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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Capital von weit über einer Million Pfund Sterling repräsentirend. Eine ein¬
zelne dem Fischfang gewidmete Actiengesellschaft in London hat während der
Jahre 1864 und 1865 ihre Segelflotte um zehn Schiffe vermehrt, zwei neue
Dampfschiffe zur Sammlung der Fische von den Segelschiffen in Fahrt gesetzt
und weitere zwei Dampfer sofort in Bau gegeben. Das stetige und rasche
Wachsthum des Fischverbrauchs in England deuten die Mengen an. welche von
den Eisenbahnen befördert worden sind, die die Küstenplätze mit dem Innern
verbinden. Zwischen 1856 und 1864 hat sich das Gewicht beförderter Fische
auf vier dieser Bahnen von 11,714 Tons auf 40,337 Tons gehoben; zwischen
1862 und 1864 auf zwölf Bahnen von 99.724 Tons auf 122 381 Tons.

Die Tonne Fische (2000 Pfund) wird dem Fischer im Massenpreise mit
durchschnittlich sieben Pfund Sterling abgenommen; für die Tonne Rindfleisch
erhält der Viehzüchter im Durchschnitt willig 60 Pfund. Dieser ungeheuere
Unterschied ist natürlich weit entfernt, dem Vergleichungsweisen Nahrungswerth
der beiden Gattungen von Fleisch zu entsprechen. Im Einzelverkauf gleicht er
sich denn auch schon bedeutend aus. Wenn das Rindfleisch in England bei
weitem mehr verschiedene Preisclassen hat als in Deutschland, so wird es darin
vom Fisch, die einzelnen Arten nicht getrennt betrachtet, noch vielmals über¬
troffen. Im londoner Westend kostet das Pfund Zunge oder Steinbutt mehr
als das dort gewöhnlich genommene Rindfleisch oder Hammelfleisch. Die
Zwischenstufen der Vermittelung verschlingen im Fischhandel eben ungleich mehr
als im Fleischhandel. Ob dies das dauernde Verhältniß bleiben oder ob es
mit der zunehmenden Entwickelung des augenblicklich noch so jungen Verkehrs¬
zweigs, mit der Befestigung des allgemeinen Geschmacks, mit der Verwendung
von mehr Capital und Unternehmungsgeist auf diesen Theil des Lebensmittel¬
handels sich allmälig ausgleichen wird, muß man abwarten. Zunächst steht so
viel fest, daß Fischfleisch im Großen 8--9 mal so wohlfeil zu haben ist als
Rindfleisch. Und während alles Fleisch von Vieh mit jedem Jahre theurer
wird, hat eine in Manchester angestellte Untersuchung ergeben, daß dort der
Preis der gewöhnlichsten, billigsten, in den größten Massen verzehrten Fische
während der letzten zehn Jahre kaum gestiegen ist. Zungen kosteten im Januar
1865 doppelt so viel als im Januar 1856. aber Schellfische nicht mehr und
Schollen eher weniger. Bedeutende Preissteigerungen am Fisch hat man nur
in den Seestädten erlebt, die seit der Ausdehnung des Eisenbahnnetzes ihr altes
Monopol auf den Genuß von frischem Fisch immer mehr schwinden sehen. In
Newcastle am Tyne z. B. kosten beinahe alle Arten von Fisch heute doppelt das
Geld wie vor zehn Jahren. Man darf sich dort aber damit trösten, daß der
höchste je erlebte Preis in Newcastle immer noch niedriger ist als der feststehende
Preis in Manchester, der sich gleich geblieben ist, weil der zunehmende Geschmack
am Fisch durch eine entsprechend zunehmende Versorgung des Marktes befriedigt


Grenzboten IV. 186K, 53

Capital von weit über einer Million Pfund Sterling repräsentirend. Eine ein¬
zelne dem Fischfang gewidmete Actiengesellschaft in London hat während der
Jahre 1864 und 1865 ihre Segelflotte um zehn Schiffe vermehrt, zwei neue
Dampfschiffe zur Sammlung der Fische von den Segelschiffen in Fahrt gesetzt
und weitere zwei Dampfer sofort in Bau gegeben. Das stetige und rasche
Wachsthum des Fischverbrauchs in England deuten die Mengen an. welche von
den Eisenbahnen befördert worden sind, die die Küstenplätze mit dem Innern
verbinden. Zwischen 1856 und 1864 hat sich das Gewicht beförderter Fische
auf vier dieser Bahnen von 11,714 Tons auf 40,337 Tons gehoben; zwischen
1862 und 1864 auf zwölf Bahnen von 99.724 Tons auf 122 381 Tons.

Die Tonne Fische (2000 Pfund) wird dem Fischer im Massenpreise mit
durchschnittlich sieben Pfund Sterling abgenommen; für die Tonne Rindfleisch
erhält der Viehzüchter im Durchschnitt willig 60 Pfund. Dieser ungeheuere
Unterschied ist natürlich weit entfernt, dem Vergleichungsweisen Nahrungswerth
der beiden Gattungen von Fleisch zu entsprechen. Im Einzelverkauf gleicht er
sich denn auch schon bedeutend aus. Wenn das Rindfleisch in England bei
weitem mehr verschiedene Preisclassen hat als in Deutschland, so wird es darin
vom Fisch, die einzelnen Arten nicht getrennt betrachtet, noch vielmals über¬
troffen. Im londoner Westend kostet das Pfund Zunge oder Steinbutt mehr
als das dort gewöhnlich genommene Rindfleisch oder Hammelfleisch. Die
Zwischenstufen der Vermittelung verschlingen im Fischhandel eben ungleich mehr
als im Fleischhandel. Ob dies das dauernde Verhältniß bleiben oder ob es
mit der zunehmenden Entwickelung des augenblicklich noch so jungen Verkehrs¬
zweigs, mit der Befestigung des allgemeinen Geschmacks, mit der Verwendung
von mehr Capital und Unternehmungsgeist auf diesen Theil des Lebensmittel¬
handels sich allmälig ausgleichen wird, muß man abwarten. Zunächst steht so
viel fest, daß Fischfleisch im Großen 8—9 mal so wohlfeil zu haben ist als
Rindfleisch. Und während alles Fleisch von Vieh mit jedem Jahre theurer
wird, hat eine in Manchester angestellte Untersuchung ergeben, daß dort der
Preis der gewöhnlichsten, billigsten, in den größten Massen verzehrten Fische
während der letzten zehn Jahre kaum gestiegen ist. Zungen kosteten im Januar
1865 doppelt so viel als im Januar 1856. aber Schellfische nicht mehr und
Schollen eher weniger. Bedeutende Preissteigerungen am Fisch hat man nur
in den Seestädten erlebt, die seit der Ausdehnung des Eisenbahnnetzes ihr altes
Monopol auf den Genuß von frischem Fisch immer mehr schwinden sehen. In
Newcastle am Tyne z. B. kosten beinahe alle Arten von Fisch heute doppelt das
Geld wie vor zehn Jahren. Man darf sich dort aber damit trösten, daß der
höchste je erlebte Preis in Newcastle immer noch niedriger ist als der feststehende
Preis in Manchester, der sich gleich geblieben ist, weil der zunehmende Geschmack
am Fisch durch eine entsprechend zunehmende Versorgung des Marktes befriedigt


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[0447] Capital von weit über einer Million Pfund Sterling repräsentirend. Eine ein¬ zelne dem Fischfang gewidmete Actiengesellschaft in London hat während der Jahre 1864 und 1865 ihre Segelflotte um zehn Schiffe vermehrt, zwei neue Dampfschiffe zur Sammlung der Fische von den Segelschiffen in Fahrt gesetzt und weitere zwei Dampfer sofort in Bau gegeben. Das stetige und rasche Wachsthum des Fischverbrauchs in England deuten die Mengen an. welche von den Eisenbahnen befördert worden sind, die die Küstenplätze mit dem Innern verbinden. Zwischen 1856 und 1864 hat sich das Gewicht beförderter Fische auf vier dieser Bahnen von 11,714 Tons auf 40,337 Tons gehoben; zwischen 1862 und 1864 auf zwölf Bahnen von 99.724 Tons auf 122 381 Tons. Die Tonne Fische (2000 Pfund) wird dem Fischer im Massenpreise mit durchschnittlich sieben Pfund Sterling abgenommen; für die Tonne Rindfleisch erhält der Viehzüchter im Durchschnitt willig 60 Pfund. Dieser ungeheuere Unterschied ist natürlich weit entfernt, dem Vergleichungsweisen Nahrungswerth der beiden Gattungen von Fleisch zu entsprechen. Im Einzelverkauf gleicht er sich denn auch schon bedeutend aus. Wenn das Rindfleisch in England bei weitem mehr verschiedene Preisclassen hat als in Deutschland, so wird es darin vom Fisch, die einzelnen Arten nicht getrennt betrachtet, noch vielmals über¬ troffen. Im londoner Westend kostet das Pfund Zunge oder Steinbutt mehr als das dort gewöhnlich genommene Rindfleisch oder Hammelfleisch. Die Zwischenstufen der Vermittelung verschlingen im Fischhandel eben ungleich mehr als im Fleischhandel. Ob dies das dauernde Verhältniß bleiben oder ob es mit der zunehmenden Entwickelung des augenblicklich noch so jungen Verkehrs¬ zweigs, mit der Befestigung des allgemeinen Geschmacks, mit der Verwendung von mehr Capital und Unternehmungsgeist auf diesen Theil des Lebensmittel¬ handels sich allmälig ausgleichen wird, muß man abwarten. Zunächst steht so viel fest, daß Fischfleisch im Großen 8—9 mal so wohlfeil zu haben ist als Rindfleisch. Und während alles Fleisch von Vieh mit jedem Jahre theurer wird, hat eine in Manchester angestellte Untersuchung ergeben, daß dort der Preis der gewöhnlichsten, billigsten, in den größten Massen verzehrten Fische während der letzten zehn Jahre kaum gestiegen ist. Zungen kosteten im Januar 1865 doppelt so viel als im Januar 1856. aber Schellfische nicht mehr und Schollen eher weniger. Bedeutende Preissteigerungen am Fisch hat man nur in den Seestädten erlebt, die seit der Ausdehnung des Eisenbahnnetzes ihr altes Monopol auf den Genuß von frischem Fisch immer mehr schwinden sehen. In Newcastle am Tyne z. B. kosten beinahe alle Arten von Fisch heute doppelt das Geld wie vor zehn Jahren. Man darf sich dort aber damit trösten, daß der höchste je erlebte Preis in Newcastle immer noch niedriger ist als der feststehende Preis in Manchester, der sich gleich geblieben ist, weil der zunehmende Geschmack am Fisch durch eine entsprechend zunehmende Versorgung des Marktes befriedigt Grenzboten IV. 186K, 53

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/447>, abgerufen am 02.10.2024.