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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Fluch zu bannen, hatten fehlgeschlagen, seitdem Deutschland zur Erkenntniß
seiner Noth erwacht war. Da kommt ein Sturm und fegt die drei schlimmsten
dieser Herrschaften von der deutschen Erde für immer hinweg. Es war ein
großer Tag, als dies Ereigniß in das Buch der Weltgeschichte eingetragen wurde.
Die fluch- und thränenbeladenen Throne von Hannover, von Kurhessen und
Nassau sind nicht mehr; dieser Schandfleck ist für immer getilgt aus dem Leben
der Nation; ein Tag der Gerechtigkeit ist herangebrochen über die, welchen der
Weheruf und der Herzenswunsch der Völker ein Gegenstand des Hohnes und
des Uebermuthes gewesen! Gleichzeitig mit diesem trostreichen Ereigniß traten
andere Umgestaltungen ein. welche mit einer Gruppe andrer Staaten zwar nicht
ebenmäßig ein Ende machten, allein doch die Kraft ihrer widernatürlichen Selb¬
ständigkeit gebrochen und ihre künftige Auflösung vorbereitet haben. Und ohne
Zweifel wäre die Vereinigung des gesam indem Deutschlands in ihren ersten
aber wichtigsten Umrissen bereits zu Stande gekommen, wenn nicht das eifer¬
süchtige Ausland -- dermalen noch dem entzweiten Vaterlande gegenüber mächtig
-- drohend Halt geboten hätte.

Unter solchen Umständen treten diese unsere Wahlen heran, und die Frage,
welche es zu beantworten gilt, lautet einfach: Sollen die Bürger dieser Provinz
nach Kräften dazu beitragen, daß das lang ersehnte, endlich begonnene Wert
auf dem Wege, den die Ereignisse angebahnt, vollendet werde, wie unsere Partei
es will? Oder aber sollen sie Herz und Sinn und Mühe daran setzen, das
Gelungene wieder zu zerstören? Sollen sie dahin wirken, daß derjenige Theil
von Deutschland, der wegen der Drohungen des Auslandes hat abgesondert
bleiben müssen, in möglichst schroffer Trennung erhalten werde, wie die andere
Partei es verlangt?

Dies, wie man immer die Sache beschönige, ist die wahre Frage, und sie
stellen, heißt sie lösen.

In einem Wahlerlaß, den die Bürger Äleiter, Barthel und Genossen unter¬
schrieben haben, finden sich eine Menge guter Grundsätze und frommer Wünsche
ausgesprochen, die ein jeglicher auch auf unserer Seite unterschreiben möchte.
Aber wenn es nur darauf ankäme, fromme Wünsche und schöne Grundsätze auf¬
zustellen, so wäre Deutschland seit Jahren das glücklichste Land der Erde.

Daraus kommt es aber nicht an, und besonders heute nicht. Alle wollen
ja das Gute, und deshalb handelt es sich nur um eine Frage der Ausführung,
um das, was man im gemeinen Leben eine praktische Frage nennt. Auf
der einen Seite steht ein deutscher Bund, dessen erstes Erwachen die drei unver¬
besserlichen Regentenhäuser in Deutschland gestürzt, dreißig Millionen Landsleute
in ein Band vereinigt hat; ein Bund, der, wenn wir uns nicht starrsinnig
unserm eigenen Wachsthum widersetzen, in Bälde das ganze Deutschland um¬
fassen muß.


Fluch zu bannen, hatten fehlgeschlagen, seitdem Deutschland zur Erkenntniß
seiner Noth erwacht war. Da kommt ein Sturm und fegt die drei schlimmsten
dieser Herrschaften von der deutschen Erde für immer hinweg. Es war ein
großer Tag, als dies Ereigniß in das Buch der Weltgeschichte eingetragen wurde.
Die fluch- und thränenbeladenen Throne von Hannover, von Kurhessen und
Nassau sind nicht mehr; dieser Schandfleck ist für immer getilgt aus dem Leben
der Nation; ein Tag der Gerechtigkeit ist herangebrochen über die, welchen der
Weheruf und der Herzenswunsch der Völker ein Gegenstand des Hohnes und
des Uebermuthes gewesen! Gleichzeitig mit diesem trostreichen Ereigniß traten
andere Umgestaltungen ein. welche mit einer Gruppe andrer Staaten zwar nicht
ebenmäßig ein Ende machten, allein doch die Kraft ihrer widernatürlichen Selb¬
ständigkeit gebrochen und ihre künftige Auflösung vorbereitet haben. Und ohne
Zweifel wäre die Vereinigung des gesam indem Deutschlands in ihren ersten
aber wichtigsten Umrissen bereits zu Stande gekommen, wenn nicht das eifer¬
süchtige Ausland — dermalen noch dem entzweiten Vaterlande gegenüber mächtig
— drohend Halt geboten hätte.

Unter solchen Umständen treten diese unsere Wahlen heran, und die Frage,
welche es zu beantworten gilt, lautet einfach: Sollen die Bürger dieser Provinz
nach Kräften dazu beitragen, daß das lang ersehnte, endlich begonnene Wert
auf dem Wege, den die Ereignisse angebahnt, vollendet werde, wie unsere Partei
es will? Oder aber sollen sie Herz und Sinn und Mühe daran setzen, das
Gelungene wieder zu zerstören? Sollen sie dahin wirken, daß derjenige Theil
von Deutschland, der wegen der Drohungen des Auslandes hat abgesondert
bleiben müssen, in möglichst schroffer Trennung erhalten werde, wie die andere
Partei es verlangt?

Dies, wie man immer die Sache beschönige, ist die wahre Frage, und sie
stellen, heißt sie lösen.

In einem Wahlerlaß, den die Bürger Äleiter, Barthel und Genossen unter¬
schrieben haben, finden sich eine Menge guter Grundsätze und frommer Wünsche
ausgesprochen, die ein jeglicher auch auf unserer Seite unterschreiben möchte.
Aber wenn es nur darauf ankäme, fromme Wünsche und schöne Grundsätze auf¬
zustellen, so wäre Deutschland seit Jahren das glücklichste Land der Erde.

Daraus kommt es aber nicht an, und besonders heute nicht. Alle wollen
ja das Gute, und deshalb handelt es sich nur um eine Frage der Ausführung,
um das, was man im gemeinen Leben eine praktische Frage nennt. Auf
der einen Seite steht ein deutscher Bund, dessen erstes Erwachen die drei unver¬
besserlichen Regentenhäuser in Deutschland gestürzt, dreißig Millionen Landsleute
in ein Band vereinigt hat; ein Bund, der, wenn wir uns nicht starrsinnig
unserm eigenen Wachsthum widersetzen, in Bälde das ganze Deutschland um¬
fassen muß.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/462>, abgerufen am 04.07.2024.