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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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brechen auf den Markt kommen, wie irgendeine andere Gattung Fleisch. Je
umfänglicher daher der neue Betrieb in Gang gesetzt werden kann, desto eher
wird ihm in einem gesicherten Absatz seiner Ergebnisse die feste finanzielle Basis
gewonnen werden. Eine große Gesellschaft wird besser sein als eine kleine, und
mehre gleichzeitig auftretende besser als eine einzige.

Angesehener unter den Feinschmeckern und höher geschätzt von der die
Nahrungsmittel würdigenden Wissenschaft als irgendein Fisch, ist das bekannteste
unter den Schalthieren des Meeres, die Auster. Von ihrem Fang aber gilt,
was von dem des Härings, des Dorsches und der thrangebenden großen See-
thiere: es ist ein Geschäft von zu schwankendem Ertrag, um ohne ein das Aus¬
harren ermöglichendes großes Capital mit hinlänglich sicherer Aussicht auf
Erfolg betrieben werden zu können. Mehre Jahre hinter einander fehlt oft in
einem weiten Umkreis der Nachwuchs. Die Forschungen der mehrerwähnten
englischen Untersuchungscommission haben ergeben, daß an der neuerdings ein-
getretenen Seltenheit der Austern keineswegs eine übermäßige Leerung der Ge¬
wässer durch die Fischer Schuld ist, sondern lediglich jenes Naturereignis;, dessen
Gründe man noch nicht kennt und dessen unerfreuliche Wirkungen man noch
nicht einzuschränken weiß. Die Gesellschaft der Austernfischer von Whitstable an
der Mündung der Themse hat sich wenigstens zum Theil gegen die üblen wirth¬
schaftlichen Folgen der Calamität geschützt, indem sie rechtzeitig anderswoher
junge Austern gekauft und in ihrem Park zur Mästung eingesetzt hat. Die
Austerngilde von Colchester, welche geringere Voraussicht bewährt hat. mußte
ihr Geschäft zeitweilig ganz einstellen. Die Austernfischerei bei der Insel Jersey
kam von 30--40,000 Pfund Sterling Jahresertrag auf 3--4.000 Pfund herab.
Die alten Praktiker der Austernzucht verlieren darüber jedoch den Muth nicht,
Weil sie sich früherer gleicher Perioden mit schließlicher Wiederkehr der Frucht¬
barkeit erinnern. Ob die seinen englischen Natives an unseren Küsten und
Inseln mit Erfolg zu züchten sein werden, wird bezweifelt; für gewiß hingegen
hält man es von der großen texeler Kor-Auster. Holländische Kurrer, die in
ihrem Grundnetz neben den Fischen stets auch eine gewisse Menge Austern ans
Tageslicht ziehen, legen dieselben schon seit längeren Jahren bei der deutschen
Insel Wangerooge in einer Art abgegrenzten Bettes nieder, lassen sie dort die
schwächende Zeit des Laichens überstehen, und bringen sie vom September an
nach Hamburg, Bremen und Amsterdam zu Markte. Ein Fingerzeig, daß auch
deutsche Betriebsamkeit hier noch neben den bekannten Schleswig-holsteinischen
Bänken ein lohnendes Feld hat.

Wenn wir uns zu lange die volkswirthschaftlichen Vortheile des Seefisch¬
fangs haben entgehen lassen, die Bereicherung unseres Fleischmarktes um eine
gesunde, schmackhafte und billige Speise, den erhöhten, besser gesicherten und
alle männlichen Eigenschaften mehr entwickelnden Erwerb für die Küsten- und


Grenzboten IV- 186ö. 54

brechen auf den Markt kommen, wie irgendeine andere Gattung Fleisch. Je
umfänglicher daher der neue Betrieb in Gang gesetzt werden kann, desto eher
wird ihm in einem gesicherten Absatz seiner Ergebnisse die feste finanzielle Basis
gewonnen werden. Eine große Gesellschaft wird besser sein als eine kleine, und
mehre gleichzeitig auftretende besser als eine einzige.

Angesehener unter den Feinschmeckern und höher geschätzt von der die
Nahrungsmittel würdigenden Wissenschaft als irgendein Fisch, ist das bekannteste
unter den Schalthieren des Meeres, die Auster. Von ihrem Fang aber gilt,
was von dem des Härings, des Dorsches und der thrangebenden großen See-
thiere: es ist ein Geschäft von zu schwankendem Ertrag, um ohne ein das Aus¬
harren ermöglichendes großes Capital mit hinlänglich sicherer Aussicht auf
Erfolg betrieben werden zu können. Mehre Jahre hinter einander fehlt oft in
einem weiten Umkreis der Nachwuchs. Die Forschungen der mehrerwähnten
englischen Untersuchungscommission haben ergeben, daß an der neuerdings ein-
getretenen Seltenheit der Austern keineswegs eine übermäßige Leerung der Ge¬
wässer durch die Fischer Schuld ist, sondern lediglich jenes Naturereignis;, dessen
Gründe man noch nicht kennt und dessen unerfreuliche Wirkungen man noch
nicht einzuschränken weiß. Die Gesellschaft der Austernfischer von Whitstable an
der Mündung der Themse hat sich wenigstens zum Theil gegen die üblen wirth¬
schaftlichen Folgen der Calamität geschützt, indem sie rechtzeitig anderswoher
junge Austern gekauft und in ihrem Park zur Mästung eingesetzt hat. Die
Austerngilde von Colchester, welche geringere Voraussicht bewährt hat. mußte
ihr Geschäft zeitweilig ganz einstellen. Die Austernfischerei bei der Insel Jersey
kam von 30—40,000 Pfund Sterling Jahresertrag auf 3—4.000 Pfund herab.
Die alten Praktiker der Austernzucht verlieren darüber jedoch den Muth nicht,
Weil sie sich früherer gleicher Perioden mit schließlicher Wiederkehr der Frucht¬
barkeit erinnern. Ob die seinen englischen Natives an unseren Küsten und
Inseln mit Erfolg zu züchten sein werden, wird bezweifelt; für gewiß hingegen
hält man es von der großen texeler Kor-Auster. Holländische Kurrer, die in
ihrem Grundnetz neben den Fischen stets auch eine gewisse Menge Austern ans
Tageslicht ziehen, legen dieselben schon seit längeren Jahren bei der deutschen
Insel Wangerooge in einer Art abgegrenzten Bettes nieder, lassen sie dort die
schwächende Zeit des Laichens überstehen, und bringen sie vom September an
nach Hamburg, Bremen und Amsterdam zu Markte. Ein Fingerzeig, daß auch
deutsche Betriebsamkeit hier noch neben den bekannten Schleswig-holsteinischen
Bänken ein lohnendes Feld hat.

Wenn wir uns zu lange die volkswirthschaftlichen Vortheile des Seefisch¬
fangs haben entgehen lassen, die Bereicherung unseres Fleischmarktes um eine
gesunde, schmackhafte und billige Speise, den erhöhten, besser gesicherten und
alle männlichen Eigenschaften mehr entwickelnden Erwerb für die Küsten- und


Grenzboten IV- 186ö. 54
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/455>, abgerufen am 04.07.2024.