze des Helens
erreichte, aus Stuck und Steifleinen in einer Zeit von acht Tagen aufzubauen
gehabt. Wie sie dastand, imponirte sie wohl durch die Masse und die Maße,
aber die Verhältnisse der Gestalt in sich, besonders die des Kopfes zum Körper
erschienen eigenthümlich fehlgegriffen und schwachem die Wirkung. Es war
etwas Lahmes in der Stellung. Dürftiges in den Formen des Leibes und der
Draperie. Die Schuld soll nicht direct des Bildhauers gewesen sein. Es
heißt, daß die mit der Ausführung an Ort und Stelle betrauten obscurer Ge¬
hilfen, weil die Leinwand für die Draperie nicht in der Länge ausreichte, von
dem gipsernen Kern der Figur selbst zwei bis drei Fuß herausgenommen und
sie dann in solcher Verkürzung höchst ungenirt auf die Füße gestellt hätten. Da
war es denn freilich kein Wunder, wenn der Kopf nicht zur Gestalt stimmen wollte.
Daß man für eine solche Aufgabe nicht Begas berufen hat, ist ein Verlust
für die ganze Erscheinung dieses Festplatzes. Nur er hat den großen monu-
mental-decorativer Sinn, das starke Gefühl des auch in weite Ferne Wirksamen,
nur er die nöthige Kühnheit, so in Stellungen und Bewegungen herauszugehn
und mächtig und schwungvoll in den Formen auszuladen, wie es hier erforder¬
lich gewesen wäre. -- Für diese Borussia bildete die Front des Schlosses den
schönen Hintergrund. Auch sie hatte noch ihren besonderen künstlerischen Fest¬
schmuck erhalten: auf der Balustrade um die Terrasse des Palastes hatten in
bestimmten Zwischenräumen die Statuen der Vorfahren unseres Königshauses
Aufstellung erhalten. Als eilige Gelegcnheitswerke aus vergänglichen Material
hergerichtet, konnten sie nicht den Anspruch erheben, als Kunstwerke im höhern


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monumental wirksamer Gestaltung, wie sie hier — Detaildurchführung war
überflüssig und nicht zu verlangen — am Platze gewesen wäre. Architekten und
Bildhauer hatten sich vereinigt, den Lustgarten festgemäß umzuschaffen, Bau¬
meister Adler hatte den Plan gemacht, welchen er, Gropius, Strack, Bläser und
eine Anzahl meist jüngerer Bildhauer verwirklichten. Die Grundzüge desselben
sind Wohl allgemein bekannt und die Erscheinung dieses ganzen reichen Auf¬
baus noch in frischer Erinnerung. An jener Stelle sollte am zweiten Einzugs¬
tage das feierliche ?s venin, das eigentlich kirchlich-religiöse Dankfest abgehalten
werden. Zum Aufenthalt während desselben hatte Strack für den König und
die königliche Familie, den Pavillon errichtet, dessen Zeltdach von reichornamen-
tirlen vergoldeten Säulen getragen war, ein für die kolossalen Dimensionen des
Platzes und seiner Gebäude, wie sür den Charakter des Festes etwas zu zier¬
lich und niedlich gerathenes Arrangement. Vor ihm nach dem Schloß hin er¬
hob sich der von Gropius entworfene Hochaltar, mit seinem Unterbau, den
Candelabern und den (meist rauchschen) Victoriengestalten auf demselben, viel
stilvoller, großartiger und entsprechender als jener Pavillon. Ueber alles reckte
die ungeheuere Borussia segnend ihre Rechte. Gustav Bläser hatte diesen Ko¬
loß, der mit seiner Basis über fünfzig Fuß Höhe bis zur Spitze des Helens
erreichte, aus Stuck und Steifleinen in einer Zeit von acht Tagen aufzubauen
gehabt. Wie sie dastand, imponirte sie wohl durch die Masse und die Maße,
aber die Verhältnisse der Gestalt in sich, besonders die des Kopfes zum Körper
erschienen eigenthümlich fehlgegriffen und schwachem die Wirkung. Es war
etwas Lahmes in der Stellung. Dürftiges in den Formen des Leibes und der
Draperie. Die Schuld soll nicht direct des Bildhauers gewesen sein. Es
heißt, daß die mit der Ausführung an Ort und Stelle betrauten obscurer Ge¬
hilfen, weil die Leinwand für die Draperie nicht in der Länge ausreichte, von
dem gipsernen Kern der Figur selbst zwei bis drei Fuß herausgenommen und
sie dann in solcher Verkürzung höchst ungenirt auf die Füße gestellt hätten. Da
war es denn freilich kein Wunder, wenn der Kopf nicht zur Gestalt stimmen wollte.
Daß man für eine solche Aufgabe nicht Begas berufen hat, ist ein Verlust
für die ganze Erscheinung dieses Festplatzes. Nur er hat den großen monu-
mental-decorativer Sinn, das starke Gefühl des auch in weite Ferne Wirksamen,
nur er die nöthige Kühnheit, so in Stellungen und Bewegungen herauszugehn
und mächtig und schwungvoll in den Formen auszuladen, wie es hier erforder¬
lich gewesen wäre. — Für diese Borussia bildete die Front des Schlosses den
schönen Hintergrund. Auch sie hatte noch ihren besonderen künstlerischen Fest¬
schmuck erhalten: auf der Balustrade um die Terrasse des Palastes hatten in
bestimmten Zwischenräumen die Statuen der Vorfahren unseres Königshauses
Aufstellung erhalten. Als eilige Gelegcnheitswerke aus vergänglichen Material
hergerichtet, konnten sie nicht den Anspruch erheben, als Kunstwerke im höhern


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[0533] monumental wirksamer Gestaltung, wie sie hier — Detaildurchführung war überflüssig und nicht zu verlangen — am Platze gewesen wäre. Architekten und Bildhauer hatten sich vereinigt, den Lustgarten festgemäß umzuschaffen, Bau¬ meister Adler hatte den Plan gemacht, welchen er, Gropius, Strack, Bläser und eine Anzahl meist jüngerer Bildhauer verwirklichten. Die Grundzüge desselben sind Wohl allgemein bekannt und die Erscheinung dieses ganzen reichen Auf¬ baus noch in frischer Erinnerung. An jener Stelle sollte am zweiten Einzugs¬ tage das feierliche ?s venin, das eigentlich kirchlich-religiöse Dankfest abgehalten werden. Zum Aufenthalt während desselben hatte Strack für den König und die königliche Familie, den Pavillon errichtet, dessen Zeltdach von reichornamen- tirlen vergoldeten Säulen getragen war, ein für die kolossalen Dimensionen des Platzes und seiner Gebäude, wie sür den Charakter des Festes etwas zu zier¬ lich und niedlich gerathenes Arrangement. Vor ihm nach dem Schloß hin er¬ hob sich der von Gropius entworfene Hochaltar, mit seinem Unterbau, den Candelabern und den (meist rauchschen) Victoriengestalten auf demselben, viel stilvoller, großartiger und entsprechender als jener Pavillon. Ueber alles reckte die ungeheuere Borussia segnend ihre Rechte. Gustav Bläser hatte diesen Ko¬ loß, der mit seiner Basis über fünfzig Fuß Höhe bis zur Spitze des Helens erreichte, aus Stuck und Steifleinen in einer Zeit von acht Tagen aufzubauen gehabt. Wie sie dastand, imponirte sie wohl durch die Masse und die Maße, aber die Verhältnisse der Gestalt in sich, besonders die des Kopfes zum Körper erschienen eigenthümlich fehlgegriffen und schwachem die Wirkung. Es war etwas Lahmes in der Stellung. Dürftiges in den Formen des Leibes und der Draperie. Die Schuld soll nicht direct des Bildhauers gewesen sein. Es heißt, daß die mit der Ausführung an Ort und Stelle betrauten obscurer Ge¬ hilfen, weil die Leinwand für die Draperie nicht in der Länge ausreichte, von dem gipsernen Kern der Figur selbst zwei bis drei Fuß herausgenommen und sie dann in solcher Verkürzung höchst ungenirt auf die Füße gestellt hätten. Da war es denn freilich kein Wunder, wenn der Kopf nicht zur Gestalt stimmen wollte. Daß man für eine solche Aufgabe nicht Begas berufen hat, ist ein Verlust für die ganze Erscheinung dieses Festplatzes. Nur er hat den großen monu- mental-decorativer Sinn, das starke Gefühl des auch in weite Ferne Wirksamen, nur er die nöthige Kühnheit, so in Stellungen und Bewegungen herauszugehn und mächtig und schwungvoll in den Formen auszuladen, wie es hier erforder¬ lich gewesen wäre. — Für diese Borussia bildete die Front des Schlosses den schönen Hintergrund. Auch sie hatte noch ihren besonderen künstlerischen Fest¬ schmuck erhalten: auf der Balustrade um die Terrasse des Palastes hatten in bestimmten Zwischenräumen die Statuen der Vorfahren unseres Königshauses Aufstellung erhalten. Als eilige Gelegcnheitswerke aus vergänglichen Material hergerichtet, konnten sie nicht den Anspruch erheben, als Kunstwerke im höhern 63*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/533>, abgerufen am 26.06.2024.