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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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und seiner Künstlerschaft die bekannten Schlachtenmaler Hunden, Sell, Nilo"
towski, von Berlin Lüders mit zu Felde, Auf eigene Faust und Gefahr suchten
A.v.Heyden, Günther, Jenny, F. Schulz und wohl noch manche andere den Heeren
zu folgen. -- So vielwirkliche Anschauung solcher Ereignisse und Vorgänge den
Malern nutzen kaun, so wenig vermag der Bildhauer davon zu Prositiren. Die¬
jenigen von dieser Genossenschaft, welche desselben Wegs gezogen sind, thaten
es daher keineswegs freiwillig von künstlerischen Antrieben dazu bestimmt, son¬
dern dem ehrenvollen Zwange der Landwehrpflicht folgend. Auch ihrer waren,
wie der Maler in gleicher Lage nur wenige. Grade eine der größten und
originellsten Kräfte in der modernen Sculptur mußte sich wunderlicherweise unter
diesen Wenigen befinden: Reinhold Begas. Es schien an entscheidender höch¬
ster Stelle indeß bald genug der gerechte Zweifel darüber aufzutauchen, ob
es wirklich ganz billig wäre, ein in dieser Zeit und in unserm Volk so hervor¬
ragendes Talent die Schuld ans Vaterland nur mit den sechs Fuß Länge
seines Trägers zahlen zu lassen. Genug, nachdem er acht Tage in Magdeburg
Rekruten einzukleiden gehabt hatte, entließ man ihn zu seiner Werkstatt und
den Marmorblöcken, aus welchen er Berlins Schillermonument herauszumeißeln
hat. Zwei andere junge und noch unbekannte Bildhauer, Dahn und Genutat,
haben dagegen bei Königsgrätz Blut und Leben dargebracht. Ein vierter Bild--
Häuser A. Gnu war künstlerisch in der Herstellung der Todtenmasken hervor¬
ragender Gefallener thätig.

Nun gingen aber bekanntlich die Ereignisse mit so gewaltiger Schnelle,
nahmen so riesige Dimensionen an, dehnten sich über ein so weites Feld von
der Elbe bis zum Rhein aus, traten gleichzeitig in solcher Massenhaftigkeit auf,
daß die armen Künstler in Gefahr geriethen, in dem <zmda,i-rag 6s riclrWses
um das Ziel ihrer Erwartungen zu kommen. Die Erzählungen Burgers und
Bleibtreus geben ein sehr ergötzliches Bild davon, wie ihnen bei dieser erdrückenden
Fülle des Sehens-, Lernens-, Bewahrens- und Zeichnenswerthesten zu Muthe
war, welche sich vor ihren Augen in der Zeit von wenigen Wochen zusammen¬
drängte, trotzdem diese Augen doch nur immer einen sehr geringen Ausschnitt
aus dem eingehenden Kriegsgebict beherrschten und auch dieser ihnen noch
während der eigentlichen Gefechte vom Pulverdampf und vom täglich strömenden
Regen großentheils verhüllt oder beschränkt wurde. Ein solcher Kriegszug
stellt die Nerven, die Ertragungsfähigkeit und Kaltblütigkeit auch der Künstler auf
harte Proben. Camphausen, trotz seiner Uebung darin, bekennt, daß er sie nicht
bestanden habe, daß sein preußisches und auch sein menschliches Herz nicht die
Fähigkeit fand, von der furchtbaren Aufregung des Antheils an den Thaten
und den entsetzlichen Leiden derer, die er begleitete, sich soweit frei zu halte",
um in dem, was um ihn vorging, einzig den Gegenstand seines künstlerischen
Studiums zu sehn und in dem ungeheuren Tumult und Jammer unbeirrt nur


und seiner Künstlerschaft die bekannten Schlachtenmaler Hunden, Sell, Nilo«
towski, von Berlin Lüders mit zu Felde, Auf eigene Faust und Gefahr suchten
A.v.Heyden, Günther, Jenny, F. Schulz und wohl noch manche andere den Heeren
zu folgen. — So vielwirkliche Anschauung solcher Ereignisse und Vorgänge den
Malern nutzen kaun, so wenig vermag der Bildhauer davon zu Prositiren. Die¬
jenigen von dieser Genossenschaft, welche desselben Wegs gezogen sind, thaten
es daher keineswegs freiwillig von künstlerischen Antrieben dazu bestimmt, son¬
dern dem ehrenvollen Zwange der Landwehrpflicht folgend. Auch ihrer waren,
wie der Maler in gleicher Lage nur wenige. Grade eine der größten und
originellsten Kräfte in der modernen Sculptur mußte sich wunderlicherweise unter
diesen Wenigen befinden: Reinhold Begas. Es schien an entscheidender höch¬
ster Stelle indeß bald genug der gerechte Zweifel darüber aufzutauchen, ob
es wirklich ganz billig wäre, ein in dieser Zeit und in unserm Volk so hervor¬
ragendes Talent die Schuld ans Vaterland nur mit den sechs Fuß Länge
seines Trägers zahlen zu lassen. Genug, nachdem er acht Tage in Magdeburg
Rekruten einzukleiden gehabt hatte, entließ man ihn zu seiner Werkstatt und
den Marmorblöcken, aus welchen er Berlins Schillermonument herauszumeißeln
hat. Zwei andere junge und noch unbekannte Bildhauer, Dahn und Genutat,
haben dagegen bei Königsgrätz Blut und Leben dargebracht. Ein vierter Bild--
Häuser A. Gnu war künstlerisch in der Herstellung der Todtenmasken hervor¬
ragender Gefallener thätig.

Nun gingen aber bekanntlich die Ereignisse mit so gewaltiger Schnelle,
nahmen so riesige Dimensionen an, dehnten sich über ein so weites Feld von
der Elbe bis zum Rhein aus, traten gleichzeitig in solcher Massenhaftigkeit auf,
daß die armen Künstler in Gefahr geriethen, in dem <zmda,i-rag 6s riclrWses
um das Ziel ihrer Erwartungen zu kommen. Die Erzählungen Burgers und
Bleibtreus geben ein sehr ergötzliches Bild davon, wie ihnen bei dieser erdrückenden
Fülle des Sehens-, Lernens-, Bewahrens- und Zeichnenswerthesten zu Muthe
war, welche sich vor ihren Augen in der Zeit von wenigen Wochen zusammen¬
drängte, trotzdem diese Augen doch nur immer einen sehr geringen Ausschnitt
aus dem eingehenden Kriegsgebict beherrschten und auch dieser ihnen noch
während der eigentlichen Gefechte vom Pulverdampf und vom täglich strömenden
Regen großentheils verhüllt oder beschränkt wurde. Ein solcher Kriegszug
stellt die Nerven, die Ertragungsfähigkeit und Kaltblütigkeit auch der Künstler auf
harte Proben. Camphausen, trotz seiner Uebung darin, bekennt, daß er sie nicht
bestanden habe, daß sein preußisches und auch sein menschliches Herz nicht die
Fähigkeit fand, von der furchtbaren Aufregung des Antheils an den Thaten
und den entsetzlichen Leiden derer, die er begleitete, sich soweit frei zu halte»,
um in dem, was um ihn vorging, einzig den Gegenstand seines künstlerischen
Studiums zu sehn und in dem ungeheuren Tumult und Jammer unbeirrt nur


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/527>, abgerufen am 04.07.2024.