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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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halten. Die Vorlage des Octoberdiploms und der Februarverfassung an den
ungarischen und kroatischen Landtag war nur Sache der Form, denn von dort
aus ging ja der Widerstand, der Volkswille diente als Hebel. Man versäumte
nicht, schon im voraus zu betonen, daß selbst dem engeren Reichsrath "keine
wie immer geartete Mitwirkung bei der Lösung von Verfassungsfragen zukömmt,"
diese war. wie nachher bekannt wurde, den von den einzelnen Landtagen abzu¬
ordnenden Deputirten zugedacht, wofür trotz aller officiellen Abläugnung eine
neue Octroyirung in Aussicht stand. Ein solcher Generallandtag war nichts
Neues. Hatte doch schon an der Neige des Mittelalters im Jahre 1518 "der
letzte Ritter" die Abgeordneten der altöstreichischen Erdtaube nach Innsbruck be¬
rufen, um seine Schulden zu übernehmen. Der jetzt inaugurirte wird nicht nur
die Erbschaft der Restaurationsepoche, sondern auch jene der allerletzten Posten
aus Belcredis Inventar anzutreten haben. Außerdem da auch "die Nechts-
continuität der Länder diesseits der Leitha nur von den Landesordnungen
ausgehen kann", liegt ihm die Pflicht ob, die alten Postulatenlandtage wieder¬
herzustellen, jene Säulen des Rechts und Goldgruben der Svndergelüste, die
allein noch die Liebe zum Throne und angestammten Herrscherhaus in unver¬
wüstlicher Gluth erhalten. Die Ultramontanen waren außer sich vor Jubel,
denn bei der Zersplitterung aller Theile und Schwüle des Ganzen blühte ihr
Weizen und Belcredi stieg täglich in der Gunst der leitenden Kreise, denen das
Gedeihen der Jesuiten den Segen von oben bringt.

Die Kundgebung des Manifestes glich der Oeffnung von Pandoras Büchse:
Prvvinzialgeist, Nationalilätenhader und Haß gegen die Deutschen entbrannte in
allen Theilen des Reiches. Wo in den cisleithanischen Landtagen irgendein
halbbarbarischer Stamm vertreten war, blies er Sturm gegen die deutsche
Knechtung, die Polen, Czechen und Südslaven bejubelten das Manifest als
Signal zum Kampfe gegen das Fremdlingsjoch der Cultur, allen nickte der
Sistirungsminister ein gnädiges Lächeln zu, nur die Proteste der Deutschen
wurden bei Seite gelegt oder wohl gar zurückgewiesen, wie jener der Vorarl¬
berger. deren Landeshauptmann ihn noch persönlich mit Entlassung aus dem
Staatsdienst und karger Bemessung seines Ruhegehaltes büßte. Doch selbst die
Ungarn, "deren Herzen so warm und patriotisch schlagen", erzeigten sich keines¬
wegs dankbar. Man hatte ihnen zu Liebe die magyarischen Regalisten in
Siebenbürgen wiedereingesetzt, selbst unter den Kroaten für sie geworben, und
dennoch genügte ein volles Halbjahr nicht, die gemeinsam zu berathenden Reichs-
angelegenheiten mit ihnen festzustellen. Da bot denn endlich der preußische
Krieg einen willkommenen Vorwand, die Session zu übertragen.

Alle weiteren Versuche und Verhandlungen dieser Art sollten nur die
Zerfahrenheit der widerstrebenden Elemente noch schärfer ausbilden, die freie
Bahn der Verständigung sollte zum offenen Zwiespalt führen, das war eben das


öl*

halten. Die Vorlage des Octoberdiploms und der Februarverfassung an den
ungarischen und kroatischen Landtag war nur Sache der Form, denn von dort
aus ging ja der Widerstand, der Volkswille diente als Hebel. Man versäumte
nicht, schon im voraus zu betonen, daß selbst dem engeren Reichsrath „keine
wie immer geartete Mitwirkung bei der Lösung von Verfassungsfragen zukömmt,"
diese war. wie nachher bekannt wurde, den von den einzelnen Landtagen abzu¬
ordnenden Deputirten zugedacht, wofür trotz aller officiellen Abläugnung eine
neue Octroyirung in Aussicht stand. Ein solcher Generallandtag war nichts
Neues. Hatte doch schon an der Neige des Mittelalters im Jahre 1518 „der
letzte Ritter" die Abgeordneten der altöstreichischen Erdtaube nach Innsbruck be¬
rufen, um seine Schulden zu übernehmen. Der jetzt inaugurirte wird nicht nur
die Erbschaft der Restaurationsepoche, sondern auch jene der allerletzten Posten
aus Belcredis Inventar anzutreten haben. Außerdem da auch „die Nechts-
continuität der Länder diesseits der Leitha nur von den Landesordnungen
ausgehen kann", liegt ihm die Pflicht ob, die alten Postulatenlandtage wieder¬
herzustellen, jene Säulen des Rechts und Goldgruben der Svndergelüste, die
allein noch die Liebe zum Throne und angestammten Herrscherhaus in unver¬
wüstlicher Gluth erhalten. Die Ultramontanen waren außer sich vor Jubel,
denn bei der Zersplitterung aller Theile und Schwüle des Ganzen blühte ihr
Weizen und Belcredi stieg täglich in der Gunst der leitenden Kreise, denen das
Gedeihen der Jesuiten den Segen von oben bringt.

Die Kundgebung des Manifestes glich der Oeffnung von Pandoras Büchse:
Prvvinzialgeist, Nationalilätenhader und Haß gegen die Deutschen entbrannte in
allen Theilen des Reiches. Wo in den cisleithanischen Landtagen irgendein
halbbarbarischer Stamm vertreten war, blies er Sturm gegen die deutsche
Knechtung, die Polen, Czechen und Südslaven bejubelten das Manifest als
Signal zum Kampfe gegen das Fremdlingsjoch der Cultur, allen nickte der
Sistirungsminister ein gnädiges Lächeln zu, nur die Proteste der Deutschen
wurden bei Seite gelegt oder wohl gar zurückgewiesen, wie jener der Vorarl¬
berger. deren Landeshauptmann ihn noch persönlich mit Entlassung aus dem
Staatsdienst und karger Bemessung seines Ruhegehaltes büßte. Doch selbst die
Ungarn, „deren Herzen so warm und patriotisch schlagen", erzeigten sich keines¬
wegs dankbar. Man hatte ihnen zu Liebe die magyarischen Regalisten in
Siebenbürgen wiedereingesetzt, selbst unter den Kroaten für sie geworben, und
dennoch genügte ein volles Halbjahr nicht, die gemeinsam zu berathenden Reichs-
angelegenheiten mit ihnen festzustellen. Da bot denn endlich der preußische
Krieg einen willkommenen Vorwand, die Session zu übertragen.

Alle weiteren Versuche und Verhandlungen dieser Art sollten nur die
Zerfahrenheit der widerstrebenden Elemente noch schärfer ausbilden, die freie
Bahn der Verständigung sollte zum offenen Zwiespalt führen, das war eben das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/433>, abgerufen am 02.07.2024.