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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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wenn man sich in die äußerlichen Bedingungen hineinversetzt, unter denen sie
entstanden, in die während der Arbeit auf des Künstlers Gefühl und Sinne
(den Geruch nicht ausgenommen!) einwirkenden Eindrücke. Und nicht minder
überraschend, kaum begreiflich ist das von ihm Geleistete durch seine Menge.
Nachdem er den Siegeszug der Preußen bis südlich von Pardubitz begleitet,
folgte er Falkensteins Einladung zur Mainarmee, zeichnete dort wieder die wich¬
tigsten Punkte, Schlachtfelder. Ortschaften, bereiste dann nachträglich die ganze
Straße, auf welcher die Armee des Kronprinzen bis Königsgrätz vorgedrungen
war. und machte schließlich noch eine Excursion nach dem großen Gefangenenlager
bei Cöslin, wo einige Tage der Anwesenheit für ihn hinreichten, die unabseh¬
bare Folge seiner Studienblätter aus dem Kriege noch um ein paar Dutzend
der meisterhaftesten Aquarellen, vollendeter Charakterbilder der Haupttypen des
östreichischen Heeres zu bereichern.

Die nächste Verwerthung dieser Arbeiten wird Burger in dem großen Werk
über den böhmischen Feldzug, mit dessen Text Fontane von officieller Seite her
beauftragt ist, geboten sein. Einiges, aber verhältnißmäßig nur wenig, hat
er inzwischen schon für verschiedene illustrirte Blätter zu Darstellungen ver¬
arbeitet.

In diesen hatte das nach einer Anschauung jener Vorgänge leidenschaftlich
begierige Publikum während der Kriegswochen und unmittelbar nach denselben
die ersten Bilder der Gefechte zu suchen, deren täglich vom Telegraphen ver¬
breitete kurze Schilderung Phantasie und Gemüth der ganzen Bevölkerung aufs
tiefste erregte und in leidenschaftliche Spannung versetzte. Aber wie schnell
Zeichner und Holzschneider auch arbeiten mochten, um jenem natürlichen Ver¬
langen zu genügen -- für die Stärke des letztern und die Raschheit der Ent¬
wickelung der Ereignisse war es noch immer zu langsam. In diese Lücke trat
sofort, schlagfertig und lieferungsbereit wie immer, der Bilderbogen von Neu-
Ruppin. Der reine Idealismus, das ewig Typische in dieser merkwürdigen Kunst¬
form befreite ihre Künstler von der ängstlichen und zeitraubenden Sorge um
locale Bestimmtheit der Gegenden, um Wirllichleitsähnlichleit der Kampfschil-
derungen. Mit geringen Veränderungen der dänischen Uniform konnten die
Vertheidiger Düppels auf den noch von 1864 her vorhandnen Lithographie¬
steinen mit den Bildern des schleswigschen Kriegs in Oestreicher, mit etwas
grüner Farbe die Schneefelder in böhmische Wiesen umgewandelt werden. Man
benutzte diese natürlichen Vortheile in großem Maßstab und 5er ruppiner Bilder¬
bogen war somit in den Stand gesetzt, allem Volk zuerst im Bilde zu zeigen,
Wie es seinen Brüdern in Böhmen, Hessen, Nassau und Bayern erging. Wer
diese Schöpfungen in jenen Tagen an unsern Schaufenstern sah und die dichten
Menschengruppen, welche sie begierig umstanden, konnte leicht verzweifeln an
dem künstlerischen und kritischen Bildungsgrad unsers Volks, wenn nicht die


wenn man sich in die äußerlichen Bedingungen hineinversetzt, unter denen sie
entstanden, in die während der Arbeit auf des Künstlers Gefühl und Sinne
(den Geruch nicht ausgenommen!) einwirkenden Eindrücke. Und nicht minder
überraschend, kaum begreiflich ist das von ihm Geleistete durch seine Menge.
Nachdem er den Siegeszug der Preußen bis südlich von Pardubitz begleitet,
folgte er Falkensteins Einladung zur Mainarmee, zeichnete dort wieder die wich¬
tigsten Punkte, Schlachtfelder. Ortschaften, bereiste dann nachträglich die ganze
Straße, auf welcher die Armee des Kronprinzen bis Königsgrätz vorgedrungen
war. und machte schließlich noch eine Excursion nach dem großen Gefangenenlager
bei Cöslin, wo einige Tage der Anwesenheit für ihn hinreichten, die unabseh¬
bare Folge seiner Studienblätter aus dem Kriege noch um ein paar Dutzend
der meisterhaftesten Aquarellen, vollendeter Charakterbilder der Haupttypen des
östreichischen Heeres zu bereichern.

Die nächste Verwerthung dieser Arbeiten wird Burger in dem großen Werk
über den böhmischen Feldzug, mit dessen Text Fontane von officieller Seite her
beauftragt ist, geboten sein. Einiges, aber verhältnißmäßig nur wenig, hat
er inzwischen schon für verschiedene illustrirte Blätter zu Darstellungen ver¬
arbeitet.

In diesen hatte das nach einer Anschauung jener Vorgänge leidenschaftlich
begierige Publikum während der Kriegswochen und unmittelbar nach denselben
die ersten Bilder der Gefechte zu suchen, deren täglich vom Telegraphen ver¬
breitete kurze Schilderung Phantasie und Gemüth der ganzen Bevölkerung aufs
tiefste erregte und in leidenschaftliche Spannung versetzte. Aber wie schnell
Zeichner und Holzschneider auch arbeiten mochten, um jenem natürlichen Ver¬
langen zu genügen — für die Stärke des letztern und die Raschheit der Ent¬
wickelung der Ereignisse war es noch immer zu langsam. In diese Lücke trat
sofort, schlagfertig und lieferungsbereit wie immer, der Bilderbogen von Neu-
Ruppin. Der reine Idealismus, das ewig Typische in dieser merkwürdigen Kunst¬
form befreite ihre Künstler von der ängstlichen und zeitraubenden Sorge um
locale Bestimmtheit der Gegenden, um Wirllichleitsähnlichleit der Kampfschil-
derungen. Mit geringen Veränderungen der dänischen Uniform konnten die
Vertheidiger Düppels auf den noch von 1864 her vorhandnen Lithographie¬
steinen mit den Bildern des schleswigschen Kriegs in Oestreicher, mit etwas
grüner Farbe die Schneefelder in böhmische Wiesen umgewandelt werden. Man
benutzte diese natürlichen Vortheile in großem Maßstab und 5er ruppiner Bilder¬
bogen war somit in den Stand gesetzt, allem Volk zuerst im Bilde zu zeigen,
Wie es seinen Brüdern in Böhmen, Hessen, Nassau und Bayern erging. Wer
diese Schöpfungen in jenen Tagen an unsern Schaufenstern sah und die dichten
Menschengruppen, welche sie begierig umstanden, konnte leicht verzweifeln an
dem künstlerischen und kritischen Bildungsgrad unsers Volks, wenn nicht die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/529>, abgerufen am 04.07.2024.