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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Denn wenn die geistig und wirthschaftlich hochcultivirte, seit länger als
einem halben Jahrhundert von allen culturfcindlichen Ueberresten des Mittel¬
alters gründlich gesäuberte Provinz Rheinhessen, und wenn gar die Stadt
Mainz vergessen könnten, daß sie ihre g-anze Blüthe Preußen und nur Preußen
zu verdanken haben. -- dem Preußen, welches den Zollverein gegründet, -- dem
Preußen, welches die linksrheinische Eisenbahn zu Stande gebracht, während der
directe und ununterbrochene Schienenstrang auf dem rechten Ufer durch den
nassauisch-frankfurtischen Particularismus bisher unmöglich gemacht worden ist.
-- dem Preußen, das seit Jahren bemüht war. die Rheinzölle zu beseitigen,
und , nachdem es zu diesem Zwecke Jahrzehnte lang mit dem Großherzogthum
Hessen und dem Herzogthum Nassau in endlosen diplomatischen Verhandlungen
vergeblich gerungen, die kriegerischen Erfolge von 1866 zu einem Werke des
Friedens und des wirthschaftlichen Fortschritts benutzte, indem es mit seinem
scharfen Schwerte die Fesseln zerschlug, welche die Kleinstaaterei dem Schiff'
sahrtsverkehre des mächtigsten und schönsten deutschen Stromes angelegt hatte.
-- jenes Stromes, von welchem schon Max v. Schenkendorf sang: "Frei kommt
er von den Alpen her; er walte frei vom Fels zum Meer!" -- wenn Rhein¬
hessen und Mainz alles das vergessen haben sollten, so verdienten sie in der
That kein besseres Schicksal, als aller dieser Wohlthaten auf so lange wieder
verlustig zu gehen, bis sie durch Schaden klug geworden sind.

Jedenfalls danken wir jenem Versuch, von welchem wir glauben und hoffen,
daß er erfolglos bleibt, das Eingangs erwähnte Wahlmanifest; -- und das ist
nicht wenig.

Sein Verfasser ist Ludwig Bamberger, -- gleich Friedrich Hecker, Arnold
Rüge und Gottfried Kinkel, ein eifriger und hervorragender Demokrat von
1848 und gleich ihnen ein ebenso eifriger und ebenso hervorragender Unitarier
von 1866.

Die Strahlen der aufgehenden Einheitssonne erleuchteten schon die Spitzen
der wahren und ehrlichen Demokratie. Die ungesunden Thäler der particula-
ristischen Winkeldemokratie liegen noch im tiefsten Schatten. Die deutsche
Demokratie in der amerikanischen Union, in England, in Frankreich, in der
Schweiz jubelt dem Siege der Einheit zu; die frankfurter Localdemokratie
schmollt, weil einige ihrer monopolistischen Kirchthurmsinteressen gekränkt worden
und ihre todesmuthigen Jünglinge, die so lange und so oft "Feigheit und
Verrath" geschrieen haben und vor Thatendurst schier verschmachtet sind, nun
nähere Bekanntschaft mit dem Zündnadelgewehr machen und Beweise ihres
Muthes und ihrer Thatkraft liefern sollen.

Ludwig Bamberger ist ein echter Sohn des "goldenen Mainz", -- voll des
rheinländischen Esprit und Humor, aber zugleich ein Mann von starrer Ueber¬
zeugungstreue und eiserner Konsequenz.


Denn wenn die geistig und wirthschaftlich hochcultivirte, seit länger als
einem halben Jahrhundert von allen culturfcindlichen Ueberresten des Mittel¬
alters gründlich gesäuberte Provinz Rheinhessen, und wenn gar die Stadt
Mainz vergessen könnten, daß sie ihre g-anze Blüthe Preußen und nur Preußen
zu verdanken haben. — dem Preußen, welches den Zollverein gegründet, — dem
Preußen, welches die linksrheinische Eisenbahn zu Stande gebracht, während der
directe und ununterbrochene Schienenstrang auf dem rechten Ufer durch den
nassauisch-frankfurtischen Particularismus bisher unmöglich gemacht worden ist.
— dem Preußen, das seit Jahren bemüht war. die Rheinzölle zu beseitigen,
und , nachdem es zu diesem Zwecke Jahrzehnte lang mit dem Großherzogthum
Hessen und dem Herzogthum Nassau in endlosen diplomatischen Verhandlungen
vergeblich gerungen, die kriegerischen Erfolge von 1866 zu einem Werke des
Friedens und des wirthschaftlichen Fortschritts benutzte, indem es mit seinem
scharfen Schwerte die Fesseln zerschlug, welche die Kleinstaaterei dem Schiff'
sahrtsverkehre des mächtigsten und schönsten deutschen Stromes angelegt hatte.
— jenes Stromes, von welchem schon Max v. Schenkendorf sang: „Frei kommt
er von den Alpen her; er walte frei vom Fels zum Meer!" — wenn Rhein¬
hessen und Mainz alles das vergessen haben sollten, so verdienten sie in der
That kein besseres Schicksal, als aller dieser Wohlthaten auf so lange wieder
verlustig zu gehen, bis sie durch Schaden klug geworden sind.

Jedenfalls danken wir jenem Versuch, von welchem wir glauben und hoffen,
daß er erfolglos bleibt, das Eingangs erwähnte Wahlmanifest; — und das ist
nicht wenig.

Sein Verfasser ist Ludwig Bamberger, — gleich Friedrich Hecker, Arnold
Rüge und Gottfried Kinkel, ein eifriger und hervorragender Demokrat von
1848 und gleich ihnen ein ebenso eifriger und ebenso hervorragender Unitarier
von 1866.

Die Strahlen der aufgehenden Einheitssonne erleuchteten schon die Spitzen
der wahren und ehrlichen Demokratie. Die ungesunden Thäler der particula-
ristischen Winkeldemokratie liegen noch im tiefsten Schatten. Die deutsche
Demokratie in der amerikanischen Union, in England, in Frankreich, in der
Schweiz jubelt dem Siege der Einheit zu; die frankfurter Localdemokratie
schmollt, weil einige ihrer monopolistischen Kirchthurmsinteressen gekränkt worden
und ihre todesmuthigen Jünglinge, die so lange und so oft „Feigheit und
Verrath" geschrieen haben und vor Thatendurst schier verschmachtet sind, nun
nähere Bekanntschaft mit dem Zündnadelgewehr machen und Beweise ihres
Muthes und ihrer Thatkraft liefern sollen.

Ludwig Bamberger ist ein echter Sohn des „goldenen Mainz", — voll des
rheinländischen Esprit und Humor, aber zugleich ein Mann von starrer Ueber¬
zeugungstreue und eiserner Konsequenz.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/460>, abgerufen am 30.06.2024.